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19.06.2019 Keine Spekulation mit Dachaufstockungen für die Wohnungseigentümer

Dachaufstockungen gelten derzeit als ein wichtiges Mittel zur Beseitigung oder zumindest Linderung der Wohnungsknappheit in Ballungszentren. Diese Maßnahme zur Nachverdichtung wird derzeit politisch gefordert. Dafür sollen Bauvorschriften reduziert und Fördermittel bereitgestellt werden. Angesichts der Vielzahl an Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen in Innenstädten und der hohen Immobilienpreise ist diese Maßnahme auch für gewerbliche „Umwandler“ und Bauträger finanziell sehr attraktiv.

Doch eine Dachaufstockung im Nachgang zu einer Umwandlung darf nicht zur Spekulation mit „Aufstockungsrechten“ und nicht zu großen Risiken, Schäden und Kosten für die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) führen, wie ein aktueller Fall einer Münchener WEG exemplarisch zeigt. Der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE) fordert deshalb ein gesetzlich verankertes Vorkaufsrecht, Sicherheiten und Mitspracherechte für die Wohnungseigentümergemeinschaft.

Mit welchen Problemen Wohnungseigentümer zu kämpfen haben, wenn Jahre nach Gründung der WEG noch eine Dachaufstockung durchgeführt werden soll, zeigt exemplarisch der folgende Fall einer Wohnungseigentumsanlage in München-Hadern mit rund 200 Wohneinheiten. Ursprünglich waren es Mietwohnungen einer großen Versicherungsgesellschaft, die 2007 an ein Immobilienunternehmen aus Augsburg verkauft wurden. Dieses teilte die Anlage in Wohnungseigentum auf und veräußerte sie ab 2010, unter anderem an ehemalige Mieter.

In der Teilungserklärung behielt sich die teilende Eigentümerin das Recht vor, „durch Aufstockung und Ausbau der Dachgeschosse der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude und durch Bildung von zusätzlichen neuen Wohnungseinheiten weiteres Wohnungseigentum zu schaffen“. Das Aufstockungsrecht wurde inzwischen mehrfach veräußert – zuletzt an einen Projektentwickler. Dieser plant nun den Bau von 27 Luxus-Penthäusern auf den bestehenden 20 Häusern der Wohnungseigentumsanlage für circa 10.000 bis 12.000 Euro / Quadratmeter.

Im Zuge des Baus der Musterwohnung seit Herbst 2018 sind in der Wohnungseigentumsanlage durch Wassereintritte bereits größere Schäden sowohl am Gemeinschaftseigentum als auch an Sondereigentum entstanden. Die Wohnungseigentümer befürchten nun, dass weitere Schäden mit dem Bau der Dachwohnungen auf sie zukommen und dass sie auf den Kosten „sitzen bleiben“ werden. Für die WEG ist es ein langer, nervenaufreibender und kostenintensiver Weg, die Beseitigung der durch die Dachaufstockung entstandenen und zukünftig noch entstehenden Schäden beim Investor bzw. Ausbauenden durchzusetzen. Wahrscheinlich wird nur der Gang vors Gericht bleiben, verbunden mit dem Risiko eines jahrelangen Gerichtsverfahrens und dem immer bestehenden Risiko einer etwaigen zwischenzeitlichen Insolvenz des Investors.

In der Teilungserklärung und den Kaufverträgen waren Vorabzustimmungen zu Eingriffen in das Gemeinschafts- und Sondereigentum – von den Käufern in ihrer vollen Tragweite nicht erkannt – dem Umwandler erteilt worden, obwohl an der Wirksamkeit solcher Klauseln nach Auffassung von WiE erhebliche Bedenken bestehen. Auch werden durch Klauseln in der Teilungserklärung Mitsprache- und Entschädigungsrechte der WEG, die das Wohnungseigentumsgesetz bei baulichen Veränderungen, wie z.B. Dachaufstockungen, vorsieht, ausgehebelt. Ob und wann entsprechende Klauseln wirksam sind, müssen WEGs erst mühsam und kostenintensiv gerichtlich klären lassen.

Aufgrund solcher Regelungen in Teilungserklärungen und Kaufverträgen kann es möglich sein, dass Rechte der Wohnungseigentümer eingeschränkt und Auswirkungen auf das Gemeinschafts- und Sondereigentum entschädigungslos hingenommen werden müssen. „Nachträgliche Dachaufstockungen, wie sie derzeit nach Umwandlungen immer wieder vorkommen, dürfen auf keinen Fall zu Lasten der WEGs gehen“, erklärt Gabriele Heinrich, Vorstand von Wohnen im Eigentum (WiE). „Deren Eigentum, deren Interessen und deren Rechte müssen gesetzlich besser geschützt werden.“

Erste Forderungen von WiE für mehr Rechte für Wohnungseigentümer und WEGs bei nachträglichen Dachaufstockungen durch Umwandler, Bauträger:

• Gesetzlich verankertes Vorkaufsrecht bei Dachaufstockungen für die WEG, ähnlich dem gesetzlich bestehenden Vorkaufsrecht für Mieter
• Verbot von Klauseln in Teilungserklärungen, die das Mitspracherecht der WEG bei der Planung und Ausgestaltung von baulichen Veränderungen (wie z.B. beim Fensteraustausch) aushebeln
• Anspruch auf eine schnelle gerichtliche Prüfung der Wirksamkeit entsprechender Klauseln in der Teilungserklärung
• Keine Vorabzustimmung zu Aufstockungs- und Ausbaumaßnahmen, es sei denn die Pläne zur Dachaufstockung sind Bestandteil des Kaufvertrags
• Notwendige Voraussetzung für den Beginn der Bauarbeiten muss die vorherige Stellung einer Bürgschaft durch den Investor sein, die alle etwaigen Schäden am Sonder- und Gemeinschaftseigentum absichert.
• Spezielle Fördermittel für Dachaufstockungen durch Wohnungseigentümergemeinschaften

Hinweis von WiE für Wohnungskäufer:

Kaufinteressenten sollten vor dem Kauf einer Eigentumswohnung den Kaufvertrag und die Teilungserklärung auch in Bezug auf einen möglichen Dachausbau bzw. eine mögliche Dachaufstockung prüfen. Ein allgemeiner Vorbehalt des teilenden Eigentümers oder eines Miteigentümers, das Dach auszubauen oder aufzustocken, ohne konkrete Angaben (bei einer größeren Wohnungseigentumsanlage wo, wie und bis wann genau), sollten Wohnungskäufer nicht akzeptieren. Die Kaufunterlagen sollte man von einem Experten auch auf weitere mögliche Fallstricke hin überprüfen lassen. Nähere Informationen zur Vertragsprüfung findet man auf der Website von Wohnen im Eigentum.







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