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19.04.2016 Wiener Wohnungsmarkt: Angebotslücke steigt auf Rekordhoch

Der Wiener Wohnungsmarkt befindet sich zu Beginn des Frühjahrs, in einer traditionell nachfragestarken Zeit, in einer außergewöhnlichen Situation. Das starke Wachstum der Stadt führt dazu, dass die Schere zwischen Wohnungsangebot und Wohnungsnachfrage so groß ist, wie schon seit Jahrzehnten nicht und dementsprechend auch die Mieten und Wohnungskaufpreise steigen. Die Baubewilligungs- und Fertigstellungszahlen sind in letzter Zeit zwar gestiegen (deutlicher Anstieg zwischen 2012 und 2013 um 67 Prozent bzw. 130 Prozent, seitdem Verweilen auf dem hohen Niveau), allerdings sind die Fertigstellungen nach wie vor von der Nachfrage deutlich entfernt. Auch der Ausblick auf die nähere Zukunft lässt eine weitere Verschärfung der Situation erwarten. Im 1. Halbjahr 2016 werden rund 3.500 Wohnungen im Neubau fertiggestellt werden. Zusammen mit der Produktion von ca. 7.000 Einheiten im Jahr 2015 ist dies bei weitem zu wenig, um dem im gleichen Zeitraum eingetretenen Bevölkerungswachstum um ca. 43.000 Personen Rechnung zu tragen (bei einer durchschnittlichen Belagszahl von ca. zwei Personen/Haushalt, so fehlen allein aus dieser Zahl heraus ca. 21.600 Wohnungen). Bezeichnend für die Marktlage ist die Zahl der grundbücherlich eingetragenen Verkäufe von Eigentumswohnungen: Trotz der stark steigenden Nachfrage lag diese 2015 mit ca. 10.700 Einheiten gleich wie die Jahre zuvor.

Auch die Preise haben im 1. Quartal weiter angezogen. Im Bereich der frei vermietbaren Wohnungen sind die Wohnungsmieten um 1,4 Prozent und die Eigentumswohnungspreise um 2,1 Prozent gestiegen. Der Aufwärtstrend ist damit erneut deutlich stärker als die Inflationsrate.

„Diese Situation ist für Wohnungssuchende mittlerweile ein großes Problem und Wien hat eine derart große Angebotslücke, dass statistisch gesehen die Nachfrage deutlich über dem Angebot liegt“, erklärt Michael Ehlmaier, Geschäftsführender Gesellschafter von EHL Immobilien. „Auch die Wohnungsanbieter profitieren davon nur bedingt, denn steigende Grundpreise und hohe Baukosten erzwingen de facto ständig weitere Preissteigerungen und mit Wohnungen, die sich niemand leisten kann, macht man auch kein Geschäft. Für Wohnbauträger ist es heute trotz deutlich gestiegener Preise nicht leichter als früher, profitable Projekte zu realisieren. Daher bleibt vieles in der Schublade und gemeinsam mit langen Vorlaufzeiten, die im Durchschnitt ca. 14 Monate - im Extremfall aber bis zu drei Jahren betragen - bei den tatsächlich in Angriff genommenen Projekten, führt das dazu, dass der Wohnungsneubau nur sehr träge in Schwung kommt“, so Ehlmaier.

Keine Entlastung für den Markt kommt bisher aus dem Bereich des Wohnungsbestands. Nach wie vor beträgt der statistische Leerstand ca. 150.000 Wohnungen, wobei nur ca. 35.000 davon den Wohnungssuchenden zur Verfügung als freies Angebot stehen. Einer der Gründe dafür ist auch, dass vor allem private Vermieter aus Unwissenheit und Angst Wohnungen lieber leer stehen lassen, statt sie zu vermieten, oder die Wohnung als Ferienwohnung o.ä. verwenden. Auch durch die Nutzung von als Hauptwohnsitzen gemieteten Wohnungen als Zweitwohnsitze wird eine bedeutende Wohnungszahl dem Markt entzogen.

Einen positiven Effekt konnten hingegen die bereits öfter umgesetzten Umnutzungen von älteren Büroobjekten hin zu Wohnungen erzielen. Diese Häuser eignen sich in der Regel aufgrund der vorhandenen Rahmenbedingungen (höhere Räume aufgrund von Doppelböden, gute Verkehrsanbindung, Tiefgaragen, flexible Raumaufteilungen) ausgezeichnet zum Umbau in Wohnungen. Als Beispiele können die Umnutzung der ehemaligen Volksbankzentrale in der Kolingasse und des Philips-Haus durch 6B47, die Umnutzung des Hamerling (ehemaliges Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen) durch die Soravia-Gruppe oder des ehemaligen Post-Bürogebäudes am Börseplatz 1 durch Immovate genannt werden.

