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12.03.2020 Stimmung bei Immobilienfinanzierungen nähert sich seinem Tiefstand

Der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex (DIFI) von JLL und dem ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, der vierteljährliche Stimmungsindikator für gewerbliche Immobilienfinanzierungen in Deutschland, hat im ersten Quartal 2020 seinen Abwärtstrend fortgesetzt. Zwar fällt der Rückgang mit minus 3,7 Punkten geringer aus als im Vorquartal, mit minus 18,9 Punkten zeigt der Index seinen zweitniedrigsten Stand überhaupt. Er liegt damit nur noch knapp oberhalb seines absoluten Tiefstwerts vor acht Jahren. Sowohl die Finanzierungssituation der vergangenen sechs Monate (- 12,6 Punkte) als auch die Erwartungen für das kommende Halbjahr (-25,1 Punkte) wurden schlechter eingeschätzt als im Vorquartal.

„Dass die deutsche Wirtschaft eher verhalten ins neue Jahr gestartet ist, macht sich auch im Immobilienumfeld bemerkbar“, so Dr. Carolin Schmidt, Department International Finance and Financial Management am ZEW. Und Anke Herz, Team Leader Debt Advisory JLL Germany, bringt die Ergebnisse auf den Punkt: „In diesem Quartal findet sich unter den Befragten niemand, der angibt, dass sich die Finanzierungssituation für die Segmente Büro und Einzelhandel aufgehellt hat oder sich die Erwartungen für Büro, Einzelhandel, Logistik und Wohnen verbessert haben. Somit stehen die Teilindikatoren über die vergangenen und die kommenden sechs Monate für alle Nutzungsarten im Minus, die Finanzierungserwartungen bleiben sogar für alle Nutzungsarten deutlich hinter der aktuellen Lageeinschätzung zurück.“

Ein leichtes Abbremsen des Abwärtstrends zeigt der stationäre Einzelhandel: Zwar bewegen sich Situation und Erwartung mit minus 45,5 Punkten und minus 47,6 Punkten noch sehr deutlich im Minus, der Anteil derjenigen, die Verschlechterungen über die vergangenen bzw. kommenden sechs Monate sehen, ist aber stark gesunken. „Die verbesserte Entwicklung der Finanzierungssituation für Einzelhandelsobjekte kommt in Anbetracht des Strukturwandels eventuell überraschend, ist aber im Hinblick auf die unterschiedlichen Segmente durchaus plausibel“, so Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Vor allem die Transaktionsvolumina für Fachmarkt-Portfolios hätten 2019 im Vergleich zum Vorjahr zugelegt.

Die von den Befragten für 2019 angegebenen Veränderungen im Hotelsegment (ein Plus von 4,9 auf einem allerdings immer noch negativen Indexstand von minus 4,6 Punkten) dürften nicht zuletzt mit den im vergangenen Jahr noch gestiegenen Übernachtungszahlen aus dem In- und Ausland in Zusammenhang stehen. Es ist die einzige Assetklasse, für die die Umfrageteilnehmer angeben, dass sich die Finanzierungssituation auf Halbjahressicht verbessern wird. Allerdings weniger als im DIFI des vierten Quartals 2019. Die Mehrheit und damit ein steigender Anteil der Befragten (67 Prozent, plus 21 Prozent gegenüber dem DIFI Q4 2019) hat für das nächste Halbjahr eine gleichbleibende Finanzierungserwartung. „Im weiteren Jahresverlauf dürfte die Ausbreitung des Coronavirus und dessen Auswirkung auf die internationalen Tourismusströme bei der Einschätzung der Finanzierungsexperten eine wesentlich größere Rolle spielen als zum Zeitpunkt der Befragung zum DIFI Q1 Anfang bis Mitte Februar 2020“, so Anke Herz.

Bei der Assetklasse Büro geht der Großteil der Befragten von einer unveränderten Finanzierungssituation (95,8 Prozent der Antwortenden) bzw. -erwartungen (87,0 Prozent) aus.

Allerdings zeigt der Teilsaldo zur Finanzierungssituation einen Rückgang um mehr als 20 Punkte gegenüber dem Vorquartal. „Da das Bürosegment stärker als andere Nutzungsarten mit den Beschäftigungszahlen zusammenhängt, könnte die nachlassende Dynamik der Erwerbstätigenzahlen zum Jahresende 2019 hier den Ausschlag gegeben haben“, so Scheunemann.

Refinanzierung: Immobilienaktien schneiden bei Lage- und Erwartungseinschätzung am schlechtesten ab

„Die gedrückte Stimmung macht auch vor den Refinanzierungsmärkten nicht Halt. Wie bei den Finanzierungsmärkten ist die Einschätzung der Lage durchweg besser als die Einschätzung der Erwartungen“, so Anke Herz. Einzig Schuldverschreibungen (Saldo: 5,0 Punkte) notieren im Plus. Einlagen und Pfandbriefe haben seit dem vierten Quartal 2019 um 10,8 Punkte bzw. 4,7 Punkte auf einen Stand von jeweils glatt Null nachgegeben. Volatilstes Refinanzierungsinstrument bleiben nach wie vor Immobilienaktien: die Umfrageteilnehmer beurteilen die Situation dieses Refinanzierungsinstruments am schlechtesten, setzen in dieses Instrument mit einem Saldo von minus 8,5 Punkten auch die geringsten Erwartungen.

Nachhaltigkeitsaspekte beeinflussen vor allem Kreditportfolios und Marktwerte

„In der Sonderfrage des Vorquartals wurden Klimaaspekte als bedeutende Einflussfaktoren der Immobilienfinanzierung genannt. Dies haben wir zum Anlass genommen, näher auf Green-Buildings-Zertifizierungen und den deutlich weiter gefassten ESG-Aspekten (Environmental, Social, Governance) einzugehen“, so Anke Herz. Für zusammengerechnet über 60 Prozent der Befragten haben sowohl ESG als auch Green-Building-Zertifizierungen einen nicht unerheblichen Einfluss auf Investitions- und Finanzierungsentscheidungen. „Internationale Studien wie jene der Autorenteams Eichholtz, Kok und Quigley (2010) oder Fuerst und McAllister (2011) zeigen, dass ‚grüne‘ Bürogebäude zu höheren Preisen vermietet oder verkauft werden können als vergleichbare Objekte ohne Zertifizierung“, so Dr. Carolin Schmidt. Daher sei es nicht verwunderlich, dass etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmer den Klimaaspekten einen beträchtlichen Einfluss auch auf den Marktwert der Immobilie beimisst, der sich wiederum auf das Finanzierungsvolumen auswirkt.

Für die Marge und den LTV sind Nachhaltigkeits- und ESG-Gesichtspunkte zumindest in den Augen der Umfrageteilnehmer eher marginal.

Im zweiten Teil der Sonderfrage gab knapp die Hälfte der Befragten an, aktuell einen Anteil von bis zu 10 Prozent mit Green-Building-zertifizierten Immobilien in A-Lage zu finanzieren. Darüber hinaus würde sich dieser Anteil innerhalb der nächsten zwei Jahre leicht (59 Prozent der Experten) bis stark (41 Prozent) erhöhen. „Diese Einschätzungen dürften auch der Selbstverpflichtung vieler Städte geschuldet sein, ab 2030 nur noch klimaneutrale Immobilien innerhalb der Stadtgrenzen zu dulden“, vermutet Helge Scheunemann.






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