02.03.2020 Ein Singapur vor Europas Haustür: Warum eigentlich nicht?
In den anstehenden Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich strebt die Europäische Union einen möglichst ungehinderten Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen beiden Regionen an, macht dafür aber die Einhaltung „europäischer Standards“ zur Bedingung. Nun sind jedoch die Briten gerade auch deshalb aus der EU ausgetreten, weil sie wichtige Rahmenbedingungen wie etwa für den Arbeitsmarkt, das Steuersystem oder den Umweltschutz zukünftig selbst gestalten wollen. Großbritannien verspricht sich von mehr wirtschaftlicher Freiheit Wettbewerbsvorteile gegenüber den Ländern der EU. In Brüssel fürchtet man deshalb bereits ein „Singapur vor der eigenen Haustür“, als Symbol für ein Land, das mit Deregulierung und Steueranreizen den Wettbewerb der Standorte um Investitionen und Arbeitsplätze unterläuft. Doch wie berechtigt ist diese Sorge überhaupt? Singapur gilt seit Jahrzehnten als ein höchst erfolgreicher Stadtstaat in Südostasien. Der politischen Führung ist die Transformation von einem relativ rückständigen Entwicklungsland zu einer Industriewirtschaft und schließlich zur wissensbasierten Ökonomie gelungen. Auf dieser Basis erzielte Singapur hohe Wachstumsraten und konnte damit den Wohlstand seiner Bewohner massiv steigern. Die umliegenden Länder – also vor allem Malaysia, Thailand und Indonesien – haben sich derweil ebenfalls wirtschaftlich erfolgreich entwickelt.
Schreckgespenst Dumping
Sollte man in London tatsächlich eine im Vergleich zur EU geringere Regulierung der Arbeitsmärkte oder niedrige Unternehmenssteuern anstreben, bedeutet das im demokratisch verfassten Großbritannien noch längst nicht, dass demnächst Heerscharen von Lohnsklaven unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften müssen und der Umweltschutz keine Rolle mehr spielt. Entscheidet sich ein Land für sehr niedrige Unternehmenssteuern, muss es mindestens langfristig auch die Finanzierung staatlicher Leistungen, des Bildungswesens und der Infrastruktur im Blick haben, weil sonst nicht nur der Wirtschaftsstandort Schaden erleiden könnte, sondern auch die Akzeptanz für diese Politik in der Bevölkerung schnell schwinden würde.
Wettbewerb zwischen Staaten grundsätzlich positiv
Wenn es Großbritannien gelingen sollte, ein eigenes, erfolgreiches Wirtschaftsmodell zu installieren, würde das den Wettbewerbsdruck auf die Mitgliedsländer der EU erhöhen und gegebenenfalls Anpassungen notwendig machen. Wettbewerb ist anstrengend, doch zugleich verhindert er, dass Länder sich auf dem einmal Erreichten ausruhen. Für die EU, die in der Vergangenheit mit der vollmundig verkündeten Absicht, zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu werden, grandios scheiterte, könnten von außen kommende Anreize, zumal direkt vor der eigenen Haustür, in dieser Hinsicht durchaus hilfreich sein. Schließlich steht die EU nicht hauptsächlich mit Großbritannien im Wettbewerb, sondern mit den USA und den aufstrebenden Ländern Asiens, darunter auch Singapur, und diese Länder werden sich mit Sicherheit nicht europäische Arbeitsschutzvorschriften und Umweltstandards aufzwingen lassen. Die EU sollte in ihrer Verhandlungsposition gegenüber Großbritannien mit ihrer Forderung nach Einhaltung spezifischer Standards im Arbeitsrecht oder im Umweltschutz nicht einem Protektionismus Vorschub leisten, der letztlich auch die Wettbewerbsposition der EU selbst beschädigen würde.
(Autor: Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe)
Schreckgespenst Dumping
Sollte man in London tatsächlich eine im Vergleich zur EU geringere Regulierung der Arbeitsmärkte oder niedrige Unternehmenssteuern anstreben, bedeutet das im demokratisch verfassten Großbritannien noch längst nicht, dass demnächst Heerscharen von Lohnsklaven unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften müssen und der Umweltschutz keine Rolle mehr spielt. Entscheidet sich ein Land für sehr niedrige Unternehmenssteuern, muss es mindestens langfristig auch die Finanzierung staatlicher Leistungen, des Bildungswesens und der Infrastruktur im Blick haben, weil sonst nicht nur der Wirtschaftsstandort Schaden erleiden könnte, sondern auch die Akzeptanz für diese Politik in der Bevölkerung schnell schwinden würde.
Wettbewerb zwischen Staaten grundsätzlich positiv
Wenn es Großbritannien gelingen sollte, ein eigenes, erfolgreiches Wirtschaftsmodell zu installieren, würde das den Wettbewerbsdruck auf die Mitgliedsländer der EU erhöhen und gegebenenfalls Anpassungen notwendig machen. Wettbewerb ist anstrengend, doch zugleich verhindert er, dass Länder sich auf dem einmal Erreichten ausruhen. Für die EU, die in der Vergangenheit mit der vollmundig verkündeten Absicht, zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu werden, grandios scheiterte, könnten von außen kommende Anreize, zumal direkt vor der eigenen Haustür, in dieser Hinsicht durchaus hilfreich sein. Schließlich steht die EU nicht hauptsächlich mit Großbritannien im Wettbewerb, sondern mit den USA und den aufstrebenden Ländern Asiens, darunter auch Singapur, und diese Länder werden sich mit Sicherheit nicht europäische Arbeitsschutzvorschriften und Umweltstandards aufzwingen lassen. Die EU sollte in ihrer Verhandlungsposition gegenüber Großbritannien mit ihrer Forderung nach Einhaltung spezifischer Standards im Arbeitsrecht oder im Umweltschutz nicht einem Protektionismus Vorschub leisten, der letztlich auch die Wettbewerbsposition der EU selbst beschädigen würde.
(Autor: Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe)