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28.01.2019 Retail meets Logistics 2030: Einzelhandel muss sich neu erfinden

Der stationäre Einzelhandel wird auch in Zukunft einer der wichtigsten Bausteine in der Warenverteilung an Konsumenten bleiben. Seine Rolle als innerstädtische Einzelhandelsimmobilie muss jedoch neu interpretiert werden. Dies ist eine der Aussagen aus der Publikation „Retail meets Logistics 2030“, die der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, in der Reihe „Perspektiven der Immobilienwirtschaft“ veröffentlicht hat und in dem mehrere Experten zu ihrer Einschätzung befragt wurden. Dabei zeigt sich, dass insbesondere die Vernetzung von Einzelhandel und Logistik – aus Immobilien- und Anbieterperspektive – eine immer stärkere Rolle spielt.

Der Einzelhandel muss sich neu erfinden

„Der Einzelhandel muss sich wie alle anderen Wirtschaftssektoren in Deutschland auf ein geändertes Konsumverhalten einstellen“, schreiben Dr. Eva Lohse, Vorsitzende des ZIA-Kommunalrats, und Dr. Andreas Mattner, Präsident des ZIA, in ihrem gemeinsamen Vorwort. „Der wachsende Wettbewerbsdruck durch den Online-Handel ist zu einem existenziellen Problem geworden, das es zu lösen gilt. Mehrere Filialisten klagen über sinkende Umsätze und Besucherzahlen, ganze Einkaufsstraßen bemängeln weniger Publikumsverkehr. In diesen Zeiten sind innovatives Denken und der Einsatz neuer Technologien und Möglichkeiten so wichtig wie selten zuvor. Man könnte auch sagen: Der Einzelhandel muss sich neu erfinden.“

Peter Altmaier kündigt Kompetenzzentrum Einzelhandel an

Um kleinen und mittleren Händlern bei der Digitalisierung konkrete Hilfestellung anzubieten, werde die Bundesregierung in Kürze ein Kompetenzzentrum Einzelhandel ins Leben rufen, so Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, in seinem Grußwort. „Insbesondere geht es darum, Händlerinnen und Händler in die Lage zu versetzen, interne Prozesse effizienter zu gestalten und gleichzeitig das Kauferlebnis der Kunden aufzuwerten“, schreibt Altmaier. „Das Kompetenzzentrum soll hier sensibilisieren, informieren und erfolgreiche Digitalisierungsbeispiele aufzeigen.“

Kommunale Spitzenverbände für umwelt- und raumverträgliche Lösungen

Die Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag sowie Deutscher Städte- und Gemeindebund betonen in ihren Geleitworten insbesondere die notwendigen Anpassungen in der verkehrlichen Infrastruktur. „Damit Handel in den Innenstädten funktioniert, bedarf es einer angepassten Logistik“, schreibt Oberbürgermeister Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages. „Das gemeinsame Ziel sind saubere und lebenswerte Städte, die die Versorgung sicherstellen und die verkehrliche Belastung für die Bevölkerung minimieren.“

Dem Kundenanspruch, kurzfristig ein umfassendes Warenangebot zu erreichen, muss sich der Einzelhandel – insbesondere in den Klein- und Mittelstädten – verstärkt stellen, meint Landrat Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages. „Der stationäre Einzelhandel muss sein Angebot im Sinne eines ‚Mehrkanal-Ansatzes‘ ausweiten, etwa durch Aufbau paralleler Online-Angebote und Möglichkeiten einer kurzfristigen Bestellung nicht vorhandener Waren zur Abholung (Click & Collect) oder zur Auslieferung durch Paket- und Kurierdienste“, schreibt Sager.

Aus Sicht von Dr. Uwe Brandl, Erster Bürgermeister der Stadt Abensberg und Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, seien jene Lösungen am besten, die von vornherein Verkehr vermeiden. „Das fängt beim Bestellverhalten an, umfasst aber auch den Aspekt, die örtlichen und regionalen Produktions- und Wirtschaftskreisläufe wieder zu stärken“, sagt Brandl. „Im Interesse einer umweltschonenden und platzsparenden Logistik, aber auch im Interesse einer nachhaltigen und prosperierenden Wirtschaft in den Städten und Gemeinden.“

Schöberl: Neue Chancen für den Einzelhandel

Aus Sicht von Iris Schöberl, Vorsitzende des ZIA-Ausschusses Handel, kann der stationäre Einzelhandel durch Click & Collect – in Verbindung mit bestimmten Dienstleistungen – die Kundenbindung wieder stärken und intensivieren. Denn vor dem Hintergrund der Herausforderungen in der City- und Zustelllogistik werden Geschäfte in den Innenstadtlagen künftig eine noch wichtigere Rolle spielen als ohnehin schon. „In der City-Logistik beziehungsweise der Zustellung auf der letzten Meile geht es nicht nur um neue technologische Lösungen wie fahrerlose Elektro-Lkw, eine digitale Erfassung der Transportdaten oder die intelligente Vernetzung vom Versender bis zum Empfänger“, so Schöberl. „Wichtig ist letztlich auch die Paketflut und die damit verbundene Reduktion von Individualzustellungen. Die Anlieferungen bis vor die Haustür dürfte ein Premiumservice werden, für den Kunden künftig zusätzlich zahlen müssen. Wer das nicht will, holt seine Waren in Läden oder Abholstationen ab.“

