News RSS-Feed

08.05.2020 Nach dem Lockdown sind Outlet Center die Gewinner

Der Corona-Virus hat den Einzelhandel in eine tiefe Krise gestürzt. Den ganzen Handel? Nein! Während die Geschäfte in den Innenstadtlagen, Shopping-Centern oder Fachmarkt-Centern derzeit große Einbußen hinnehmen müssen, zeigen die bisher vorliegenden Umsatzdaten der deutschen Outlet Center, dass die „Schnäppchenparadiese“ schon wieder auf der Überholspur sind. Die ersten beiden Wochenumsätze nach der Wiedereröffnung beliefen sich auf circa 60 bis 70 Prozent des Vorjahresniveaus. Einige Markenshops dort haben sogar schon 100 Prozent erreicht. „Ja, die Outlet Center sind bei den Markenhersteller derzeit so beliebt, dass es zu Engpässen bei der Vermietung kommt“, erklärt Michael Haslinger, der mit seiner Consulting-Firma für die Vermietung mehrerer deutscher Outlets ebenso wie für Shopping-Center zuständig ist. Er kennt sich also in beiden Welten aus und weiß daher um die Gründe für den Ansturm.

Haslinger: „Die Entwicklung aller Outlet Center war bereits vor der Corona-Krise über viele Jahre durchaus sehr positiv. Pro Jahr gab es konstante Umsatzsteigerungen von über 5 bis hin zu 17 Prozent.“ Zudem konnte hier ein deutlich höheres Umsatzniveau als bei den meisten innerstädtischen Geschäftslagen oder Shopping-Centern erzielt werden. Nun entzündete sich die Pandemie und mit Schließung der Läden konnten viele Unternehmen so gut wie keine Umsätze mehr generieren. Überraschenderweise brach selbst der Online-Umsatz bei einer großen Zahl von Markenherstellern massiv ein, so dass viele Produzenten um ihre Existenz bangen. Gerade der Textilhandel leidet aktuell so sehr wie keine andere Branche. Ab dem 20. April öffnete der Einzelhandel teilweise wieder. Auch die ersten Outlet Center wie beispielsweise Zweibrücken, Montabaur, Metzingen, Brehna oder das City Outlet in Bad Münstereifel schlossen ihre Türen auf – mit großem Erfolg. Dagegen liegen die Umsätze derselben Marken in den Geschäftsstraßen und in den Shopping-Centern weit davon entfernt. In einigen Fällen bewegt sich hier das Umsatzniveau im Vergleich zum Vorjahr bei etwa 10 bis 40 Prozent. Kein Wunder also, dass sich manche Mieter die Frage stellen, ob sie nicht besser wieder schließen sollten.

Doch neben dem Umsatzrückgang hat die Branche ein zweites massives Problem: Es herrscht ein gigantischer Warendruck, der sich aus der unverkauften Frühjahr- und Sommermode ergibt. „Alle Lager sind zum Bersten gefüllt. Teilweise müssen weitere externe Flächen angemietet werden, um hier Herr der Lage zu werden. Ein bekannter Hemdenhersteller hat über 50 Schiffscontainer mit neuer Ware in seinem Kontor – und weitere Container sind per Schiff schon unterwegs. Er steht jetzt stark unter Druck und ist dabei ganz sicher nicht der Einzige“, bestätigt Michael Haslinger diese Notlage. Nach seiner Einschätzung ist es mehr oder weniger unausweichlich, dass es in den normalen Einzelhandelsläden zu einer großen Preisschlacht kommen wird. Auch die Outlets werden mit Waren geflutet – doch sie haben in dieser Situation einen enormen Vorteil: Sie waren schon in der Vergangenheit ein „Schnäppchenparadies“ und konnten das ganze Jahr über mit Rabatten von 30 bis 70 Prozent werben. Um diesen entscheidenden Pluspunkt wissen auch die Verantwortlichen bei den Herstellern.
„Unmittelbar nach Öffnung der Geschäfte fragten schon viele Mieter bei uns an. Sie benötigen für die kommenden 12 bis 24 Monate dringend zusätzliche Outlet-Flächen“, erklärt Haslinger. Doch das ist gar nicht so einfach. Es wird schwierig werden, diese Nachfrage zu bedienen. „Alle deutschen Outlet Center sind nahezu voll vermietet. Möglichkeiten bestehen derzeit noch bei denen, die sich im Bau befinden. Etwa das im bayerischen Selb. Aufgrund der Genehmigungssituation besteht hier die Aussicht, dass es zu einem der flächengrößten Outlet Center in Deutschland ausgebaut werden kann. Aber auch bei dem Projekt in Selb werden die verfügbaren Flächen langsam knapp“, macht Michael Haslinger deutlich.

Lässt sich also von einem Paradigmenwechsel sprechen? Michael Haslinger glaubt: Ja! Vor der Corona-Krise lag die Präferenz in der Distributionsstrategie beim Shop in Shop in Modehäusern, dem eigenen oder dem Verkauf über den Lizenzpartner. Outlets waren ok, sie wurden für den Abverkauf genutzt – und um das Markenimage zu stärken. Doch eine tragende Rolle in den Verkaufskonzepten spielten sie nicht. „Diese Einstellung hat sich komplett verändert“, sagt der Experte. So hat zum Beispiel ein bekannter Sportartikelhersteller noch vor der Krise mitgeteilt, dass man keine weiteren Outlets mehr in Deutschland eröffnen wolle. Vielmehr sollte massiv in den eigenen Retail und den Großhandelsbereich sowie in den Online-Handel investiert werden.

Heute ist alles anders. Und die Gründe liegen auf der Hand: Die Umsätze pro Quadratmeter sind im Outlet-Sektor etwa zwei bis vier Mal höher als in den Innenstadtlagen oder Shopping-Centern. Geht man von gleichen Personal- und ähnlichen Mietkosten aus, ist es naheliegend, wo die Hersteller den optimalen Vertriebskanal sehen, um ihre Lagerbestände zu reduzieren. Zudem sind aufgrund der stark geschrumpften liquiden Mittel aktuell die Einnahmen aus den Outlets viel wichtiger, als dass man auf Image oder Einzelhandelssensitivität Rücksicht nehmen könnte. „Viele Marken kämpfen um das pure Überleben. Sie können es sich gar nicht leisten, auf Umsatz zu verzichten“, betont Michael Haslinger. Das Ende vom Lied: Bei der erwähnten Sportmarke wurde nach nicht einmal sechs Wochen nach Schließung der Läden die Unternehmensstrategie revidiert. Aus der Konzernzentrale war zu hören, dass man rund 20 neue Outlet-Shops benötige. Doch die sind kaum noch vorhanden …






Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!