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06.05.2020 Corona und Büromärkte: Leerstand TOP 7 wird nur moderat zulegen

Die Corona-Pandemie verändert mit rasanter Geschwindigkeit unseren Alltag, die Wirtschaft und die Gesellschaft. Nach dem rigorosen Shutdown werden nun sukzessive immer weitere Lockerungsmaßnahmen beschlossen. Milliardenhilfen und Kurzarbeitergeld sollen Liquiditätsengpässe bei den Unternehmen vermeiden und die wirtschaftlichen Schäden begrenzen. Zugleich sammeln Millionen Menschen Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice sowie mit strengen Hygiene- und Abstandsregelungen. Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Büromärkte aus?
Wolfgang Speer, Head of Office & Occupier Services bei Colliers International Deutschland: „Die längerfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Büromärkte sind aktuell kaum abzuschätzen. Im Gegensatz zu vorherigen Krisen handelt es sich um einen externen Schock, dessen Ursache, Umfang und Ablauf bislang einmalig ist. Dennoch können wir aus vergangenen Krisen lernen, Muster und Trends erkennen sowie mit Hilfe eines Prognosemodells verschiedene Szenarien ermitteln, wie sich der erwartete Leerstand entwickeln könnte.“

Methodik Prognosemodell: Corona-bedingte Leerstandentwicklung

Mit Hilfe einer Szenarioanalyse wird versucht, die möglichen Folgen der Corona-Pandemie auf die TOP 7 abzubilden. Die Leerstandsquote als eine der wesentlichen Kennziffern der Bürovermietungsmärkte ist eine geeignete Messgröße. Als Ausgangsbasis des zukünftigen Flächenbedarfs wird die aktuell belegte Bürofläche nach Branchen zugrunde gelegt. Die Auswirkungen der Wirtschaftsentwicklung werden je nach Branche differenziert betrachtet. Durch diese Vorgehensweise berücksichtigt das Prognosemodell die standortspezifische Branchenstruktur von jedem TOP 7-Standort.
Zu den vom Lockdown stark betroffenen Bereichen zählen Tourismus, Freizeit und Sport sowie das Verarbeitende Gewerbe, aber ebenso Business Center und Coworking-Anbieter. Das Gesundheits- und Sozialwesen sowie die Öffentliche Verwaltung sind hingegen nur wenig betroffen.

Im Modell sind drei Impact-Faktoren berücksichtigt, die die aktuell belegte Bürofläche beeinflussen. Der Impact der Wirtschaftsentwicklung gibt an, wie stark die jeweilige Branche vom Konjunktureinbruch betroffen ist. Als Zweites wurden die Projektentwicklungspipelines der TOP 7 (inklusive Vorvermietungen) für 2020 und 2021 hinzugezogen, um mögliche Leerstände im Neubau zu berücksichtigen. Der dritte Indikator umfasst den Impact durch Homeoffice. Hier wird der zukünftige Büroflächenbedarf unter Berücksichtigung verstärkter Homeoffice-Nutzung ermittelt. Der Einflussfaktor basiert auf den Ergebnissen des Homeoffice Survey, für den Colliers im April über 480 Teilnehmer und deren Erfahrungen zum Remote Working abgefragt hat.
Auf Basis dieses zu erwartenden Büroflächenbedarfs wurden drei mögliche Szenarien entworfen, abhängig von der Tiefe der Rezession und der Geschwindigkeit der Erholung. Abgeleitet davon wurden drei Szenarien für die schnelle, mittlere und langsame Erholung aufgestellt.

Leerstandprognose: Leerstandsquoten nicht im Krisenmodus

Seit 2010 konnte der Leerstand kontinuierlich abgebaut werden. Er reduzierte sich von 10 auf aktuell 2,9 Prozent, gleichzeitig sank der absolute Büroflächenleerstand von über 8,7 Millionen auf 2,7 Millionen Quadratmetern.

„Gemäß dem Ergebnis unseres Leerstandmodells erwarten wir zum jetzigen Zeitpunkt einen kontrollierten Anstieg der Leerstandsquoten. Die TOP 7 Leerstandsquote könnte von 2,9 Prozent im ersten Quartal 2020 je nach Szenario auf 3,9 bis 5,5 Prozent im Jahr 2021 ansteigen. Aufgrund des sehr niedrigen Leerstandniveaus kann die Flächenknappheit an vielen Standorten reduziert werden. Die ´gesunde´ Leerstandschwelle von 5 Prozent wird in vielen Märkten auch im pessimistischsten Szenario nicht erreicht. Es ist keine Rückkehr zu Dotcom- und Finanzkrisen-Höchstständen zu erwarten“, kommentiert Speer.

