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03.11.2016 Brexit treibt Immobilien-Investoren nach Deutschland

Der Brexit wird die Immobilienpreise 2017 hierzulande so stark anheizen wie nirgendwo sonst in Europa. Das geht aus der jährlichen „Emerging Trends in Real Estate“-Studie hervor, für die die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC und das Urban Land Institute (ULI) rund 800 Branchenmanager weltweit befragt haben. Demnach liegen aus Investorensicht mittlerweile vier der fünf attraktivsten europäischen Immobilienstandorte in Deutschland – nämlich Berlin, Hamburg, Frankfurt und München. Dagegen stürzt das langjährige Immobilien-Mekka London auf Platz 27 unter 30 untersuchten europäischen Städten ab. „Mit dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU beginnt eine neue Zeitrechnung auf dem europäischen Immobilienmarkt“, sagt Susanne Eickermann-Riepe, Partnerin und German Real Estate Leader bei PwC. „Alles spricht dafür, dass Deutschland als die wirtschaftlich stabilste große Volkswirtschaft im Euroraum davon in besonderem Maße profitieren wird. Wir beobachten momentan sogar, dass Investorengelder, die eigentlich für den britischen Markt eingeworben wurden, stattdessen nun in deutsche Städte fließen.“

Die Unsicherheit ist groß wie nie – Deutschland profitiert

Der Brexit ist gleichwohl nicht die einzige Kraft, die auf den europäischen Real-Estate-Sektor wirkt. Während sich die Konjunktur in weiten Teilen Europas nur schleppend erholt, ist gleichzeitig ein Ende der niedrigen Zinsen nicht in Sicht. Noch stärker treiben viele Investoren die großen geopolitischen Themen um wie z.B. die Flüchtlingskrise und die Furcht vor weiteren Terroranschlägen. Hinzu kommen das Verfassungsreferendum in Italien und die Neuauflage der österreichischen Präsidentschaftswahl, bevor 2017 die Bundestagswahl in Deutschland, die niederländische Parlamentswahl und die Kür eines neuen französischen Staatsoberhaupts auf der Agenda stehen. Befragt nach ihren größten Sorgen, nannten 89 Prozent der Investoren entsprechend auch die „internationale politische Instabilität“. Zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass sich die Lage in den nächsten drei bis fünf Jahren weiter verschlechtern wird – während nur zehn Prozent mit einer Verbesserung rechnen. „Diese Grundstimmung trägt dazu bei, dass der deutsche Markt für immer mehr Real-Estate-Investoren ein natürliches Anlageziel darstellt. Schließlich gilt Deutschland in fast allen denkbaren Szenarien als sicherer Hafen – selbst dann noch, wenn die Eurozone wider Erwarten auseinanderbrechen sollte“, sagt Jürgen Fenk, Mitglied des Vorstands, Helaba Landesbank Hessen-Thüringen und Chairman des ULI Germany.

1A-Lagen gelten inzwischen als überteuert – investiert wird trotzdem

Im Gegenzug für die erhoffte Sicherheit sind viele Investoren bereit, immer höhere Preise und damit weitere Abschläge bei der Verzinsung zu akzeptieren. So stimmten sechs von zehn Befragten der Aussage zu, dass die 1A-Lagen in Europa schon jetzt überteuert seien – während nur 13 Prozent widersprachen. Dazu passt, dass im kommenden Jahr nur noch 38 Prozent der Investoren eine Rendite von zehn Prozent und mehr anstreben. Dagegen gibt sich knapp jeder zweite mit fünf bis zehn Prozent zufrieden, während jeder sechste sogar eine Verzinsung von weniger als fünf Prozent für ausreichend hält. Zwei Drittel der Befragten teilten folgerichtig die Ansicht, dass Toprenditen im europäischen Immobilienmarkt nur noch sehr schwierig zu erreichen seien. Anders sahen das gerade einmal 16 Prozent. Ebenfalls bezeichnend: 35 Prozent gehen davon aus, dass die Renditen im kommenden Jahr sinken werden, während nur 16 Prozent das Gegenteil erwarten. „In manchen Toplagen liegt die Verzinsung schon jetzt bei nur mehr drei bis vier Prozent“, erläutert PwC-Expertin Eickermann-Riepe. „Früher wären Investoren in vergleichbaren Situationen vielleicht auf B- oder C-Lagen ausgewichen. Heute hingegen geht man lieber auf Nummer sicher und nimmt die magere Verzinsung zähneknirschend in Kauf.“

