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04.03.2016 Bauzulieferindustrie: Digitale Bauherren verändern Nachfragestruktur

Die Digitalisierung verändert Handels- und Kundenbeziehungen in der Bauzulieferindustrie: Der „digitale Bauherr“ informiert sich im Internet nicht nur über Produktlösungen und Preise, sondern kauft auch zunehmend online. Gleichzeitig wandelt sich das Geschäftsmodell von Handwerkern. Waren sie traditionell als baubegleitende Planer und Einkäufer tätig, reduziert sich ihr Aufgabenspektrum heute zunehmend auf die reine Installation. Diese Entwicklung bringt die komplexen B2B-Vertriebsstrukturen der Branche ins Wanken. Denn Bauzulieferer stehen vermehrt vor der Herausforderung, ein breiteres Spektrum von Kunden über alle Verkaufs- und Informationskanäle hinweg anzusprechen. Das sind einige zentrale Ergebnisse einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung OC&C Strategy Consultants. Für die Studie wurden über 600 Experten befragt – 400 private Bauherren, 200 bauausführende Betriebe sowie das Top-Management von 15 Herstellern der Bauzulieferindustrie.

Der Einfluss des Endkunden auf die Marken- und Produktauswahl nimmt bei Neubau und Renovierungen kontinuierlich zu. Aktuell werden zwar noch 90 Prozent aller Bauprodukte über traditionelle Kanäle verkauft, doch private Bauherren nutzen den Online-Kanal auf ihrem Weg zur Kaufentscheidung – der Customer Journey – immer öfter. Die aktuelle OC&C-Studie „Canal Grande“ zeigt, dass vor allem junge Bauherren zu Informations- und Planungszwecken auf digitale Angebote wie Hersteller-Webseiten, Preisvergleichs-Portalen oder Blogs zurückgreifen. Der Einfluss von Fachhandel oder Handwerkern auf die Kaufentscheidung verliert daher deutlich an Gewicht. Insbesondere bei gut sichtbaren, design-orientierten und hochpreisigen Produkten kümmern sich Endkunden inzwischen häufig selbst um die Produktauswahl und überlassen Installateuren tendenziell nur noch bei weniger sichtbaren und günstigeren Produkten die Entscheidung über Marke und Produkt.

„Digitale Informationsangebote kommen bei privaten Bauherren sehr gut an. Wer sich heute für neue Heizungsanlagen oder intelligente Haustechnik interessiert, informiert sich zunächst auf Fachportalen über die technischen Alternativen. In einem zweiten Schritt ermöglichen Preisvergleichsseiten Transparenz über die Konditionen verschiedener Anbieter. Kaufentscheidung und Produktauswahl werden daher immer häufiger vor dem persönlichen Kontakt mit Händlern oder Handwerkern getroffen. Traditionelle Kanäle der Kundenansprache wie Print-Kataloge oder Beratung im Fachhandel verlieren an Bedeutung“, erläutert Dr. Björn Reineke, einer der für den Bausektor verantwortlichen OC&C-Partner und Co-Autor der Studie.

Die Bedeutung digitaler Vertriebskanäle wird in der Branche unterschätzt
Die Digitalisierung verändert die Bauzuliefererindustrie. Allerdings sind viele Anbieter auf die neuen Nachfragestrukturen nicht vorbereitet. Die Branche setzte lange auf komplizierte drei- oder zweistufige Vertriebsmodelle. Heute erkennen viele Hersteller zwar die steigende Relevanz der Digitalisierung, sie unterschätzen jedoch, wie umfassend deren Einfluss bereits ist. So gaben über 65 Prozent der privaten Bauherren in der OC&C-Studie an, sich vor einer Baumaßnahme auf Produkt- und Preisvergleichs-Webseiten sowie Blogs zu informieren. Der „digitale Kunde“ ist also längst Realität. Folglich sollten die Anbieter für die Customer Journey relevanter Zielgruppen alle Kanäle berücksichtigen. Die Bedeutung digitaler Kanäle (Ausnahme Hersteller-Webseite) wurde jedoch von der Mehrheit der Bauzulieferer als „eher unwichtig“ oder „erst in fünf Jahren wichtig“ beurteilt. Der digitale Nachholbedarf vieler Hersteller ist offensichtlich.

„Viele Hersteller stecken im Bereich Online-Vertriebsstrategie noch in den Kinderschuhen. Sie unterschätzen die Gesamtdynamik im Online-Bereich sowie die generelle Bedeutung digitaler Kanäle für Absatz, Kundenbindung und Anschlussverkäufe durch maßgeschneiderte After Sales Services. Dabei machen innovative Branchengrößen bereits vor, wie man Kunden mit digitalen Angeboten an die Marke bindet. Die Heizungshersteller Vaillant und Viessmann ermöglichen die Konfiguration einer zum Bauwerk passenden Heizungsanlage bereits per Mausklick“, sagt Axel Schäfer, ebenfalls für den Bausektor verantwortlicher Partner bei OC&C.

Erfolgsfaktor Multichannel – Bauzulieferer brauchen Vertriebsstrategien für alle Kanäle

Neben den Endkunden, die in digitalen Kanälen nicht nur Informationen einholen, sondern zunehmend Käufe tätigen, wissen auch Planer und Handwerker die Preistransparenz, Auswahl sowie Planungs-, Konfigurations- und Service-Lösungen im Internet zu schätzen. Für Hersteller werden traditionelle Endkundenkanäle daher immer wichtiger. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass Bauzulieferer mit einem eigenen E-Commerce-Angebot auf den digitalen Veränderungsprozess reagieren müssen. Wichtig ist in erster Linie, dass Kunden entlang ihres Entscheidungsprozesses immer wieder Berührungspunkte zur jeweiligen Marke und den Produkten haben. Wo eine Transaktion letztlich abgeschlossen wird, ist dagegen zweitrangig. Bislang schöpfen nur wenige Hersteller das volle Potenzial des Multichannel-Vertriebs aus. Innovative Vorreiter im Baugeschäft wie Würth verfolgen schon heute eine ausgefeilte, zielgruppenspezifische Vertriebsstrategie über alle Kanäle hinweg. Indem die Anbieter ihre Verkaufsprozesse in das Tagesgeschäft der Handwerker, Planer, Architekten und Endkunden integrieren, schaffen sie Markenpräsenz, sichern sich zufriedene Käufer und kreieren nachhaltige Wettbewerbsvorteile.

„Die Standardlösung für den Multichannel-Vertrieb gibt es im Bauzuliefersektor genauso wenig wie in anderen Branchen. Hersteller sollten sich heute fragen, welche Rolle Endkunde, Verarbeiter, Planer, Architekten, Großhandel sowie stationärer Einzelhandel in ihrem Vertriebsmodell spielen. Mit einem bloßen „Online-Gehen“ ist es nicht getan. Vielmehr gilt es, alle relevanten Zielgruppen entlang der gesamten Customer Journey mit relevanten, produktergänzenden Online-Services an die Marke zu binden“, so Dr. Björn Reineke abschließend.




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