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05.07.2019 Deutscher Wohninvestmentmarkt - quo vadis?

Der Rückgang des Transaktionsvolumens auf dem deutschen Wohninvestmentmarkt zum Halbjahr 2019 ist noch nicht auf die politische Großwetterlage zurückzuführen, sondern insbesondere auf das fehlende Angebot. Mit 8,1 Mrd. Euro wurden zur Jahresmitte 2019 nur noch drei Viertel des Vorjahreszeitraums erreicht. Auch der Vergleich mit dem Fünfjahresschnitt fällt negativ aus (- 12%). Zwar konnte mit dem Wiederverkauf des BGP Portfolios mit 16.800 Wohnungen für rund 2 Mrd. Euro an die ZBI/Union Investment erstmals seit der Buwog-Übernahme durch die Vonovia wieder ein Megaabschluss registriert werden, insgesamt hat aber die Zahl der Transaktionen um mehr als 17 Prozent abgenommen. Kleinere und mittelgroße Deals dominieren den Markt. Fast 40 Prozent aller Transaktionen finden in einer Größenordnung zwischen 20 und 100 Mio. Euro statt.

„Die Stimmung auf dem deutschen Wohninvestmentmarkt ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Bereits seit einiger Zeit sehen sich Wohninvestoren und Bestandshalter mit einer politischen Einflussnahme konfrontiert, die weit über eine sinnvolle Regulierung der Mietwohnungsmärkte hinausgeht“, so Dr. Konstantin Kortmann, Head of Residential Investment JLL Germany. Kortmann weiter: „Nachdem bereits in den letzten Jahren in vielen deutschen Kommunen die Mietpreisbremse mit Deckelung einer möglichen Mietpreissteigerung zwischen 10 und 15 Prozent eingeführt worden war, wird derzeit in Berlin mit einem Mietendeckel experimentiert.“

Ab Januar 2020 sollen rückwirkend zum Juni 2019 Wohnungsmieten für fünf Jahre festgesetzt werden. „Unabhängig von möglichen und noch nicht detailliert definierten Ausnahmeregelungen bei Unterdeckungen und der rechtlichen Wirksamkeit eines solchen Gesetzes macht die politische Botschaft Wohninvestoren nicht nur in Berlin hellhörig. Statt den Wohnungsbau und die infrastrukturelle Erschließung der vor allem betroffenen Großstädte mit dem engeren und weiteren Umland baulich, rechtlich und steuerlich zu fördern, wird die Verbotskeule herausgeholt“, so Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Und Kortmann ergänzt: „Die langfristigen Auswirkungen einer Mietpreisdeckelung können in Ländern wie Portugal, Großbritannien und Frankreich beobachtet werden. Dort existieren mitnichten funktionierende Mietwohnungsmärkte, Preise für Eigentumswohnungen sind auch infolge dieser Politik in den vergangenen Jahrzehnten explodiert. Quo vadis also mit dem Wohninvestmentmarkt in deutschen Landen?“

Die Zahl der in Deutschland beheimateten Investoren hat mit über 90 Prozent des investierten Kapitals einen neuen Höchststand erreicht. Auch wenn bei vielen Investorenklassen, wie Spezialfonds oder Wohn-AGs, auch internationale Investoren beteiligt sind, so scheint bei ausländischen Investoren Deutschland derzeit nicht mehr die höchste Priorität als Zielinvestitionsland zu genießen. Investitionsvehikel aus Luxemburg stellen mit etwa 350 Mio. Euro aktuell die stärkste ausländische Investorengruppe dar, gefolgt von israelischen und US-amerikanischen Investoren (160 bzw. 90 Mio. Euro). „In unseren Gesprächen wird deutlich, dass ausländische Investoren auf zwei Dinge reflektieren. Zum einen auf die politische Diskussion um weitere Verschärfung der Regulierung, zum anderen auf den Angebotsmangel in den Großstädten. Letzterer schlägt sich in zwar steigenden, aber im internationalen Vergleich immer noch niedrigen absoluten Preisen nieder“, so Kortmann.

