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17.07.2020 Bauzinsen sinken, lange Zinsbindungen werden günstiger

Von Mitte Mai bis Anfang Juli bewegten sich die Bauzinsen seitwärts. Der Bestzins für eine 10-jährige Zinsbindung lag mehrere Wochen stabil bei 0,41 Prozent. Aktuell ist er wieder auf 0,39 Prozent gesunken. Längere Zinsbindungen zeigen den Zinsrückgang noch deutlicher: Bei Darlehen mit 20 Jahren Zinsbindung geht der Zins von 0,99 Prozent Mitte Juni auf aktuell 0,83 Prozent zurück. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe spiegelte diese Entwicklung zuletzt nicht wider: Sie pendelt weiterhin größtenteils stabil zwischen -0,4 und -0,5 Prozent. „Die sinkenden Zinsen lassen sich vor allem auf die Angebote einzelner Banken zurückführen, die sich bei längeren Zinsbindungen anders positionieren“, erklärt Michael Neumann.

Wie ungewöhnlich die aktuelle Zinssituation ist, zeigt der historische Vergleich: Obwohl die Niedrigzinsphase mittlerweile seit vielen Jahren anhält, sanken die Zinsen für eine 20-jährige Zinsbindung bis zum Februar 2020 nie unter die Ein-Prozent-Marke. Zu Beginn der Corona-Krise erreichten allerdings auch diese Konditionen am 9. März 2020 einen neuen historischen Tiefstand von 0,82 Prozent. „Die Zinsdifferenz zwischen kurzen und langen Zinsbindungen ist derzeit vergleichsweise gering. Das deutet darauf hin, dass der Markt langanhaltend niedrige Zinsen erwartet“, sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG. Er rechnet damit, dass die massiven Eingriffe der EZB das Zinsniveau auf lange Sicht künstlich niedrig halten werden. „Selbst wenn sich die Wirtschaft nach der Pandemie wieder erholt, wird die EZB nicht direkt aus der lockeren Geldpolitik aussteigen können. Denn hoch verschuldete Staaten wie Italien könnten bei steigenden Zinsen ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen und würden damit die Stabilität der ganzen Euro-Zone gefährden“, so Neumann weiter. Seiner Meinung nach wird es in der nächsten Zeit nur geringe Bewegung bei den Bauzinsen geben: „Kurzfristig können die Bauzinsen zwar aufgrund einzelner Ereignisse schwanken, ich rechne mittelfristig aber mit einem weiterhin extrem niedrigen Zinsniveau.“ Für Immobilienkäufer und Bauherren heißt das: An den historisch günstigen Finanzierungsmöglichkeiten wird sich so schnell nichts ändern.

Aktuelle ZEW-Studie: Unerlaubte monetäre Staatsfinanzierung durch die EZB?

Einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW zufolge haben sich die Anleihekaufprogramme der EZB schon vor der Corona-Krise immer stärker in Richtung der „Grauzone der unerlaubten monetären Staatsfinanzierung“ bewegt. Das im Rahmen der Pandemie beschlossene Krisenprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) ermöglicht nun noch schnellere und umfangreichere Anleihekäufe und hat zudem die Regeln für die Käufe weiter gelockert. Das Eurosystem akzeptiert sogar, dass mehr als ein Drittel aller Wertpapiere eines Emittenten gekauft werden. Die Übergewichtung der Anleihekäufe in Richtung hoch verschuldeter Staaten wie Italien und Spanien könnte in der Folge noch weiter zunehmen. Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Forschungsbereichsleiter am ZEW und Koautor der Studie, erklärte in einer Pressemitteilung: „Die EZB hat spätestens mit dem PEPP akzeptiert, die Rolle eines strategisch wichtigen Gläubigers für Eurostaaten zu übernehmen. Der EZB-Rat wird somit in Zukunft mit darüber entscheiden, ob ein überschuldeter Eurostaat seine Anleiheverbindlichkeiten umschulden kann oder nicht.“ Michael Neumann geht noch einen Schritt weiter und meint: „Die EZB manipuliert das Zinsniveau und damit die Refinanzierungsbedingungen mit ihren Anleihekäufen schon seit Jahren und betreibt so indirekte Staatsfinanzierung.“

Dennoch hält Michael Neumann die entschlossene Reaktion der EZB in der aktuellen Krisensituation für gelungen: „Das PEPP-Programm hat die Finanzmärkte vor allem zu Beginn der Krise beruhigt. Ohne die Sicherheit, dass die EZB bei Bedarf weitere Maßnahmen ergreifen wird, könnten Anleger schnell wieder nervös werden.“ Das Problem daran ist: Der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik wird nun noch schwerer gelingen als vor der Corona-Krise. „Die Staaten gewöhnen sich zunehmend an das billige Geld und sind weiterhin nicht zu strukturellen Reformen gezwungen“, erklärt Experte Neumann. „Die EU befeuert mit ihrem Schritt zur Transferunion diese Entwicklung zusätzlich. Insofern sehe ich nach der Corona-Krise noch größere Herausforderungen für einen Exit aus der ultralockeren Geldpolitik.“

EZB-Sitzung: Der wirtschaftliche Tiefpunkt ist durchschritten

Im Juni stockten die europäischen Währungshüter das eigentlich auf 750 Milliarden Euro begrenzte Krisenprogramm PEPP um weitere 600 Milliarden Euro auf und verlängerten die Laufzeit bis mindestens Juni 2021. Auf der aktuellen Sitzung ließ die EZB keinen Zweifel an ihrer Bereitschaft, bei Bedarf erneut zu handeln. Vorerst wurden allerdings keine weiteren Maßnahmen beschlossen. Der wirtschaftliche Ausblick der EZB ist verhalten positiv. Auch wenn das Ende der Pandemie noch ungewiss ist, scheint die Talsohle vorerst hinter uns zu liegen. Mit der allmählichen Lockerung vieler Einschränkungen gebe es Anzeichen für eine erste Erholung.

Tendenz

Kurzfristig: eingeschränktes Aufwärtspotenzial
Mittelfristig: leicht steigend







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