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24.06.2020 Großbritannien: Welcome back to Europe

Ein neues Zeitalter der Unabhängigkeit hatte Boris Johnson seinen Landsleuten für den Brexit versprochen, einen erneuerten Nationalstolz, das Abstreifen der Fesseln Europas. Nun ist der Brexit da und Großbritannien wird immer europäischer. „Das zeigt die Zinsentwicklung eindeutig“, sagt Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der Quant.Capital Management GmbH.

Während in den USA, mit denen Boris Johnson gerne auf Augenhöhe verhandeln würde, die Zinsen über alle Laufzeiten noch positiv sind, haben britische Anleihen über zwei, drei, vier und fünf Jahre gerade neue Rekordtiefs bei den bereits negativen Renditen verzeichnet – also ein sehr ähnliches Bild wie im Rest Europas.

„Johnson hatte den Briten schnelle, neue Freihandelsabkommen versprochen, eine enge Anlehnung an die USA und solide Finanzen“, sagt Mlinaric. „Und dann wollte man auch noch die eigene Unabhängigkeit deutlich machen, indem man bei der Pandemie-Bekämpfung einen Sonderweg ging.“ Das alles ging tüchtig nach hinten los.

Die Pandemie wütete in Großbritannien stärker als im Rest Europas, fast schon wie in den USA. Freihandelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern kamen mit Ausnahme der Efta-Staaten nicht zustande, die Finanzpolitik läuft völlig aus dem Ruder. Als Mitglied der EU konnte man sich herrlich über die vermeintlich unsoliden Staatsfinanzen einiger Eurostaaten aufregen. Nun ist das Vereinigte Königreich auf sich gestellt: Während die Staatsverschuldung auf Rekordhöhen steigt, ist die Bank of England gezwungen, Staatsschulden in bisher ungeahnter Höhe aufzukaufen, um die Zinsen niedrig zu halten.

„Im Durchschnitt wurden seit Ende März Staatsanleihen für 13,5 Milliarden Pfund pro Woche aufgekauft“, sagt Mlinaric. „So konnten die Zinsen bis in den negativen Bereich gedrückt werden, um dem Staat eine beispiellose Neuverschuldung zu ermöglichen.“ Ade solide Finanzen und ade europäische Unterstützung.

Womit Johnson sich dann zumindest in zwei Bereichen sehr US-amerikanisch fühlen kann: Bei der Wucht der Pandemie und der Last der zukünftigen Staatsschulden. Oder es wird irgendwann heißen: Welcome back, Europe.

(Kommentar von: Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der Quant.Capital Management GmbH)





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