Durch den BGP Abschluss sind die offenen Publikumsfonds erstmals seit vielen Jahren wieder an die Spitze der Nettoinvestoren gerückt: netto mehr als 2 Mrd. Euro haben sie in Wohnimmobilien investiert. Spezialfonds, u.a. gefüttert mit Geldern von Pensionskassen, kommen mit einer Nettoinvestitionssumme von 1,2 Mrd. Euro auf Platz zwei, gefolgt von den kommunalen, gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften mit über 750 Mio. Euro in netto aufgebautem Wohnimmobilienvermögen. Damit sind die Immobilien AGs erstmals seit vielen Jahren nicht mehr unter den Top 3 Nettoinvestoren vertreten. „Sie haben nicht nur zunehmend Probleme, in Deutschland die passenden Objekte und Portfolios zu vertretbaren Preisen zu erwerben, sondern es weht ihnen auch ein starker gesellschaftspolitisch motivierter Gegenwind in Form von Vorkaufsrechten, Enteignungsinitiativen oder politischem Regulierungsdruck entgegen“, kommentiert Konstantin Kortmann. Es sei noch nicht absehbar, inwieweit sich diese Strömungen auf die Transaktionsaktivitäten der großen Wohnimmobilien AGs auswirken werden.

Trotz aller politischen Diskussionen: Berlin bleibt der einzige Milliardenmarkt, wenn auch mit einem Rückgang von fast 15 %. 1,5 Mrd. Euro wurden in Berliner Wohnungen investiert. Mit deutlichem Abstand folgen Frankfurt mit einem leichten Plus von 5% (auf 700 Mio. Euro) und Hamburg, das mehr als ein Viertel eingebüßt hat (550 Mio. Euro).

Der Rückgang der Preise für Bestandsobjekte auf etwa 1.850 Euro/m² (-15 % gegenüber Q1 2019) bzw. bei Projektentwicklungen auf 4.150 Euro/m² (-2 % gegenüber Q1 2019) ist zunächst nur ein akuter Befund und insbesondere bei den Bestandsobjekten verursacht durch den Handel von qualitativ schlechteren Objekten in Nebenlagen - ein Phänomen der steigenden Preise im Verkauf, wie auch der Baukosten. „Der Wirtschaftlichkeitsgedanke erlaubt Projektentwicklern ein Umdenken - aktuell ziehen viele Entwickler in Erwägung, Projekte bereits vor Fertigstellung oder auch nur Grundstücke im Entwicklungsstadium zu verkaufen, nicht zuletzt gepuscht vor allem bei kleineren Marktteilnehmern durch den Fakt, dass Herstellungskapazitäten erschöpft sind und daher ein frühzeitiger Exit gesucht wird“, so Helge Scheunemann.

Und Kortmann ergänzt: „Andere Entwickler wollen ihr Vertriebsrisiko senken und sich den Liquiditätszufluss bereits vorab sichern, solange die Nachfrage nach Wohnbaugrundstücken anhält. Zuletzt greifen auch hier politische Maßnahmen, wie beispielsweise die Verortung von gefördertem Wohnungsbau auf dem Grundstück.“ Beides erschwere eine Lösungsfindung und Baureife und damit das Erstellen von neuem Wohnraum. Die Käufer hingegen würden die Chance sehen, sich Grundstücke oder Projekte zu sichern, ohne das mittlerweile hohe Planungsrisiko für Neubauentwicklungen eingehen zu müssen.

Kortmann abschließend: „Der Ausblick für die kommenden sechs Monate wird maßgeblich durch die politischen Akteure bestimmt. Wir erwarten, dass die derzeit vor allem in der Landespolitik in Berlin stattfindende Verschärfung der Debatte auch Auswirkungen auf das Transaktionsgeschehen in Deutschland insgesamt haben wird. Investoren werden die Entwicklungen sehr genau beobachten und insbesondere ein weiteres Engagement in Berlin überdenken. Nicht zuletzt aufgrund des nach wie vor vorhandenen Nachfrageüberhangs bei Mietern und Investoren gehen wir davon aus, dass 2019 ein Transaktionsvolumen von 16,5 Mrd. Euro nicht überschritten wird. Das wäre gegenüber dem Fünfjahresschnitt ein leichter Rückgang von fünf Prozent.“






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