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01.04.2016 Der Büromarkt in Deutschland steht vor großen Herausforderungen

Büroflächen werden in Deutschland immer knapper, die Leerstandsraten in den deutschen Metropolen sind so niedrig wie seit 15 Jahren nicht mehr. Es ist höchste Zeit zu handeln, sagt Marcus Mornhart, Head of Office Agency Germany beim Immobiliendienstleistungs-Unternehmen Savills. Sonst bedroht die Flächenknappheit schon in wenigen Jahren die Standortqualität der Metropolen.
Der Aufschwung in den sechs großen deutschen Bürovermietungsmärkten hält an, er ist durch steigende Nachfrage, steigende Mieten und sinkende Leerstandsraten gekennzeichnet. Der Leerstand hat Ende 2015 den niedrigsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Im Durchschnitt der Top 6-Büromärkte liegt er bei 6,8 Prozent und damit 100 Basispunkte niedriger als im Jahr zuvor. Und er dürfte weiter sinken, denn auf der Angebotsseite ist das Flächenfertigstellungsvolumen von 0,9 Mio. Quadratmeter in 2016 unverändert niedrig, zwei Drittel der Flächen sind bereits vorvermietet. Das wirkt sich auf die Mieten aus. Im Durchschnitt der Standorte legte die Spitzenmiete im Jahr 2015 um 2,6 Euro auf 28,38 EUR/m2 zu. Noch stärker ist der Anstieg der Durchschnittsmiete: um 9,5 Prozent auf 15,29 EUR/m2. Und dieser Trend dürfte anhalten, da die Zahl der Bürobeschäftigten weiter steigt. Die Urbanisierung und die Zuwanderung sorgen dafür.

Was bedeutet das für Unternehmen? Wenn sie neue Büroflächen benötigen, müssen sie sich auf noch weniger Optionen einstellen und höhere Mieten einkalkulieren. In Anbetracht der Preissteigerungen sollten sie bei Neuabschluss oder Vertragsverlängerung lange Vertragslaufzeiten in Erwägung ziehen. Besonders problematisch entwickelt sich die Situation für schnell wachsende Unternehmen, etwa Tech-Companies. Im Bestand gibt es nur sehr wenig Flächen hoher Qualität und sie liegen nicht in den gefragten Lagen. Das zwingt zum Ausweichen in weniger attraktive Quartiere. Damit verschlechtern sich die Bedingungen, qualifizierte junge Mitarbeiter zu gewinnen, die es vorziehen, in angesagten Stadtvierteln zu arbeiten.

Aber nicht nur im zu knappen Angebot, auch in der Struktur des Bestands liegen große Herausforderungen. So sind heute noch viele Flächen belegt, die ihre Mieter eigentlich lieber verlassen würden – wenn es denn Alternativen gäbe: weil die Mitarbeiter sich dort nicht mehr wohl fühlen, weil die technische Infrastruktur veraltet ist. Wir sehen bei Bauten, die aus den 60er- bis 80erjahren stammen, Grundrisse, die nicht mehr zur modernen Arbeitsweise passen. Es werden kaum noch kleine Büros gebraucht, sondern flexibel nutzbare Flächen, wo unterschiedliche Projekt- und Teamkonstellationen abgebildet werden können. Das ist in den starren alten Strukturen nicht zu lösen. Ohnehin ist der Lebenszyklus von Bürogebäuden kürzer geworden, auch wegen des technologischen Wandels. Man muss sie deswegen nicht abreißen, aber entkernen und neu aufbauen.

Die Flächenknappheit muss mittel- und langfristig durch Neubau gelöst werden. Wie hoch der Bedarf in Quadratmetern ist, lässt sich nicht seriös hochrechnen. Er hängt nicht nur von der Zahl der Bürobeschäftigten ab, die weiter steigen wird, sondern auch vom Flächenverbrauch. Der ist in Deutschland mit durchschnittlich 26 Quadratmeter sehr hoch. Zum Vergleich: In Paris sind es 13, in London 10 Quadratmeter. Diesem Niveau werden wir uns annähern, weil Bürofläche pro Quadratmeter teurer wird, und das Thema Flächeneffizienz für Unternehmen eine immer größere Bedeutung bekommt. Und: Wir müssen uns intensiv der Frage widmen, wie hoch wir bauen wollen. Grundstücksflächen sind knapp. Wenn mehr Menschen in den Städten wohnen und arbeiten wollen, dann gewinnen Hochhäuser an Bedeutung, auch im Wohnbereich. Das Thema Wohnraumbeschaffung steht derzeit höher auf der politischen Agenda als die Büroflächenknappheit, weil die Leerstandsquoten beim Wohnraum noch niedriger sind als bei Büroflächen. Es ist aber absehbar, dass wir in drei bis fünf Jahren auch hier Quoten von zwei bis drei Prozent haben werden. In Berlin ist diese Marke nahezu erreicht.

Das bedroht die Standortqualität der Metropolen. Die Menschen ziehen ja dorthin, weil es Arbeitsplätze gibt. Wenn aber Büroflächen so knapp sind, dass Unternehmen sich nicht mehr ansiedeln können oder gar gezwungen sind abzuwandern, stoppt der Zuzug. Hier gibt es eine Wechselwirkung, die Stadtplanung und Politik bedenken sollten.

Es geht um nachhaltige Lösungen. Im Wohnungsbau soll gerade möglichst viel Fläche möglichst schnell bezugsfertig sein, was die Gefahr einer Monostruktur mit sich bringt. Das Phänomen ist aus der Vergangenheit bekannt. Auf dem Büromarkt könnte in fünf Jahren dasselbe beginnen. Dann entstehen monostrukturierte Gebiete, die auf Dauer nicht funktionieren. Stattdessen könnten wir Wohnen und Arbeiten gemeinsam denken und miteinander kombinieren, in gemischt genutzten Quartieren der kurzen Wege, die einem Verkehrskollaps vorbeugen. Die digitale Elite macht uns vor, was wir entwickeln sollten. Die Mitarbeiter der Start Ups und Tech-Unternehmen wollen nicht in klassischen Bürovierteln arbeiten, sondern in lebendigen Quartieren von hoher Lebensqualität. Die Branche und die politisch Verantwortlichen stehen vor neuen Aufgaben.




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