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10.10.2019 Regulierungswahnsinn hat Konjunktur und Nebenwirkungen

Mit dem Referentenentwurf zum Mietendeckel hat die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die restriktive Wohnungspolitik der letzten Jahre auf die Spitze getrieben und der Debatte um Wohnraumknappheit ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Der Entwurf polarisiert, ein vernünftiges Ende der Diskussion ist in weite Ferne gerückt, der Regulierungswahnsinn hat Konjunktur und Nebenwirkungen.

Unter Experten ist auf jeden Fall unstrittig, dass ein derartiger Eingriff in die Preisbildung das Problem der Wohnraumknappheit nicht lösen wird, sondern vielmehr verschärft. Zum einen wird die Wohnungsnachfrage über Zuwanderung und Ausweitung des Wohnflächenkonsums durch das künstlich niedrig gehaltene Mietniveau zusätzlich stimuliert und zum anderen führt die aktuelle Diskussion in Kombination mit den bürokratischen Hindernissen, knapper werdenden Flächenpotentialen sowie der Personalknappheit in der Baubranche dazu, dass sich die rechtliche und regulatorische Unsicherheit am Wohnungsmarkt nachhaltig erhöht und Investitionsanreize am Mietwohnungsmarkt hemmt. Und damit hat der wohnungspolitische Kurs schon jetzt, unabhängig davon, ob der geplante Mietendeckel in Berlin rechtskräftig umgesetzt werden kann, langfristig negative Auswirkungen auf den Immobilienmarkt.

Diese Tendenz spiegelt sich deutlich im Stimmungsbild der Unternehmen wider, die in der JLL-Erhebung zum Berliner Mietendeckel befragt wurden. An der Umfrage, die von Mitte bis Ende September 2019 durchgeführt wurde und durch eine hohe Durchmischung bei den Geschäftsfeldern der teilnehmender Marktakteure gekennzeichnet ist[1], haben insgesamt 100 Unternehmen der Immobilienwirtschaft teilgenommen. Rund 75 Prozent dieser Teilnehmer gaben dabei an, in ihrem primären Geschäftsfeld auch am Berliner Wohnungsmarkt tätig zu sein.

Hohe Verunsicherung durch den wohnungspolitischen Kurs in Berlin
Das Ausmaß der Unsicherheit in der Immobilienwirtschaft ist alarmierend hoch – und das unabhängig von den Geschäftsfeldern, auf denen die Unternehmen tätig sind. Mehr als 90 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass ihre Verunsicherung durch den wohnungspolitischen Kurs in Berlin „hoch“ (42%) bis „sehr hoch“ (49%) sei. Neben der rechtlichen Unsicherheit ist es auch die Qualität der politischen Kommunikation, die zu einer hohen Verunsicherung führt. Rund 53 Prozent der teilnehmenden Unternehmen gaben hierzu an, dass sie sich von der Politik über die geplanten Schritte „schlecht“ oder sogar „sehr schlecht“ (33%) informiert fühlen.

Mietendeckel im Widerspruch zum wohnungspolitischen Ziel

Dementsprechend drastisch fallen auch die Reaktionen der befragten Wohnungsunternehmen auf die Einführung eines Mietendeckels aus. Neben einer Verlagerung der Investitionstätigkeiten in andere Städte (15%), dem Stopp geplanter Ankäufe von Bestandswohnungen (12%) ist auch mit einem Stopp von Modernisierungen und Sanierungen (14%) zu rechnen. Damit zeigt sich, dass es vor allem im Bereich des Mietwohnungsmarktes zu weniger Neubau, vermehrten Umwandlungen zu Eigentumswohnungen und einer Vernachlässigung des Wohnungsbestandes kommen wird. In der Konsequenz steht der Mietendeckel nicht nur im Widerspruch zum wohnungspolitischen Ziel, mehr Wohnraum zu schaffen, sondern führt unweigerlich zu einer Verschärfung der Wohnraumknappheit. Dabei bilanziert Berlin, das zwischen 2014 und 2018 mit insgesamt knapp 5 Prozent neben Leipzig das höchste Bevölkerungswachstum unter den Großstädten in Deutschland aufweisen konnte, bereits seit Jahren einen erheblichen Nachfrageüberhang. Schätzungen des gegenwärtigen Defizits im Wohnungsneubau liegen aktuell bei über 100.000 neuen Wohnungen und das trotz eines hohen Bauüberhangs. Damit wird es in Zukunft gerade für die Mieterinnen und Mieter, die man mit dem Gesetzentwurf schützen wollte, noch schwieriger werden, ihren Verhältnissen adäquate Mietwohnungen zu finden.?

