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31.05.2018 Wenn Politik Zinsen macht: Auswirkungen der Regierungskrise in Italien

Ende letzter Woche sah es noch ganz danach aus, als würden zwei populistische Parteien vom linken und rechten Rand des politischen Spektrums eine Regierung in Italien stellen. Am Sonntagabend hatte Präsident Sergio Mattarella der Koalition eine Absage erteilt. Der Grund: Er wollte den eurokritischen Paolo Savona nicht zum Finanzminister ernennen. Stattdessen vergab er am Montag den Auftrag zur Regierungsbildung an den Wirtschaftsexperten Carlo Cottarelli. Dieser bringt Erfahrungen aus seiner Arbeit beim Internationalen Währungsfonds (IWF) mit.

„Ich glaube, dass ein Großteil des jüngsten Renditeeinbruchs bei den Bundesanleihen auf die Entwicklungen in Italien zurückgeht“, sagt Michael Neumann, Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG. „Auch die Abschwächung des Euro resultiert zum Teil daraus“, so Neumann weiter. Durch die Berufung Cottarellis wollte der italienische Präsident Ruhe in die Politik und auch in die Finanzmärkte bringen. Doch das Gegenteil trat ein. Cottarellis Ziel war es, das Vertrauen des Parlaments zu gewinnen, um einen Haushalt zu verabschieden und Anfang des nächsten Jahres Neuwahlen stattfinden zu lassen. Doch die Gegenwehr von Lega Nord, der Fünf-Sterne-Bewegung und der Partito Democratico war zu groß. Cottarelli hat keinen Rückhalt im Parlament. Nun könnten bald Neuwahlen anstehen.

Droht ein „Italexit“?

Die Finanzmärkte zeigen sich ob der italienischen Entwicklungen nervös. Anleger flüchten aus italienischen Anleihen. Die Folge: Ihre Rendite steigt auf den höchsten Stand seit mehr als fünf Jahren. „Die Zinsen reagieren in der Regel nur kurzfristig auf politische Entwicklungen. Einen langfristigen und somit weit größeren Einfluss haben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Und die sind derzeit in Europa sehr gut“, resümiert Neumann. Indes hat das italienische Chaos dazu geführt, dass die rechtspopulistische und europakritische Lega weiter erstarkt ist. Dadurch werden Stimmen über einen möglichen „Italexit“ lauter.

Doch Neumann beruhigt: „Die Eurokrise wird nicht wegen einer neuen Regierung in Italien zurückkehren, selbst wenn diese euro- bzw. europaskeptisch wäre. Sicher wird eine solche Regierung die Verringerung der Verschuldung Italiens nicht als Kernziel ausrufen – im Zweifel eher das Gegenteil“, so Neumann. „Im Durchschnitt blieb in den letzten 72 Jahren in Italien eine Regierung nur etwas mehr als ein Jahr im Amt. Damit wird schnell deutlich, dass es fraglich ist, ob die nächste Regierung Italiens nachhaltige Fußspuren in der Geschichte des Landes hinterlassen wird“, so Neumann weiter. „Ich denke, dass sich die Märkte und damit die Zinsen bald beruhigen werden, denn politische Börsen haben eher kurzfristige Auswirkungen und das Thema wird vermutlich in den nächsten Wochen wieder in den Hintergrund rücken“, so Neumann.

Wie reagiert die Europäische Zentralbank?

Ob und wie die Europäische Zentralbank auf die Turbulenzen in Italien reagiert, bleibt abzuwarten. Ihre nächste Sitzung ist für Mitte Juni terminiert. „Ich kann mir vorstellen, dass die EZB aufgrund der unruhigen Lage in Italien die Entwicklungen erstmal beobachten wird und abwartend reagiert“, sagt der Vorstand. „Das bedeutet konkret, dass sie weiterhin darauf verzichtet, die expansive Geldpolitik zurückzudrehen. Die Kerninflation im Euro-Währungsgebiet sank im April auf 0,7 Prozent. Die Zielmarke von zwei Prozent ist noch weit entfernt. Also hat die Zentralbank keinen Druck, die Zinsen zu erhöhen. Eventuell entscheidet sich EZB-Chef Mario Draghi für eine Fortführung des Anleihekaufprogramms über September hinaus – möglicherweise aber auf einem niedrigen Niveau“, kommentiert Neumann.

Die Zinsen in den USA

In den USA herrscht ein anderes wirtschaftliches Umfeld als in Europa. Hier wird die Federal Reserve (Fed), die amerikanische Notenbank, in diesem Jahr den Leitzins voraussichtlich drei Mal minimal anheben. Diese Entwicklung ist am Markt bereits eingepreist. „Sollte sich die Fed entscheiden, einen weiteren Zinsschritt in 2018 zu tätigen, wird die Konjunktur das verkraften“, sagt Neumann. „Die Steuererleichterungen, die Präsident Donald Trump auf den Weg gebracht hat, werden die Wirtschaftslage weiter antreiben; ihre Auswirkungen entfalten sich jedoch erst langsam“, so der Zinsexperte weiter.

Baufinanzierungszinsen geben kurzfristig nach

In den letzten Wochen gab es kaum Bewegung beim Dr. Klein Bestzins für zehnjährige Hypothekendarlehen. Er beträgt 1,20 Prozent. „Doch durch die Entwicklung in Italien gewinnen deutsche Bundesanleihen an Attraktivität, ihre Rendite nimmt daher ab. Kurzfristig werden deshalb die Baufinanzierungszinsen im Marktdurchschnitt etwas nachgeben“, prognostiziert Neumann.

Tendenz

Kurzfristig: schwankend seitwärts
Langfristig: steigend








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