Lokale Branchenschwerpunkte und eine unterschiedlich starke Bauaktivität beeinflussen die Prognose am stärksten. Zudem sind die Vorvermietungsquoten weiterhin sehr hoch. Ende März waren 77 Prozent der dieses Jahr auf den Markt kommenden Flächen bereits vergeben, für kommendes Jahr beträgt die Quote jetzt bereits 66 Prozent. „Durch diese soliden Voraussetzungen liegen die erwarteten Leerstandsquoten im Szenario einer schnellen Erholung zwischen 2,5 Prozent in Berlin und 8,0 Prozent in Frankfurt sowie bei einer langsamen Erholung zwischen 4,5 Prozent in Berlin und 10,0 Prozent in Frankfurt“, berichtet Speer.

Flächenumsatz: Mindestumsatz auch in Krisenzeiten gegeben

„Auf den Büromärkten konnte auch in Krisenzeiten immer ein Mindestumsatz registriert werden“, sagt Speer. Beim Platzen der Dotcom-Blase 2002/2003 lag der Flächenumsatz der TOP 7 jeweils knapp unter 2,3 Millionen Quadratmeter, zur weltweiten Finanzkrise 2009 knapp darüber. In Krisenzeiten wird der Flächenumsatz auch durch eine Zunahme an Vertragsverlängerungen beschränkt, die gemäß der gif-Richtlinien nicht dazu gezählt werden. Angebotsknappheit und hohe Mieten führten bereits in den letzten Jahren an einzelnen Standorten vermehrt zu Vertragsverlängerungen. „Aktuell ist durch die abwartende Haltung vieler Unternehmen und die Auswirkungen der Rezession ein weiterer Anstieg an Vertragsverlängerungen gegenüber Neuanmietungen zu erwarten“, weiß Speer.

Untermietflächen könnten an Bedeutung gewinnen

„Wir erwarten eine mögliche Zunahme des Leerstands jedoch nicht nur im Neubau, sondern auch im Bestand“, sagt Speer. So werden einige auslaufende Mietverträge möglicherweise nicht verlängert und ohne Nachmieter bleiben. Zusätzlich könnten manche in den vergangenen Jahren besonders expansiv planende Unternehmen Teile ihrer Flächen als Untermietflächen abgeben. „Momentan kommt Untermietflächen in den TOP 7 eine geringe Bedeutung zu, wir erwarten allerdings eine stärkere Zunahme“, prognostiziert Speer und glaubt: „Zur Sicherung der Liquidität könnten von den ursprünglichen Mietern dabei auch Mieten unter Marktniveau akzeptiert werden.“
Mietprognose: Spitzenmieten geraten stärker unter Druck, Durchschnitt wird nur leicht sinken

Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Rückgänge im Mietniveau schnell wieder aufgeholt waren. Hatte die Dotcom-Blase die Spitzen- und Durchschnittsmiete der TOP 7 im Zeitraum von 2002 bis 2004 noch um 16 sowie 15 Prozent schrumpfen lassen, wirkte sich die Finanz- und Wirtschaftskrise weit weniger stark auf die Büromieten aus. 2008 bis 2009 sank die TOP 7 Spitzenmiete um fünf Prozent, die Durchschnittsmiete lediglich um ein Prozent. Seitdem ist die Spitzenmiete der TOP 7 um 41 Prozent auf 35,50 Euro pro Quadratmeter gestiegen und die Durchschnittsmiete sogar um 58 Prozent auf 21,50 Euro pro Quadratmeter. „Wir erwarten von diesem Niveau ausgehend leichte Anpassungen. Die Spitzenmieten könnten dabei etwas stärker unter Druck geraten als die Durchschnittsmieten“, glaubt Speer und gibt zu bedenken: „Der Umfang und die Konditionen von Untermietflächen könnten ebenfalls einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Büromieten haben.“

Die Marktteilnehmer vertreten angesichts der Mieten unterschiedliche Standpunkte. In der aktuellen Befragung von Colliers International Deutschland unter den Top-Entscheidern der Immobilienwirtschaft Ende April gaben 51 Prozent an, dass die Büromieten ihr hohes Niveau halten werden, insbesondere Core-Objekte. 47 Prozent gehen hingegen von sinkenden Büromieten aus.

Ausblick: Büromärkte werden Corona-Auswirkungen bis 2021 spüren

„Aufgrund zahlreicher gestoppter Anmietungsprozesse werden erst die kommenden Abschlüsse in den nächsten Wochen zeigen, in welche Richtung sich der Markt entwickeln wird. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Büromärkte werden uns aber noch in Form von eingeschränkten Flächenumsätzen und moderat steigenden Leerstandsquoten bis 2021 begleiten. Dennoch haben wir durch die hohen Vorvermietungsquoten und das aktuell sehr niedrige Leerstandniveau eine gänzlich andere Ausgangslage als bei der Dotcom-Blase und der Finanzkrise. Wie stark die Büromärkte auf die Corona-Pandemie reagieren werden ist abhängig davon, wie schnell sich die Gesamtwirtschaft in den kommenden Monaten erholen wird“, so Speer abschließend.







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