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12.12.2019 Nicht alle Mieter sind schützenswert

Mieter sind gut, Vermieter sind böse. Die öffentliche Diskussion zum Berliner Wohnungsmarkt verläuft häufig einseitig und lässt sich auf diese einfache Formel bringen. Achim Amann ist Geschäftsführer von Black Label Immobilien. Die Firma ist nicht nur ein Maklerbüro, sondern übernimmt auch die Verwaltung von Wohnungen für Kunden. Er wehrt sich gegen die einseitige Wahrnehmung der Mieter in der Öffentlichkeit, denn er hat schon extrem gierige und dreiste Exemplare erlebt. Wir haben mit ihm über das Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern und die Rolle der Politik gesprochen.

Die taz schreibt in einem Artikel über die aktuelle Entwicklung des Berliner Wohnungsmarkts: „Immobilien wurden zur Ware und der einsetzende Mangel entzweit die BewohnerInnen gefühlt in Mieter und Verbrecher.“ Was ist dran an diesem Gefühl?
Diese Wahrnehmung ist zu einseitig. Vermieter sind nicht automatisch Verbrecher und auch nicht alle Mieter sind Unschuldslämmer. Da gibt es schwarze Schafe auf beiden Seiten. Ich muss in der letzten Zeit häufig an Marx denken, der prognostizierte, dass die Ungleichheit in der Bevölkerung wachsen wird. Und vom Mieter zum Eigentümer zu werden, ist nicht gerade einfacher geworden. Wer nicht erbt, hat es schwer. Das empfinde ich als zutiefst ungerecht. Hier ist die Politik gefordert, damit die Schere nicht noch weiter auseinander geht.

Du zitierst Marx, aber bist selbst in der Wahrnehmung mancher Leute ein Immobilienhai. Wie passt das zusammen?

Über Immobilienleute gibt es viele Vorurteile. Eines der beliebtesten Klischees ist das des geldgierigen Kapitalisten. Festgemacht wird dieses Vorurteil an Spekulanten, die Mietshäuser aufkaufen, aufteilen und die einzelnen Wohnungen anschließend teuer verkaufen. Viele Hausbesitzer wollen jedoch eine langfristige und gute Mietbeziehung. Das ist auch im Sinne der Mieter.

Auch unter Mietern gibt es schwarze Schafe. Wie tragen Mieter zur Verschärfung der Zustände auf dem Wohnungsmarkt bei?

Mieter sind in Deutschland per Gesetz sehr gut geschützt. Das ist auch richtig so, führt aber in manchen Fällen dazu, dass die Rechte ausgenutzt werden, z.B. durch eine Untervermietung der eigenen Wohnung zu einem völlig überhöhten Preis an Touristen oder WG-Mitbewohner. Wenn alle Hauptmieter von WGs in Berlin die Zimmer zu fairen Preisen an ihre Mitbewohner untervermieten würden, hätten wir in diesem Segment ganz andere Preise. Wenn zusätzlich Wohnungen, die für Airbnb genutzt werden, wieder den Berlinern zur Verfügung stünden, würde das den Markt erheblich entspannen.

Hast Du eine solche Missnutzung bei von Euch verwalteten Immobilien schon erlebt?

Na klar, jeder Vermieter in Berlin, der mehr als eine Handvoll Wohnungen verwaltet, wird solche Fälle kennen. Wir hatten zum Beispiel mal eine Künstlerin, die längst dauerhaft in den USA wohnte und für ihre 100 qm große Wohnung am Görli einen Mietpreis von 4,50 € kalt pro qm bezahlte. Sie vermiete die Wohnung unter und verdiente über Jahre damit etwa 50.000 € im Jahr. Um sie zum Ausziehen zu bewegen, musste der Eigentümer ihr dann noch eine Abfindung in Höhe von 65.000 € zahlen.

Diese überteuerten Untervermietungen sind ja ein relativ neues Problem für Vermieter, ein anderes, schon länger bekanntes, sind Mietnomaden.

