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11.03.2020 Central Urban District Frankfurt: Zentral + Heterogen = Urban?

Bildrechte: Savills
Zwölf Neubauprojekte, die Hälfte davon mit einer Bauhöhe von rund 100 Metern oder mehr, über 120.000 m² Bürofläche, etwa 1.700 Wohnungen und an die 1.000 Hotelzimmer: Auf dem Areal zwischen Galluswarte, Frankfurter Hauptbahnhof, Europaviertel und Platz der Republik passiert städtebaulich sehr viel. Insgesamt wird hier bis 2024 ein Flächenfertigstellungsvolumen von etwa 370.000 m² erzielt. Dass diese Entwicklung sich nicht nur auf den Immobilienmarkt, sondern auch grundsätzlich auf die Silhouette der Mainmetropole auswirkt, veranlasste nun fünf Marktakteure dazu, die Dynamik zu diskutieren und zu bewerten. Mit CA Immo, Deka Immobilien, Groß & Partner, Immobel und Savills saßen sowohl Projektentwickler, Investoren als auch Berater an einem Tisch. Die zentralen Fragen: Wie genau wandelt sich das Gebiet? Was gilt es bei der partiellen Restrukturierung und Nachverdichtung zu beachten? Und worum handelt es sich hier konkret? Sprechen wir von einem zweiten CBD, einer Erweiterung dessen oder einem alternativen Entwurf, einem neuen immobilienwirtschaftlichen sowie stadtplanerischen Areal?

Mehr als nur eine Alternative zum Bankenviertel?

Für die Beantwortung ist die zugrundeliegende Definition des Central Business Districts (kurz „CBD“) entscheidend: In Metropolen wie London und New York wird damit häufig ausschließlich der Finanzdistrikt bezeichnet. Frankfurt ist jedoch weder das eine noch das andere. Hier ist damit eher das gesamte Geschäftszentrum auch abseits des reinen Bankenwesens gemeint, das nichtsdestotrotz eher einer Monokultur gleicht und erst jetzt in Form von Mixed-Use-Objekten nachträglich mit Nutzungen wie Einzelhandel und Wohnen angereichert wird. Das „Central Urban District“ (kurz „CUD“) – so lautet der Etikettierungsvorschlag von Savills – unterscheidet sich deshalb allein schon aufgrund des Mixed-Use-Konzepts. „Die Mainzer Landstraße ist die neue Bockenheimer Landstraße und fungiert als verbindende Wirbelsäule zwischen CBD und CUD. Aufgrund der fußläufigen Nähe zum Hauptbahnhof, der ausgeprägten Durchmischung verschiedenster Nutzungsarten und der dadurch erzeugten Heterogenität handelt es sich bei dem Areal keinesfalls um eine Alternative zum klassischen Bankenviertel. Das ist Bürodenke. Stattdessen sehen wir hierin das Herzstück, das alle Adern vernetzt und das Europaviertel und die Innenstadt ergänzt“, erläutert Jürgen Schmid, Director Investment bei Savills in Frankfurt.

Erdgeschosse formen den Quartierscharakter

Central Urban District – dass der Teilmarkt zentral liegt, ist sicher. Doch bedeuten Zentralität und die Heterogenität aus Büro, Wohnen, Hotel und Einzelhandel gleichzeitig auch Urbanität? In der Diskussionsrunde besteht Einigkeit darüber, dass das pulsierende Bahnhofsviertel hierbei den Takt vorgibt. „Der Hauptbahnhof ist ein wesentlicher Aspekt, der einen Großteil der Vitalität und Urbanität mit sich bringt. Bei der Entwicklung neuer architektonischer Hochpunkte muss dieses Bunte, der lebendige Lifestyle aufgegriffen und noch mehr in den Vordergrund gestellt werden. Die Infrastruktur ist dabei sowohl auf Makro- als auch Mikroebene entscheidend“, so Matthias Winkelhardt, Head of CA Immo Frankfurt, und ergänzt: „Wir haben in der Mainmetropole die einmalige Möglichkeit, die Skyline unmittelbar mitzugestalten. Dieses USP nutzen wir und vervollständigen durch weitere Landmarks das bestehende Hochhauscluster.“

Neben dem „ONE“, der aktuell von CA Immo realisiert wird, entstehen mit dem „Eden“, dem „Grand Tower“, dem „Icoon“, dem „The Spin“ und dem „Virage“ repräsentative Türme, die größtenteils mehrere Nutzungen miteinander vereinen. „Nicht nur dem vertikalen Quartier kommt in dem betreffenden Gebiet eine große Relevanz zu – auch die Erdgeschossgestaltung ist ausschlaggebend für die nachhaltige Belebung der Straßenzüge. Das Beibehalten des identitätsstiftenden Milieus ist maßgeblich. Deshalb muss es in seiner Kleinteiligkeit bewahrt und ausgeweitet werden. Durch den einzigartigen Charakter ist das Areal prädestiniert für lokale Gastronomie“, sagt Nikolaus Bieber, geschäftsführender Gesellschafter von Groß & Partner, und sieht darin auch eine Herausforderung: „Wir als Projektentwickler hochgeschossiger Wohn-, Büro- oder Hybridtürme müssen deshalb moderate Mieten im Erdgeschoss gewährleisten, damit sich individuelle Bar- und Restaurantkonzepte gegen die großen Ketten durchsetzen können. Unproduktive oder weniger profitable Nutzungen müssen von vornherein in die Projektplanung einkalkuliert und womöglich durch fixe Regularien der Städte eingefordert werden.“ Die Runde fordert generell ein engeres Zusammenarbeiten von Stadt, Projektentwicklung und Eigentümern, um einen ganzheitlichen Quartiersgedanken zu fördern und die Integration frequenzsteigender, öffentlichkeitswirksamer Konzepte zu erleichtern. Denn dies ist aufgrund anhaltend steigender Grundstückspreise und Baukosten oftmals nur durch Quersubventionierung im Gebäude möglich.

Preisgefüge hemmt Branchenvielfalt

Aktuell liegt die Durchschnittsmiete im „Central Urban District“ laut Savills bei rund 20,00 Euro/m² und damit nur 50 Cent unter dem Wert für ganz Frankfurt. „Dieses Preisniveau hängt jedoch maßgeblich mit dem vorhandenen Gebäudestandard zusammen, der nur bedingt den modernen Nutzeransprüchen entspricht. Durch die zahlreichen Neubauprojekte kommen hochwertige Qualitäten an den Markt, die sich perspektivisch auch in den Mieten niederschlagen werden“, prognostiziert Benjamin Remy, Director und Teamleader Office Agency bei Savills in Frankfurt. „Allerdings braucht es auch hierfür entsprechende Mieter. Blicken wir fünf Jahre zurück, war der Platz der Republik noch eine Barriere in den Köpfen vieler Unternehmen. Zwar verschieben sich die Grenzen zusehends, jedoch begrenzen hochpreisige Bauvorhaben automatisch die potenziellen Nachfragegruppen. Neue Branchen und weitere große Coworker würden dem Areal beispielsweise guttun.“

Dass eben nicht ausschließlich Unternehmensberater, Banken und Anwälte den Teilmarkt in Erwägung ziehen, ist allerdings nicht nur eine Frage des Preises und der zentralen Lage. „Viele Unternehmen müssen erst einmal auf attraktive Optionen abseits des CBDs aufmerksam gemacht werden. Dementsprechend müssen sich auch die Maklerunternehmen proaktiv mit der derzeitigen Entwicklung auseinandersetzen, damit die notwendigen Vorvermietungsquoten erzielt werden können, die wiederum geringere Margen für Gastronomieflächen ermöglichen“, so Frank Kienholz, Leiter Immobilienmanagement Mitte bei Deka Immobilien. „Die Zusammenführung aller Interessen ist nicht ohne – auch an großen Ketten werden wir bei der Bespielung der Erdgeschosse nicht vorbeikommen.“ Doch reichen hippe Cafés, kreative Startups und eine große Portion Diversität, um die gewünschte Urbanität zu erzielen?

Nachhaltige Flächengestaltung: Flexibilität ist ein Muss

Michael Henn, CEO von Immobel Germany, merkt an: „Es sollte nicht darum gehen, alibimäßig alternative Geschäftsmodelle und trendige Läden anzusiedeln, sondern vielmehr muss die globale Dekonstruktion klassischer Strukturen angegangen werden. Nur durch die Öffnung der Gebäude, das Zugänglich-Machen von Gemeinschaftsflächen und die gezielte Kreation des öffentlichen Raumes werden neue Zielgruppen angesprochen und langfristig am Standort etabliert. Außerdem können zukunftsweisende, nachhaltige Maßnahmen dabei helfen, den Interessentenkreis zusätzlich auszuweiten.“ Doch nicht nur übergeordnet spielt die Auflösung von Grenzen eine ausschlaggebende Rolle – auch auf der Fläche selbst müssen alte Muster abgelegt werden. „Flexibilität ist in den New-Work-Welten das A und O. Die Flächen sollten teilbar sein und sich durch variable, kreative Grundrisse auszeichnen. Immerhin entfallen knapp 60 % der Innenstadtlagenvermietungen auf das kleinteilige Segment. Das könnte auch für diesen Bereich richtungsweisend sein“, berichtet Karolina Thoben, Teamleiterin Vermietung Büroflächen bei Groß & Partner. Doch wohin geht die Reise zukünftig?

Wie muss sich das Hotelsegment aufstellen?

Wie sich der Büromarkt im Central Urban District voraussichtlich entwickeln wird, kann anhand einiger Kennzahlen abgeleitet werden. Gleiches gilt für die vorhandenen und neu geschaffenen Wohnstrukturen. „In Bezug auf das Hotelsegment werden wir jedoch genauer hinschauen müssen. Es existieren bereits zahlreiche Beherbergungsbetriebe zwischen Bahnhof und Messe. Mit den Neubauprojekten kommen innerhalb der nächsten Jahre weitere 1.000 Hotelzimmer hinzu. Dies ist angesichts des Verlusts der IAA als eine der größten Messepartner eine Entwicklung, die es zu beobachten gilt. Auch hier steht und fällt der Erfolg mit der Diversifizierung von Modellen“, konstatiert Victor Stoltenburg, Geschäftsführer der Deka Immobilien. „Außerdem besteht in Bezug auf die Gestaltung öffentlicher Plätze noch Nachholbedarf – an der Strahlkraft des Bahnhofsvorplatzes muss definitiv noch gearbeitet werden.“

Im Central Urban District gibt es demzufolge auch abseits der aktuellen Bauvorhaben noch einige kleinere „Baustellen“, die nur gemeinsam angegangen werden können. Zentralität, Infrastruktur und Heterogenität sind dabei zwar essenzielle Zutaten, bieten aber noch kein Patentrezept, das die gewünschte Urbanität garantiert.







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