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06.04.2017 Studie: Barrierefreiheit für rund ein Prozent der Baukosten realisierbar

Barrierefreiheit bei Neubauwohnungen ist keine Frage der Kosten, sondern vielmehr der Konzeption und Planung. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der TERRAGON und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB).

Die Untersuchung analysiert die Mehrausgaben für barrierefreies Bauen im Vergleich zum konventionellen Bauen anhand eines exemplarischen Wohnungsneubauprojektes und kommt zu einem verblüffendem Ergebnis: Barrierefreiheit macht nur gut ein Prozent der Gesamtbaukosten aus.
"In Deutschland fehlen aktuell mindestens 1,6 Millionen barrierefreie Wohnungen, Tendenz steigend. Geleichzeitig sind barrierefreie Wohnungen eine Grundvoraussetzung für eine stärkere ambulante Versorgung der Pflegebedürftigen und damit auch für eine finanzielle Entlastung der Kommunen. Vor diesem Hintergrund kommt den Kosten der Barrierefreiheit eine große gesellschaftliche Bedeutung zu", sagt Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB).

Analysiert wurden im Rahmen der Studie "Barrierefreies Wohnen im Kostenvergleich" insgesamt 140 Kriterien für barrierefreies Bauen nach der DIN 18040-2. Bei 130 Kriterien zeigte sich, dass Barrierefreiheit nicht mit Mehrkosten verbunden ist, sondern allein mithilfe einer intelligenten Planung erreicht werden kann.

Grundlage der Untersuchung war das Musterprojekt eines fünfgeschossigen Wohnungsneubaus in Berlin mit insgesamt 20 Wohnungen und 1.500 Quadratmeter Wohnfläche. Bei einer auf vollständige Barrierefreiheit ausgelegten Variante ergeben sich Mehrkosten in Höhe von 21,50 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Das entspricht 1,26 Prozent der reinen Baukosten (KG 300 und 400) pro Quadratmeter Wohnfläche. Bei einer Wohnung mit 75 Quadratmeter Wohnfläche würden sich die Mehrkosten für eine vollständige Barrierefreiheit auf rund 1.600 Euro belaufen.

In einer zweiten, kostengünstigeren, aber immer noch barrierefreien Variante sind es sogar nur 9,20 Euro (0,54 Prozent) pro Quadratmeter Wohnfläche. Bezogen auf die Gesamtinvestitionskosten (KG 100 bis 700) belaufen sich die Mehrkosten auf 0,83 Prozent beziehungsweise 0,35 Prozent in der zweiten Variante.

"Werden die Mehrkosten von rund einem Prozent in Beziehung zum Anstieg der Grundstückskosten, Kaufpreise oder auch der Grunderwerbsteuer in den vergangenen Jahren gesetzt, so erscheinen sie vernachlässigbar gering", sagt Dr. Michael Held, Geschäftsführer von TERRAGON. "Diese geringen Mehrkosten müssen zudem vor dem Hintergrund der erheblichen Vorteile der Barrierefreiheit gesehen werden. Selbstnutzende Eigentümer profitieren vom Komfort bis ins hohe Alter, Vermieter von der besseren und längeren Vermietbarkeit. Zudem wird ein generell höherer Immobilienwert gegenüber nicht barrierefreien Wohnungen erzielt", erklärt Held.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Kosten für die Barrierefreiheit sind im Neubau weitaus günstiger. Die durchschnittlichen Aufwendungen für den altersgerechten Umbau im Bestand im Rahmen des KfW-Programms "Altersgerechter Umbau" beliefen sich laut einer Untersuchung von Prognos auf 19.100 Euro pro Wohnung. Mit diesem Aufwand wurde eine Verringerung der Barrieren, aber keine Barrierefreiheit erreicht. Durchschnittlich wurde das KfW-Programm "Altersgerechter Umbau" für jährlich rund 25.000 Wohnungen wahrgenommen. Im Jahr 2011 wurde ein Spitzenwert von 43.310 Wohnungen erreicht.

"In Deutschland ist jetzt der Zeitpunkt für ein Umdenken gekommen. Denn wir stehen am Anfang einer Phase des vermehrten Neubaus. Jeder Neubau ist eine Chance, zeitgemäßen Wohnraum zu schaffen - Wohnraum, der für Jahrzehnte als Zuhause dienen soll. Aktuell werden jährlich circa 100.000 Wohnungen im Geschosswohnungsbau errichtet. Diese Chance müssen wir mit Blick auf den demografischen Wandel dringend nutzen", sagt Prof. Dipl. Ing. Lothar Marx, Honorarprofessor an der TU München für "Bauen für alte und behinderte Menschen" und Mitglied der Normenausschüsse zum altersgerechten Wohnen und zur Barrierefreiheit.

Die Studie empfiehlt Bauherren, den Fokus auf Maßnahmen zu legen, die den höchsten Beitrag zur Barrierefreiheit leisten: ein barrierefreier Haus- und Wohnungszugang, ein barrierefreier Aufzug, geeignete Türen und ausreichend große Bewegungsflächen, barrierefreie Bäder mit bodengleicher Dusche sowie ein barrierefreier Zugang zum Balkon.

Zur Förderung des barrierefreien Bauens schlägt die Studie zudem vor, das KfW-Programm "Altersgerecht Umbauen" auf den Neubau auszuweiten. Demnach könnten 2.500 bis 5.000 Euro pro Wohnung als Zuschuss gewährt werden.
"Leider wird Barrierefreiheit bisher noch in vielen Fällen ausschließlich mit den Zielgruppen Senioren und Menschen mit Handicaps in Verbindung gebracht. Dabei bedeutet ein durchdachtes Konzept für Barrierefreiheit nichts anderes als Komfort, von dem Nutzer aller Altersklassen und in allen Lebenslagen profitieren können - ein nachhaltiges Investment, für das sowohl wirtschaftlich, als auch gesamtgesellschaftlich gesehen viele gute Argumente sprechen", ergänzt Prof. Lothar Marx.






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