Problematisch ist auch die kontinuierliche Verschiebung des Angebots von Miet- zu Eigentumswohnungen. Im Altbestand frei werdende Wohnungen werden wegen der Mietzinsbeschränkungen häufig lieber verkauft statt neu vermietet, im Neubau lassen sich die Herstellungskosten oft nur mehr mit Eigentumswohnungen und nicht mehr durch Vermietung erwirtschaften. „In Zeiten extrem niedriger Zinsen erscheint das zwar logisch, aber die Mehrheit der Menschen, die jetzt nach Wien zuziehen und dringend eine Wohnung suchen, haben oft kein Kapital, um eine Wohnung zu kaufen“, erklärt Sandra Bauernfeind, Leiterin der EHL-Wohnungsabteilung und Geschäftsführerin von EHL Immobilien Management. „Die Zielgruppe, die derzeit am dringendsten nach Wohnungen sucht, benötigt leistbare Mietwohnungen.“

Zehn Maßnahmen zur Erhöhung des Wohnungsangebots

Die Auswirkungen des aktuellen Bevölkerungswachstums auf den Wohnungsmarkt erfordern eine deutliche Ausweitung der Wohnungsproduktion. „Der aktuelle Nachfrageüberhang darf nicht zum Dauerzustand werden,“ betont EHL-Wohnungsspezialistin Sandra Bauernfeind. „Und wenn jetzt konsequent die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, kann das auch verhindert werden.“ Nicht zielführend, so Ehlmaier, seien jedenfalls weitere Mietenbeschränkungen: „Die Beschränkung des Mietzins schafft keine einzige Wohnung und die günstigste Wohnung hilft nichts, wenn es sie nicht gibt.“

Stattdessen sollte mit einem Bündel von Maßnahmen dafür gesorgt werden, dass die Schaffung von Wohnraum attraktiver und kostengünstiger wird, sowie dass mehr Wohnungen aus dem Bestand tatsächlich angeboten werden

1. Reduktion der ImmoEst: Die Erhöhung der Immobilienertragssteuer (ImmoEst) im Zuge der Steuerreform 2015 war ein abschreckendes Signal für Immobilieninvestoren. Um Wohninvestments wieder anzukurbeln ist eine Reduktion der ImmoEst unumgänglich.

2. Vorzeitige Abschreibung: Um den Wohnbau zu fördern, sollte wie in Deutschland eine vorzeitige Abschreibung ermöglicht werden, statt die Abschreibungszeiten zu verlängern. Diese Maßnahmen würden vor allem private Wohnbauinvestitionen ankurbeln.

3. Beschleunigung der Flächenwidmungen: Für den großvolumigen Wohnbau sind zusätzliche Baugründe unverzichtbar. Die Flächenwidmungsverfahren im Zuge der Maßnahmen der Stadtentwicklung sollten deutlich verkürzt werden.

4. Beschleunigung der Bauverfahren: Eine straffere Koordinierung aller erforderlichen Prüfungen der Genehmigungen vor dem Baustart führt nicht nur zum Bau von mehr Wohnungen, sondern senkt auch die Projektkosten und ermöglicht günstigere Wohnungspreise.

5. Liberale Regelungen für Baurechte: Das Instrument des Baurechts sollte flexibler nutzbar werden und insbesondere auch für Teilliegenschaften ermöglicht werden. Damit gäbe es bessere Möglichkeiten auf Liegenschaften, die nicht verkauft werden, Wohnraum zu schaffen

6. Kostendämpfung im geförderten Wohnbau: Überzogene Qualitätskriterien haben dazu geführt, dass die Baukosten im geförderten Wohnbau höher sind als im freifinanzierten Wohnbau. Die aktuellen Vorschriften bringen marginale Qualitätseffekte und insgesamt deutliche Mehrkosten.

7. Vereinfachung des Mietrechts: Ein Teil des Leerstands ist darauf zurückzuführen, dass vor allem private Vermieter Wohnungen lieber leer stehen lassen, weil sie die komplexen rechtlichen Risken des MRG scheuen. Auch die Durchsetzung rechtlich zulässiger Kündigungen muss erleichtert und befristete Vermietungen im Altbau sollten ohne Abschlag ermöglicht werden.

8. Konsequente Umsetzung von Kündigungsmöglichkeiten: Bei nicht entsprechend genutzten Wohnungen im Altbestand (Leerstand, Zweitwohnsitz) sollten die gesetzlich vorgesehenen Kündigungsmöglichkeiten konsequenter genutzt werden. Dabei ist die gesamte Branche, aber insbesondere auch die Stadt Wien als größter Wohnungsbesitzer gefordert.

9. Erleichterung der Prüf- und Genehmigungsverfahren bei Umnutzungen: Die Neunutzung gewerblicher Immobilien, insbesondere von Büroobjekten, wird durch diverse bürokratische Hürden oft unnötig erschwert. Hier könnte ohne Qualitätsverlust eine deutliche Verbilligung und Beschleunigung erreicht werden.

10. Nutzung von Erdgeschoßen für Wohnen liberalisieren: In den oft leerstehenden Erdgeschoßen in innerstädtischen Lagen sollte die Schaffung von Wohnraum in mehr Fällen als bisher möglich sein. Der notwendige Sicht- und Lärmschutz kann durch moderne bautechnische Maßnahmen heute problemlos erreicht werden.



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