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05.07.2019 Einzelhandelsinvestments trotz struktureller Umbrüche solide

Der Handel mit deutschen Einzelhandelsimmobilien hat sich im zweiten Quartal 2019 weiter belebt und weist nach Angaben von Colliers International zur Jahresmitte ein Transaktionsvolumen von 4,9 Milliarden Euro auf. Im Ranking der vergangenen zehn Jahre ist es das viertbeste Halbjahresergebnis. Die grundsätzlich solide Entwicklung spiegelt sich auch in dem Plus von 12 Prozent gegenüber dem Zehnjahresdurchschnitt wider. Der Vorjahresvergleich zeigt wegen des eher schwachen ersten Halbjahres 2018 sogar eine Wachstumsrate von 39 Prozent auf. Nach dem Bürosektor mit 49 Prozent bleibt das Einzelhandelssegment mit einem Marktanteil von 20 Prozent klar auf Rang 2 und verweist Industrie- und Logistikimmobilien mit 10 Prozent sowie Hotels und Gewerbegrundstücke mit jeweils sieben Prozent auf die Plätze.

Langwierige Verkaufsprozesse bremsen Transaktionsumsätze aus

Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers International: „Dennoch kann das Segment nicht vollumfänglich an der außerordentlichen Dynamik am Gesamtinvestmentmarkt Deutschlands partizipieren. Dabei sind die makroökonomischen Rahmenbedingungen für den heimischen Handel angesichts einer starken Binnenkonjunktur und hohem Beschäftigungsgrad, sehr niedrigen Verbraucherpreisen und insgesamt gutem Konsumklima, das sich in einer hohen Anschaffungsneigung widerspiegelt, weiter äußerst positiv. Was das potenziell hohe Interesse an Einzelhandelsobjekten derzeit ausbremst, sind die disruptiven Veränderungen im Konsumverhalten und den damit einhergehenden Verunsicherungen bezüglich der Auswirkungen auf die Einzelhandelslandschaft. Dieser vor allem durch die Digitalisierung ausgelöste Wandel veranlasst Investoren zu deutlich intensiveren und damit langwierigeren Ankaufsprüfungen. Gleichzeitig wird - stärker sogar als Assetklassen-übergreifend am deutschen Investmentmarkt zu beobachten - aufgrund der geringeren Produktverfügbarkeit im Core-Segment die Risikoleiter ein Stück weit höher erklommen. Eine stärkere Selektion bei der Produktwahl bedeutet also nicht zwangsweise eine höhere Risikoaversion.“

Höhere Risikobereitschaft im Einzelhandelssegment als am Gesamtmarkt

So belegt eine Auswertung des Transaktionsvolumens nach Risikoklassen, dass im ersten Halbjahr 2019 über die Hälfte des Kapitals, nämlich 54 Prozent, im Core-Plus-Segment investiert wurde, im Core-Bereich dagegen nur 33 Prozent. Im Schnitt aller Immobilienklassen waren es 33 Prozent im Core-Plus-Segment, mit 39 Prozent dominierte das Core-Segment. Der Anteil der Kategorie Value Add/Opportunistic, der auch Projektentwicklungen umfasst, fällt hingegen am Gesamtmarkt mit 27 Prozent versus 14 Prozent bei Einzelhandelsimmobilien doppelt so hoch aus. Unter anderem ist dies auf die deutlich geringere Neubautätigkeit im Retailbereich zurückzuführen, Verkäufe im Bestand beherrschen hier das Marktgeschehen.

Hierfür stehen auch die marktprägenden Deals des laufenden Jahres. Volumenmäßig auf Platz 1 liegt der auch am Gesamtmarkt größte Transfer mit mehr als einer Milliarde Euro. Dabei handelt es sich um die Komplettübernahme aller 57 Kaufhof-Warenhäuser, die die österreichische Immobilien AG Signa bereits im Zuge der Verschmelzung von Karstadt und Kaufhof im Herbst letzten Jahres zu 50 Prozent teils von der kanadischen Hudson’s Bay Company und weiteren Joint-Venture-Partnern beziehungsweise von Galeria Kaufhof AG übernommen hatte. Diese Großtransaktion ließ den Portfolioanteil bei einer Anlagesumme von 2,3 Milliarden Euro Ende Juni auf 47 Prozent ansteigen, ein Wert der deutlich über dem Wert des Gesamtmarktes von 16 Prozent liegt. Die mit 280 Millionen Euro bzw. 265 Millionen Euro zweit- und drittgrößten Deals stammen aus dem zweiten Quartal. Die Königsbau-Passagen in Stuttgart und das Geschäftshaus ZOOM in Berlin sind zugleich die größten Einzeldeals des Beobachtungszeitraums.

Alle genannten Ergebnisse haben auch einen wesentlichen Einfluss auf den hohen Marktanteil der Kategorie „Geschäftshäuser in 1a-Lagen“, die mit 2,5 Milliarden Euro über die Hälfte des Transaktionsvolumens auf sich vereinten. Trotz der Dominanz dieser Einzelhandelsform fanden nur 30 Prozent des gesamten Transaktionsgeschehens der vergangenen sechs Monaten in den sieben großen Investmentzentren statt. Zu der hohen Bedeutung von Standorten außerhalb der TOP 7 trug auch der lebhafte Verkauf von Fachmärkten, Fachmarkt- oder Hybridzentren und Fachmarktportfolien bei, die gemessen an der Zahl der Deals mit 51 Prozent erneut vorne lagen. Bezogen auf das Anlagevolumen von 1,3 Milliarden Euro ergab sich ein Marktanteil von 26 Prozent. Ganz hoch in der Gunst bleiben weiter solche Objekte mit einem Ankermieter aus dem Lebensmittelbereich, egal ob in Form von Discountern, Super-, Verbraucher- oder SB-Märkten.