Steinmüller: Immobilienwirtschaft muss auf neue logistische Abläufe reagieren

Auch Dr. Thomas Steinmüller, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Logistikimmobilien, sieht eine sich ändernde Rolle des stationären Einzelhandels. Dieser müsse sich vom tradierten Push-Prinzip – also Waren optimiert einzukaufen und dann den Kunden zu verkaufen – zum Pull-Prinzip weiterentwickeln – der Kunde wünscht und der Handel liefert. „Anders als der Handel agieren die Unternehmen der Digitalära, indem sie Kunden echte Erleichterungen zukommen lassen wollen, koste es, was es wolle – weil sie verstanden haben, dass die Daten eine kostenkompensierende Größe darstellen“, schreibt Steinmüller. Dies erfordere völlig neue logistische Abläufe, auf die die Immobilienwirtschaft reagieren müsse. Dabei brauche es nicht nur kundenzugängliche Ladenlokale mit Lagermöglichkeiten, sondern darüber hinaus auch botenzugängliche Lagerräume, virtuelle Gruppierungen von örtlich nicht zusammenhängenden Lagerorten, die Integration von Bereichen in Wohn- und Büroobjekten oder von Bahnhofsflächen sowie Pop-up-Lager für kurzfristige Lagerungen in Serviceflächen oder auch auf Freiflächen.

Striebich: Shopping Center als wichtiger Baustein der letzten Meile

Shopping Center können sich nach Ansicht von Klaus Striebich, ehemaliger Vorsitzender des Vorstandes beim German Council of Shopping Centers und Geschäftsführer von RaRE Advise – Retail and Real Estate, bis zum Jahr 2030 als wichtiger Logistikpartner etablieren. „Microhubs etwa können in jedem Shopping Center nicht nur ein Teil des Services sein, sie können auch für weitere Frequenzen sorgen und das Center als wichtigen Baustein in der ‚letzte Meile‘ fest verankern“, so Striebich. Damit Shopping Center ihre Eigenschaft als lebendiger Marktplatz behalten, brauche es allerdings auch passende politische Voraussetzungen. Die Rahmenbedingungen dafür müssten sowohl verwaltungstechnisch, als auch politisch gegeben sein. Dafür bedürfe es Anpassungen in der Gesetzgebung (vor allem im Bereich der Öffnungszeiten) und einer deutlichen Verschlankung der bestehenden Vorschriften zur Beschleunigung der Verfahren etwa im Bereich der Sortiments- und Nutzungsrestriktionen und der Schaffung von Baurecht). „Ansonsten wäre eine Wettbewerbsfähigkeit der heutigen Betriebsformen zukünftig nicht gewährleistet“, meint Striebich.

REWE Group: Serviceausbau ist für Einzelhandel entscheidend

Für Stephan Koof, stellvertretender Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Handel und Leiter nationale Expansion REWE / PENNY sowie Daniela Jacobsen, Projektassistenz Leitung nationale Expansion REWE / PENNY, ist insbesondere der Serviceausbau ein bedeutender Aspekt für den Einzelhandel. „Neben Lieferdiensten oder dem Abholservice sind es beispielsweise Selfscanning-Kassen, Paketstationen oder Stromtankstellen, welche vermehrt an ausgewählten Standorten Einzug halten und dem Kunden neben dem regulären Einkauf Zeitersparnisse, einen angenehmeren Einkaufsaufenthalt und zusätzliche Leistungen bieten“, schreiben die Autoren. Für den ländlichen Raum seien ebenfalls spezielle Angebotsstrukturen notwendig, um eine Versorgung langfristig garantieren zu können.

Paetzmann: Grenzen zwischen Off- und Onlineshopping verschwinden

Für Raimund Paetzmann, stellvertretender Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Logistikimmobilien und Vice President von Zalando, verwischen bis zum Jahr 2030 die Grenzen zwischen Off- und Onlineshopping oder werden sich gar ganz auflösen. „Man wird nicht mehr klar definieren können, ob es sich um einen Online- oder einen stationären Kauf handelt“, schreibt Paetzmann. „Dabei werden Erlebnis und Bequemlichkeit im Fokus stehen, denn mit zunehmenden Wohlstand kaufen wir nicht mehr nur ein Produkt, sondern wir kaufen die multisensualen Erlebnisse, die damit verbunden sind.“ So werde nicht nur für die Generation der Digital Natives die sogenannte „instant gratification“ und damit die sofortige Verfügbarkeit und Lieferung entscheidend sein. Dies stelle die Lieferketten zwar vor enorme Herausforderungen, die aber durch Digitalisierung und Sensorik gemeistert würden.









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