Oh ja, Mietnomaden sind für Vermieter ein Albtraum. Diese Leute ziehen mit der festen Absicht in eine Wohnung, keine Miete zu zahlen. Meistens verlassen sie die Wohnungen fluchtartig und in einem katastrophalen Zustand. Verantwortungsgefühl ist solchen Leuten fremd. Häufig verscherbeln sie auch noch Inventar wie historische Türen und Klinken, manchmal sogar die Einbauküche. Nach erfolgreicher Kündigung ziehen sie in eine andere Wohnung und das Spiel beginnt von vorne. Ein Problem für den Vermieter ist dabei, dass es viel zu lange dauert, solche Leute auf dem Rechtsweg aus der Wohnung rauszukriegen.

Das hört sich an, als würdest Du nach neuen Gesetzen verlangen. Kann oder muss die Politik etwas tun?

Ja, sicher, aber nicht durch Mietendeckel! Der ist doch reine Wahlkampftaktik. Dadurch kommt keine einzige neue und bezahlbare Wohnung auf den Markt. Diejenigen, die in großen Wohnungen leben, obwohl sie die mitunter gar nicht brauchen, bleiben einfach drin. Freie Wohnungen werden vornehmlich an gutverdienende Singles oder Pärchen vermietet. Idealerweise an Menschen, bei denen von vornherein klar ist, dass sie nicht lange bleiben. Familien, die dringend eine Wohnung benötigen, gehen leer aus.

Dieses Dilemma lässt sich aber mit Gesetzen nicht lösen. Was könnte aus politischer Sicht getan werden?

Genau. Aber es gibt eine Lösung. Und die lautet: Neuen Wohnraum schaffen. Es muss dringend mehr gebaut werden – auch Sozialwohnungen. Wer bauen will, stößt jedoch meist auf Widerstand beim Bauamt. Es dauert oft Jahre, eine Baugenehmigung zu bekommen. Diese Verzögerungen spiegeln sich später beim Verkauf und beim Vermieten wider. Außerdem sollten Mieter die Chance haben, ihre Mietwohnung zu kaufen. Aber wer eine Wohnung kaufen will, der braucht Eigenkapital, um überhaupt einen Kredit zu bekommen. Doch wer hat schon einen hohen fünf- bis sechsstelligen Betrag gespart, um überhaupt eine Immobilie finanziert zu bekommen? Hier beißt sich die Katze in den Schwanz, wenn die Politik keine Lösungen z. B. durch die Förderung von Mikrokrediten anbietet.

Benötigt der Berliner Wohnungsmarkt überhaupt Makler? Immobilien verkaufen sich in Berlin doch von alleine.

Gegenfrage: Warum benötigt man Zeitungen, wenn es doch schon Twitter gibt? Als Makler schließen wir ja nicht nur die Tür einer Wohnung auf, sondern leisten eine Menge Vorarbeit, bevor es überhaupt zu einer Besichtigung kommt. Kaum ein Markt ist so chaotisch und schwer zu durchschauen wie der Immobilienmarkt. Makler finden erstmal die richtigen Wohnungen und beraten in allen Immobilienfragen. Zudem kooperieren wir mit Juristen, die bei vertraglichen Aspekten und rechtlichen Problemen weiterhelfen. Natürlich kann man das auch alles selbst erledigen, aber meistens ist es sinnvoll, sich mit einem Experten auszutauschen.

Wie könnte ein faires Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter aussehen?

Auf jeden Fall müssen sie zusammenarbeiten. Wohnen muss schließlich jeder. Die zentrale Frage ist, wie und wo. Mieter sollten sich auch mal die Frage stellen, was Wohnen kostet und was Instandhaltung bedeutet. Hier gibt es viele falsche Vorstellungen. Zudem wünsche ich mir mehr Transparenz, offene Zahlen und Fakten für den Wohnungsmarkt, auf die alle zugreifen können.







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