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21.11.2016 Digitalisierung bietet Chancen und Risiken für die Immobilienwirtschaft

Damit die Immobilienbranche ihre hohe Bedeutung für die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland beibehalten kann und diese nicht durch die fort-schreitende Digitalisierung verliert, bedarf es einiger Maßnahmen, die durchaus auch im Handlungsfeld der Politik und Verwaltung liegen. Dies ist eines der Ergebnisse des zweiten Herbstdiskurses der Immobilienweisen, der heute beim ZIA-Innovationskongress vor über 400 Gästen in Berlin vorgestellt wurde. Dazu zählen beispielsweise die Bereitstellung der notwendigen digitalen Infrastruktur (Breitbandanbindung), Standards bei der Nutzung von Building Information Modeling (BIM) und die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Arbeitsstätten, um die notwendige Flexibilisierung der Büroimmobilien hin zu Smart Offices nicht zu behindern. Sogenannte Flex Spaces etwa, die eine flexible Nutzung (heute Büro, morgen Fertigung) ermöglichen, sind mit der derzeitigen Vorgaben im Baurecht schwer umsetzbar. Auch Sortimentsbeschränkungen sollten aufgelockert werden, um den stationären Einzelhandel wettbewerbsfähig zu halten. Für den Herbstdiskurs haben die Au-toren Manuel Jahn von GfK GeoMarketing, Prof. Dr. Harald Simons von empirica sowie Andreas Schulten, Alexander Fieback und Tobias Kassner von bulwiengesa im Auftrag des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. untersucht, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf einzelne Nutzungsarten hat und welche digitalen Trends sich identifizieren lassen.

„Was für die Politik gilt, muss die Branche auch von sich selbst einfordern, damit die Immobilienwirtschaft im internationalen Vergleich nicht als Verlierer vom Platz geht“, sagt Dr. Andreas Mattner, Präsident des ZIA. „Wenn sich die Branche der Herausforderung der Digitalisierung stellt, dann können die etablierten Unternehmen profitieren. Deshalb appelliere ich: Prüfen Sie jetzt ihre Geschäftsmodelle, denn wer nicht handelt, bleibt zurück – das gilt beim Thema Digitalisierung in ganz besonderem Maße.“

Digitale Evolution in der Wohnungswirtschaft

Im Bereich der Wohnungswirtschaft ist der Immobilienweise Prof. Dr. Harald Simons davon überzeugt, dass die Digitalisierung eher einer Evolution statt einer Revolution gleiche, da sich die meisten Akteure bereits seit längerer Zeit anpassten. Während sich am Kerngeschäft der Wohnungswirtschaft – der Bereitstellung von Wohnungen für Nachfrager – durch die Digitalisierung erstmal nichts Grundlegendes ändere, da Wohnungen nicht digitalisierbar seien, existierten innerhalb der Wertschöpfungskette „Wohnung“ doch eine Vielzahl denkbarer Prozesse, bei denen eben dies möglich wäre. „Dies beginnt natürlich bei Planung und Bau der Wohnungen und Gebäude selbst“, so Simons. „Aber auch das Kerngeschäft, Betrieb und Verwaltung der Wohnungen, digitalisiert sich seit langem. Entsprechende Verwaltungs-, Buchhaltungs- oder Prozessplanungsprogramme werden seit jeher eingesetzt. Mit einer fort-schreitenden Digitalisierung ist vor allem dort zu rechnen, wo Funktionen ausgelagert werden können und dadurch Effizienzgewinne möglich werden“, meint Simons. Auch der Bereich der Immobilienbewertung habe sich durch die Digitalisierung in den letzten Jahren stark verändert, Methoden der Statistik seien auch mithilfe einer intelligenten Nutzung von Daten weiterentwickelt worden. Dabei macht Simons den wirtschaftlichen Erfolg von Big Data in der Wohnungswirtschaft einerseits vom Vorhandensein großer Datenmengen abhängig, andererseits aber auch von der Möglichkeit der Zweitverwendung zur Erzeugung zusätzlicher Er-träge und Optimierung der eigenen Leistung.

‚Digitals‘ verändern örtliches Büromarktgefüge

Die Autoren Andreas Schulten, Alexander Fieback und Tobias Kassner von bulwiengesa sehen ebenso den Bereich der Büroimmobilien unter digitalem Einfluss, der insbesondere die Nachfragestrukturen verändere: „Nicht nur hinsichtlich der Konzeptionen von Büroflächen und Gebäuden, sondern auch auf der Makroebene wird der Einfluss deutlich. So haben sich Digitalunternehmen an einigen Standorten bereits als relevante Nachfrager etabliert und nehmen teils sogar eine Führungsposition ein.“ Gerade in Berlin, der Startup Hauptstadt Europas, werde dieser Umstand besonders deutlich. Digitalunternehmen stellten derzeit mit Abstand die dynamischste Branche der Hauptstadt dar und vereinten im vergangenen Jahr einen Anteil von mehr als 40 Prozent des gesamten Umsatzvolumens auf sich. Diese Entwicklung strahle in viele Bereiche der Wirtschaft aus. Betroffen sei vor allem das TMT-Segment (Technologie / Medien / Telekommunikation), aber auch im Bereich der Dienstleistungen und des Handels (eCommerce) erreichten mittlerweile Unternehmen mit digitalem Ansatz relevante Marktanteile. Neben der Nachfrage müsse sich aber auch das Angebot anpassen.