Nachhaltiger Schaden für den Standort Deutschland

Aber nicht nur die tatsächliche Umsetzung des Entwurfs zum Mietendeckel hätte massive Auswirkungen auf das Investitionsklima. Vielmehr zeigt die Befragung der Unternehmen, die am deutschen Wohnungsmarkt aktiv sind, dass sich der wohnungspolitische Kurs in Deutschland bereits jetzt auf die langfristigen Geschäftsstrategien der befragten Unternehmen auswirkt – so beabsichtigen rund 28 Prozent der Unternehmen geplante Investitionen zu stoppen und/oder in andere Märkte und Teilmärkte auszuweichen (36%). „Allerdings ist in Zukunft nicht nur der Neubau von Relevanz, sondern vielmehr eine hohe Bautätigkeit im Allgemeinen. Zum einen wird mit den demographischen Veränderungen, wie einer zunehmenden Singularisierung, auch der Ersatzbedarf am Wohnungsmarkt weiter steigen. Und zum anderen ist zur Erreichung der Klimaziele der Bedarf an energetischen Sanierungen anhaltend hoch, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Großteil des Wohnungsbestandes aus den 1960er-70er Jahren stammt und damit ohnehin schon einen hohen Sanierungsbedarf aufweist. Zu der bereits schrittweise abgesenkten Modernisierungsumlage würde ein Mietendeckel die Investitionsanreize zusätzlich reduzieren“, so Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.

Welche Eingriffsmöglichkeiten stehen alternativ zur Verfügung?

Bei den wohnungspolitischen Alternativen, der aktuellen Wohnraumknappheit und den Miet- und Kaufpreissteigerungen zu begegnen und damit der sozialen Verantwortung des Staates gerecht zu werden, sehen die befragten Unternehmen eine Mischung aus verschiedenen Instrumenten als geeignet an: Neben Nachverdichtung, etwa durch den Ausbau von Dachgeschossen (14%), einer Erhöhung der Subjektförderung (9%) oder einer Förderung der Wohnungen im sozialen Wohnungsneubau (10%), wird der Intensivierung der Neubautätigkeit die höchste Bedeutung beigemessen (> 50%), während restriktive wirtschaftspolitische Maßnahmen, wie Mietendeckel, oder -bremse u.ä. mit großer Mehrheit abgelehnt werden. „Um in den kommenden Jahren in den Ballungszentren deutlich mehr Wohnraum zu schaffen, erfordert die gegenwärtige Situation ein langfristig angelegtes wohnungspolitisches Handeln, das alle Akteure am Markt gleichermaßen einbindet und sich nicht nur auf einseitige Lösungskonzepte konzentriert. Insbesondere ist man auf dem deutschen Wohnungsmarkt - der historisch und politisch gewollt, durch einen großen privaten Mietsektor gekennzeichnet ist - auf den frei finanzierten Mietwohnungsbau angewiesen“, so Roman Heidrich, Senior Team Leader Residential Valuation & Transaction Advisory JLL Berlin. Heidrich weiter: „Um den Neubau weiter voranzutreiben ist daher vor allem eine ordnungspolitisch langfristige Strategie auf Seiten der kommunalen Stadtentwicklung von Nöten, der weitere kurz- und mittelfristige Maßnahmen untergeordnet werden können.“

Unter den Maßnahmen, die Neubautätigkeit zu intensivieren, favorisieren die befragten Unternehmen den Ausbau der Infrastruktur und eine stärkere Vernetzung mit dem Umland (14%), ebenso eine Verschlankung der Baunormen, sowie der Baugesetze und -prozesse (17%).

Gute Gründe für Investitionen in den Berliner Wohnimmobilienmarkt

Und trotz der deutlichen Verunsicherung am Markt sehen auch die befragten Unternehmen weiterhin fundamentale Gegeneffekte, die Investitionen in den Berliner Wohnimmobilienmarkt rechtfertigen. Dazu gehören neben einem vermehrten Fokus auf den Markt für Eigentumswohnungen (15%) die bereits genannte geringe Neubautätigkeit der letzten Jahre (28%), sowie die Einschätzung, dass die Wohnungsnachfrage auch in Zukunft weiter zunehmen dürfte (27%). Roman Heidrich abschließend: „Berlin gilt nicht nur aufgrund der Internationalität der Stadt, sondern auch wegen des sich sehr dynamisch entwickelnden Arbeitsmarktes als besonders attraktiv und hat sich im europäischen Vergleich auch aufgrund der vergleichsweise günstigen Lebenshaltungskosten rasant entwickelt. Dieser wachsenden Nachfrage nach Wohnraum steht aktuell schlicht zu wenig Wohnraum gegenüber – das bietet, vor allem für langfristig orientierte Investoren aller Diskussionen zum Trotz weiterhin große Chancen. Es gibt fraglos nach wie vor gute Gründe für Investitionen in den Berliner Wohnimmobilienmarkt.“


[1] „Projektentwickler/bauausführende Unternehmen“ (32%), „langfristigen Bestandshalter (privat)“ (30%) und Unternehmen aus dem Feld „Finanzierung/Bankwesen“ (12%) sind die Marktakteure mit den höchsten Anteilen bei der Umfrage. Zur Teilnahme an der Umfrage wurden insgesamt knapp 300 Unternehmen direkt angeschrieben. Insgesamt haben 100 Unternehmen an der Umfrage teilgenommen.







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