Schon vor dem Brexit-Votum hat Deutschland aufgeholt

Wie neue Zahlen des Research-Spezialisten Real Capital Analytics zeigen, hat der deutsche Immobiliensektor auch schon vor dem Brexit-Votum im Vergleich zum britischen deutlich aufgeholt. So flossen zwischen dem vierten Quartal 2015 bis zum dritten Quartal 2016 rund 54 Milliarden Euro in den deutschen Immobiliensektor; in Großbritannien waren es im gleichen Zeitraum umgerechnet 66 Milliarden Euro. Seitdem dürften sich die Verhältnisse sogar verkehrt haben. Denn ganze 92 Prozent der Umfrageteilnehmer glauben, dass der Brexit negative Folgen für den britischen Immobiliensektor hat. Dagegen rechnen nur 21 Prozent mit nachteiligen Auswirkungen auf den kontinentaleuropäischen Markt. Städte wie Berlin dürften weiter profitieren. Die Befragten brachten die deutsche Hauptstadt mit Attributen wie „jung“, „angesagt“ oder „rasant wachsend“ in Verbindung. Zudem verfüge die Stadt – im Vergleich zu London oder Paris – über enormes Aufholpotenzial. So zieht etwa die wachsende Technologieszene viele junge Leute an, die in Berlin leben und arbeiten wollen. In der Tat landete die Spree-Metropole nicht nur insgesamt sondern in jeder einzelnen der vier abgefragten Kategorien vorn – nämlich bei den Aussichten für Investitionen, Projektentwicklung, Mietpreis- und Wertentwicklung.

Stimmung in Frankfurt euphorisch – Hamburg und München solide

Den größten Sprung nach vorn machte Frankfurt. Denn während Berlin und Hamburg bereits im vergangenen Jahr die beiden Topplätze belegt hatten, schob sich die Main-Metropole fast sensationell von Rang 14 auf Rang drei vor. Das liegt daran, dass für die deutsche Finanzhauptstadt nicht nur das „Safe Haven“-Argument spricht, sondern dass sie zugleich so unmittelbar wie keine andere Stadt vom britischen EU-Austritt profitieren könnte. Denn: Für den Fall eines „harten Brexits“ spekulieren manche Investoren darauf, dass Banken und Finanz-Startups („Fintechs“) große Kapazitäten von London nach Frankfurt verlegen. Allerdings zeigt die Umfrage auch: Angesichts eines Büroleerstands von nach wie vor fast zwölf Prozent teilen nicht alle Investoren die momentane Frankfurt-Euphorie.

Im Vergleich zu Berlin steht Hamburg nach Meinung der Investoren eher für Bodenständigkeit. Allerdings ist das nicht der einzige Grund, warum es die Hansestadt auf Platz zwei schaffte: Lukrative Großprojekte wie das rund eine Milliarde Euro schwere Überseequartier in der „Hafen City“ locken globale Anleger an. Zudem stiegen die Mieten für Hamburger Büroimmobilien zuletzt um vier Prozent, in den Toplagen betrug die Durchschnittsrendite für Investoren immerhin noch 3,75 Prozent. Und: Im Vergleich zum ewigen Rivalen München, der auf Platz fünf landete, ist Hamburg aus Investorensicht immer noch ein bisschen günstiger – bei ansonsten vergleichbarer Attraktivität. Die bayerische Landeshauptstadt punktet bei Investoren insbesondere mit ihrer hohen Stabilität, einem sehr niedrigen Leerstand von unter 5 Prozent und weiter steigenden Mieten.

Immobilienbranche steht vor grundlegenden Veränderungen

Megatrends wie der technologische und demografische Wandel sowie die weiter zunehmende Urbanisierung und die damit verbundenen kulturellen und sozialen Veränderungen werden nach Ansicht der befragten Investoren zu tiefgreifenden Veränderungen im Immobiliensektor führen. Neun von zehn Investoren gehen davon aus, dass Mieter immer mehr Flexibilität einfordern werden – etwa aufgrund einer sich verändernden Arbeitswelt mit zunehmend flexibleren Arbeitsmodellen. Drei Viertel der Investoren geben an, dass sie ihre Strategie bereits an den sozialen und demografischen Wandel anpassen.




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