„Nutzer fragen vermehrt Büroimmobilien nach, die die Anforderungen einer immer stärkeren Technisierung entsprechen, damit Smart Working-Konzepte umgesetzt werden können“, so die Autoren. Das Smart Office mit verschiedenen spezialisierten Arbeitsbereichen, offenen und geschlossenen Elementen und viel Platz für Gemeinschaftsflächen werde dabei als Innovationstreiber angesehen.

Logistik: Unbeweglichkeit der Immobilie wird langfristig aufgehoben

Im Bereich der Logistik- und Produktionsimmobilien sind die Autoren Schulten, Fieback und Kassner davon überzeugt, dass sich digitale Trends sowohl auf die Fertigung als auch auf die Logistik auswirken: „In der Logistik wirkt primär die Transformation des Konsums über digitale Vertriebswege durch E-Commerce bzw. M-Commerce (Mobile Commerce) als wesentlicher Treiber. In den vergangenen Jahren hat sich dies hauptsächlich auf den B2C-Be-reich, also die Beziehung Handel zu Endkunden, ausgewirkt. Zukünftig wird sich auch der B2B-Bereich deutlich stärker durch E-Commerce verändern.“ Bei der Fertigung ständen die Cyber-physischen Systeme, also die Verbindungen des physischen Produktes mit dem Internet, im Fokus. Alles sei mit allem und jeder mit jedem digital verbunden – das Internet der Dinge fange bereits während der Fertigung an. „Schon Halbprodukte stehen während des Fertigungsprozesses in vielfachem Austausch mit den Maschinen, dem bedienenden Personal und selbst der umgebenden Immobilie“, schreiben die Autoren. „Die Vernetzung sämtlicher Prozesse setzt jedoch voraus, dass eine Breitbandanbindung überhaupt vorliegt. Selbst in Kernstädten ist dies nicht zwingend überall gegeben – in den typischen Lagen von Logistikzentren und Fertigungsstätten kann dies durchaus problematisch sein. Hier muss Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern deutlich aufholen.“ Die Verfasser gehen dar-über hinaus davon aus, dass sich aufgrund der Digitalisierung neue Gebäudetypologien entwickeln werden, in denen die Flexibilität und die hybride Nutzung besonders in den Fokus rückten. Gefragt seien vor allem Flex Space-Konzepte. Neben Smart Factories und Smart Logistics würden Smart Products und additive Fertigungsverfahren neue Logistikimmobilien-konzepte hervorbringen. Bei einer auf Modulen basierten Gebäudekonzeption könne sogar die heutige Kerneigenschaft der Immobilie, die Unbeweglichkeit, langfristig aufgehoben werden.

Einzelhandel: Der ‚Connected Consumer‘ als Treiber

Manuel Jahn sieht innerhalb des Einzelhandelssegments vor allem den informierten Konsumenten als Treiber für Veränderungen: „Das Smartphone als ständiger Begleiter, hohe Preis-sensibilität und Einkaufsmotive, die nicht im Produkt allein, sondern zunehmend im immateriellen Zusatznutzen liegen, begründen die Notwendigkeit angepasster Einzelhandelskonzepte. Dieser tiefgreifende, nachfrageinduzierte Strukturwandel wird nicht nur den Einzelhandel selbst, sondern auch die Standorte und Immobilienkonzepte ganz maßgeblich beeinflussen.“ Die zunehmende Konnektivität und ein wachsender Wissensstand der Konsumenten führten zum Ende dynamischer Preismodelle und müssten durch vertrauensbildende Preisstrategien ersetzt werden: Upselling, Festpreise oder Trading down. Je informierter und vernetzter der Konsument sei, desto mehr Auswahl verlange er auch – ein Wettlauf, den der Ladeneinzelhandel nicht allein gewinnen könne. Hierzu bedürfe es Synergien zwischen den Distributionskanälen Online und Offline. „Omnichanneling verknüpft die Vorteile beider Sphären zum Kundenwohl ohne Schnittstellenverluste und Abriss in der Kundenbeziehung“, so Jahn. Die Umsetzung von Omnichannel-Konzepten habe dabei unmittelbar Folgen für den Verkaufsflächenbedarf von Einzelhändlern. Während bestehende stationäre Händler durch Omnichanneling Umsatzpotential tendenziell ins Netz verlagerten und den Ladenumsatz dabei im besten Fall hielten, diene der zusätzliche Point of Sale des Online-Händlers dazu, die Bekanntheit zu erhöhen, die Marke zu emotionalisieren und häufig auch Seriosität nachzuweisen. Zudem sei davon auszugehen, dass der funktionalen Differenzierung von Ladengeschäften sowie der Erschließung neuer kommerzieller Räume sukzessive die Segmentierung von Einkaufslagen folge. Ein klares und eigenes Angebotsprofil sei dabei entscheidend, um keine nennenswerten Bedeutungsverluste hinnehmen zu müssen. Entsprechend gehöre klar positionierten Standorten wie der 1a-Konsumlage, der 1a-Luxuslage, dem (Experience-)Shoppingcenter, dem Fachmarkt- und Nahversorgungszent-rum, dem Verkehrsknoten (Bahnhof, Flughafen), der Szenelage oder der Sonderlage (Museum, Strandpromenade, etc.) die Zukunft ebenso wie klar positionierten Retail-Konzepten, ob kuratiert oder auf den Preis fokussiert.




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