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04.04.2018 Kategorisierung in ABCD-Städte ist nicht mehr zeitgemäß

Die in der Immobilienbranche gängige Klassifizierung in ABCD-Städte soll Investoren eine erste Einschätzung zu Renditechancen und Risiko eines Projektes ermöglichen. Sie ist vor über 25 Jahren vom Analyseunternehmen bulwiengesa für den Büromarkt entwickelt worden und wurde später auf Wohnimmobilien übertragen. Mittlerweile hat die gewohnte Kategorisierung jedoch an Aussagekraft verloren, da sich das Investitionsumfeld stark gewandelt hat. „Die Nachfrage auf dem deutschen Wohnungsmarkt hat sich durch eine lange Phase der extremen Niedrigzinsen, Zuzug in die Ballungsräume und Zuwanderung sehr verschärft. Diesen neuen Bedingungen wird die herkömmliche Segmentierung nicht mehr gerecht“, sagt Edward Martens, Vorstand der AVW Immobilien AG, einem Projektentwickler mit Fokus auf Wohnimmobilien im norddeutschen Raum.

„Die stark vereinfachenden Kategorien bieten heute keine ausreichende Orientierung für Investitionsentscheidungen mehr, denn sie bilden weder die aktuellen Risiken in den vermeintlich sicheren A-Lagen noch das Potenzial der kleineren Städte ab“, ergänzt Michael Mertmann, ebenfalls Vorstand der AVW. Das Hamburger Unternehmen bewertet Standorte deshalb unabhängig von diesem Segmentierungsschema und trifft Investitionsentscheidungen nur auf Basis von individuellen Standortanalysen. Die drei Hauptgründe dafür sind:

1. Nicht der Status-Quo ist entscheidend, sondern die Entwicklung

Die typische Klassifikation reduziert grundlegende Unterschiede der Standorte auf einige wenige und größtenteils statische Parameter, wie etwa die Einwohnerzahl oder den Büroflächenbestand. Dynamische Faktoren, zum Beispiel die Bevölkerungsentwicklung, die Arbeitgeberstruktur, Kaufkraftkennziffern, die Infrastruktur und die aktuelle Angebots- und Nachfragesituation werden nicht berücksichtigt. Diese Informationen sind aber nötig, um das Risiko eines Investments und die zu erwartende Risiko-Rendite-Relation realistisch einzuschätzen. So haben die Kaufpreise in den sogenannten A- und inzwischen auch in B-Städten teilweise Niveaus erreicht, die keinen Spielraum für Wertsteigerungen oder Sensitivitäten in der Renditebetrachtung lassen. Im Februar 2018 warnte die Bundesbank sogar vor Überbewertungen in Großstädten von rund 35 Prozent. Das birgt durchaus Rückschlagpotenzial. „Dynamische Faktoren sind entscheidend für die langfristige Preisentwicklung an einem Standort und den Wiederverkaufswert der Immobilie. Und da sehen wir für bestimmte kleinere Städte gerade deutlich mehr Entwicklungspotenzial. Investoren, die trotzdem weiter in Schubladen denken, vergeben somit womöglich Renditechancen“, so Martens.

2. Megatrends werden vernachlässigt

Ein weiterer Aspekt, den die gängige Klassifikation nicht berücksichtigt, sind gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends, die das Leben, Arbeiten und Wohnen nachhaltig beeinflussen. In Deutschland hängen viele Städte beispielsweise stark von einer Branche, wie zum Beispiel der Automobilindustrie, ab. Aktuell ist die Preis- und Nachfrageentwicklung an vielen dieser Standorte sehr gut. Es ist allerdings noch nicht absehbar, wie – bei diesem konkreten Beispiel – die Umstellung auf Elektromobilität die lokalen Arbeitsmärkte beeinflussen wird.

3. Viele aussichtsreiche Standorte sind gar nicht klassifiziert

Obwohl das ABCD-Schema mehr als 100 Städte kategorisiert, fallen viele interessante Standorte durchs Raster. Dazu gehören im norddeutschen Raum beispielsweise Stade, Ahrensburg und Buxtehude. Alle drei Städte verzeichnen ein positives Bevölkerungswachstum, das Bauland ist noch vergleichsweise günstig und die Quadratmeterpreise bei Neubauten erlauben mit 3.600 bis 4.600 Euro noch deutliche Wertsteigerungen. Auch das weiter südlich gelegene Peine fliegt unter dem Radar, dabei punktet die Kreisstadt mit ihrer günstigen Lage zwischen Hannover und Braunschweig und Leerstandsquoten von unter fünf Prozent. „An diesen Standorten können Entwickler und Investoren noch auskömmliche Renditen erwirtschaften“, sagt Martens. In Hamburg liegt die Rendite im Durchschnitt bei deutlich unter vier Prozent. Im nur einige Kilometer entfernten Buxtehude sind bei Neubauten dagegen annähernd fünf Prozent möglich. „Wer sich bei der Standortwahl nur an den gängigen Kategorien orientiert, kann diese chancenreichen Städte eventuell übersehen.“

Investoren sollten umdenken: TOP statt ABC

Viele professionelle Anleger haben sich allerdings noch nicht auf die veränderten Marktbedingungen eingestellt und vertrauen weiterhin auf die Allgemeingültigkeit der alten Klassifikation. Ihre Investitionskriterien sehen beispielsweise Globalkäufe oft nur in den großen A-Städten vor, denn nationale und internationale Player kennen sich nur selten auf den regionalen Immobilienmärkten aus. Zudem sind die Transaktionsvolumina in den kleineren Städten häufig überschaubar und die größeren Maklerhäuser, mit denen institutionelle Investoren oft zusammenarbeiten, sind dort ebenfalls weniger vertreten. Individuelle Analysen wären deshalb zeitaufwendig und kostenintensiv. Ein Problem, das jedoch leicht durch Kooperationen mit vor Ort ansässigen Entwicklern oder Beratern mit lokaler Marktkenntnis behoben werden könnte. „Professionelle Anleger haben im aktuellen Marktumfeld durchaus die Möglichkeit, von den Renditechancen an Standorten abseits der Großstädte zu profitieren“, so Michael Mertmann. „Erste Voraussetzung hierfür ist aber deutlich mehr Flexibilität bei den Investitionskriterien.“

Ein erster Schritt wäre, bei der Standortanalyse nicht das ABCD-Schema, sondern stattdessen die TOP-Faktoren im Hinterkopf zu behalten: Trends, Opportunities, Perspectives. Das heißt, es sollten dynamische Aspekte und langfristige Entwicklungstendenzen (Trends) – sowohl in bundesweit bekannten Städten als auch an kleineren, oft unterschätzten Standorten (Opportunities) – aus dem Blickwinkel des jeweiligen Investors und vor dem Hintergrund seiner individuellen Anlageziele (Perspectives) untersucht werden.











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