Einkaufszentren mit erhöhtem Repositionierungsbedarf

Hoenig-Ohnsorg: „Einkaufszentren, auf die wie bei keiner anderen Einzelhandelsform tiefgreifende Veränderungen von gleich zwei Seiten einwirken, sind einem erhöhten Repositionierungsbedarf ausgesetzt. Neben den Strukturverschiebungen innerhalb des Einzelhandels, die starke Anpassungen beim Branchen- und Mietermix, aber auch bei der Flexibilisierung von Mietvertragskonditionen wie Umsatzbeteiligung und Vertragsdauer erfordern, ist die Gewichtung des Retailanteils im Vergleich zu anderen Nutzungsarten neu zu überdenken. Markterhebungen zufolge stehen einem Großteil der deutschlandweiten Shopping Center entsprechende Umstrukturierungen noch bevor. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die momentane Zurückhaltung der Investoren bei dem Betriebstyp, der zwischen Januar und Juni ein Transaktionsvolumen von 1,1 Milliarden Euro und einen Marktanteil von 22 Prozent erzielte.

Anteil ausländischer Investoren weiter hoch

Nicht zuletzt wegen des marktprägenden Kaufhof-Deals ist der Anteil internationaler Investoren mit 56 Prozent sehr hoch. Insgesamt flossen 2,7 Millionen Euro aus dem Ausland in deutsche Retailobjekte. Dabei liegt Österreich mit 31 Prozent Marktanteil weit vor Großbritannien mit rund sieben Prozent und Italien, dessen Engagement allein auf den Erwerb der Königsbau-Passagen zurückzuführen ist und es auf sechs Prozent Marktanteil bringt.

Die Warenhaus-Übernahme wirkt sich auch insgesamt stark auf das Investorenprofil des zurückliegenden Halbjahres aus. So führen Immobilien AGs mit 1,7 Milliarden Euro bzw. 34 Marktanteil die Liste der Käuferbranchen an. Dahinter folgen weiter die von hohem Anlagedruck geprägten offenen Immobilien- und Spezialfonds mit knapp 1,0 Milliarden Euro bzw. 20 Prozent. Vermögensverwalter liegen mit rund 444 Millionen Euro bzw. neun Prozent auf Platz 3. Die Liste der Verkäuferbranchen werden mit 1,8 Milliarden Euro und 36 Prozent Marktanteil von Opportunity und Private Equity Fonds angeführt. Mit großem Abstand folgen Projektentwickler auf Platz 2 mit rund 591 Millionen Euro bzw. 12 Prozent Marktanteil sowie Asset- und Fondsmanager mit 486 Millionen Euro bzw. 10 Prozent.

Rückläufige Mieten von Investoren zunehmend eingepreist

Bei den Spitzenrenditen ist die Kompressionsphase – im Gegensatz zum Büro- und Logistikmarkt – weitestgehend abgeschlossen. Nach Jahren steigender Spitzenmieten vor allem in Geschäftshäusern der 1a-Lagen in den sieben Investmentzentren ist das Mietsteigerungspotenzial hier weitestgehend ausgereizt. Investoren gehen auch unter dem Einfluss der strukturellen Veränderungen im Einzelhandel von rückläufigen Mieten aus, die schon bald standortübergreifend zu steigenden Renditen führen könnten.

Vorreiter ist Stuttgart, das sich zusätzlich mit einer starken Ausweitung der innerstädtischen Einzelhandelsflächen konfrontiert sieht. In der Schwabenmetropole ist im zweiten Quartal die Brutto-Anfangsrendite im Highstreet-Bereich erstmals seit geraumer Zeit wieder gestiegen. Nach langer Kompressionsphase verharrte sie seit Herbst 2017 bei 3,10 Prozent, aktuell liegt sie bei 3,30 Prozent. In den übrigen TOP 7 bleiben die entsprechenden Renditen vorerst stabil und liegen in der engen Spanne von 2,75 Prozent in München bis 3,30 Prozent in Köln.

Stark frequentierte, gut positionierte Einkaufszentren rentieren zwischen 4,50 Prozent und 4,70 Prozent. Allerdings wurden abseits der Top-Lagen und in weniger prosperierenden B- und C-Städten ebenfalls schon Renditesteigerungen beobachtet, die dazu führten, dass erfolgreiche Fachmarktzentren mit Lebensmittelschwerpunkt mit Kaufpreisen mit mehr als dem 20fachen bisweilen teurer sind.

Ausblick: Zahlreiche Portfolien und Großdeals in Vorbereitung
Matthias Leube, CEO bei Colliers International Deutschland: „Das Metro-Real-Portfolio oder das Fachmarktportfolio Salt & Pepper sind nur einige marktbekannte Beispiele, die in der zweiten Jahreshälfte für lebhafte Marktaktivität sorgen. Davon zeugen auch Dealmeldungen, wie die zum Verkauf eines elf Objekte umfassenden Fachmarktportfolios von Brack Capital an Redos für 141 Millionen Euro, die bereits dem dritten Quartal zuzuordnen ist. Der Trend, dass sich die Verkaufsphase bis zum Signing des Deals deutlich länger hinzieht und das verfügbare Produkt zunehmend komplizierter wird, kann das Gesamtjahresergebnis allerdings beeinflussen.“ Hoenig-Ohnsorg ergänzt: „Bleibt die momentane Marktverfassung allerdings auf Kurs und der solide Marktanteil um die 20 Prozent bestehen, könnten Ende Dezember 2019 Einzelhandelsobjekte für 10 bis 12 Milliarden Euro verkauft worden sein.“






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