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03.12.2020 Strukturwandel: Die Banken verlassen das Bankenviertel

Nach Beobachtungen von Aengevelt Research beginnen insbesondere in Düsseldorf, aber auch anderen Großstädten die Banken, das Bankenviertel zu verlassen, um in kostengünstigere Bürostandorte außerhalb des Zentrums abzuwandern. Das ist ein Alarmsignal für die Innenstädte, ist doch das Bankenviertel bisher nicht nur in London stets der Inbegriff der “City“ gewesen. Der Exodus der Banken ist einerseits Folge der Digitalisierung, andererseits Symptom des Strukturwandels der Innenstädte, die ihre Rolle neu definieren müssen, nicht nur in Bezug auf die Banken, sondern auch als Büro-, Einzelhandels- und Wohnstandorte.

In Düsseldorf wandern gleich drei traditionsreiche Banken aus dem Zentrum ab:

• Die Commerzbank verlagert 900 Backoffice-Mitarbeiter von der Königsallee, die einst die Zentrale der Dresdener Bank beherbergte, in ein Büroquartier am Seestern auf der anderen Rheinseite.
• Das Bankhaus Lampe zieht mit 400 Angestellten in Richtung Kennedydamm.
• HSBC Trinkaus & Burkhardt verlässt den prestigereichen Standort an der Ecke von Königsallee und der nach dem Gründer benannten Trinkausstraße, um mit 950 Mitarbeitern (und weiteren 900 von anderen Standorten) auf das ehemalige Rheinbahngelände in das Industrieviertel Heerdt zu ziehen.

In der Bankenhochburg Frankfurt siedelte sich die Europäische Zentralbank direkt weit entfernt vom Bankenviertel im Ostend an. Begründung: man sei ja eigentlich gar keine Bank, die Kundenkontakte hat, und wolle deshalb bewusst nicht ins Bankenviertel.

Wandel in Zeiten von Online-Banking, Digitalisierung & Co

In früheren Zeiten wetteiferten die Banken um die besten Standorte, die prächtigsten Fassaden und die schillerndsten Bürotürme in den Cities, sollten ihre Immobilien doch signalisieren, dass es sich um solide Unternehmen handelte, denen man sein Geld getrost anvertrauen konnte. Außerdem siedelten sich Finanzinstitute gern im selben Quartier an, weil man sich durch fußläufige Entfernung „Fühlungsvorteile“ versprach, insbesondere durch die Nähe zu Dienstleistern wie spezialisierte Anwaltskanzleien, Unternehmensberatungen, Finanzdienstleister, Auktionshäuser, Businessclubs und Restaurants am gleichen Standort.

Doch heute zählen die alten Standortfaktoren immer weniger, wie Aengevelt beobachtet. „In Zeiten des Online-Bankings verliert die Schalterhalle an Bedeutung“, sagt Birthe Nordhues, Mitglied der Aengevelt-Geschäftsleitung und Leiterin Gewerbliche Vermietung bei Aengevelt Düsseldorf: „Es gibt immer mehr Bankkunden, die ihr Bankhaus noch nie von innen gesehen haben. Und für die Backoffice-Funktionen braucht man keine prestigeträchtigen - und vor allem teuren - Standorte mehr.“ Dienstleister muss man in Zeiten von Global Sourcing auch nicht mehr in fußläufiger Entfernung haben, und für Mittagessen im Nobelrestaurant gibt es im Terminkalender heute keinen Raum mehr – ganz abgesehen von Spesenkosten und Pandemie.

Die Digitalisierung wirkt sich jedoch nicht nur von der Kundenseite her auf die Standortwahl aus, sondern auch in Bezug auf neue Arbeitsformen. Gerade Banken haben mit dem Homeoffice gute Erfahrungen gemacht. Entsprechend will z.B. HSBC Trinkaus & Burkhardt den Umzug auch nutzen, um mittels dauerhafter Homeoffice-Lösungen einerseits den Büroflächenbedarf zu reduzieren. Auf der anderen Seite sollen neue Bürokonzepte mit offenen, flexibel nutzbaren Kommunikationsbereichen, zahlreichen Besprechungsräumen und Rückzugszonen für konzentriertes Arbeiten realisiert werden.

Standortkriterien verändern sich

Zentralität wird für Bürostandorte immer unwichtiger, leiden doch die Citys unter massiven Verkehrsproblemen. In Frankfurt als auch Düsseldorf haben sich deshalb schon vor langer Zeit Bürozentren außerhalb der Innenstädte entwickelt - in Frankfurt beispielsweise in Niederrad, in Düsseldorf am Kennedydamm oder am Seestern. Diese Standorte punkten u.a. mit besseren Verkehrsanbindungen und Parkmöglichkeiten und vor allem deutlich niedrigeren Grundstückspreisen: So stellen sich die Bodenrichtwerte z.B. in Düsseldorf in den Bereichen Königsallee und Schadowstraße laut Angaben des Oberen Gutachterausschusses für Grundstückswerte in NRW auf über 20.000 € / m² bis zu 40.000 € / m². In Düsseldorf- Heerdt, wo sich der Bürostandort Seestern befindet, sind es in der Spitze lediglich 3.400 € / m².

Und damit ist die Entwicklung noch nicht am Ende: Umlandgemeinden locken Unternehmen nicht nur mit günstigeren Büromieten, sondern zusätzlich mit niedrigeren Gewerbesteuersätzen aus den Kernstädten – so Eschborn aus Frankfurt und Monheim aus Düsseldorf.

Auswirkungen auf die gesamte Innenstadt

Für die Innenstädte stellen solche Abwanderungen eine weitere Funktionseinbuße dar. Diese wiegt umso schwerer, da auch der Einzelhandel durch den zunehmenden Online-Handel, periphere Shopping- und Factory Outlet Center und andere Faktoren seit Jahren unter Druck steht. Am deutlichsten zeigt sich das an der Krise der Kaufhäuser. So manche Großstadt, insbesondere in strukturschwächeren Regionen, zeigt schon heute deutliche Anzeichen der Verödung, inklusive Laden- und Büroleerständen, städtebaulichem Verfall und Sicherheitsproblemen.

Was sollen die Städte gegen die drohende Erosion ihrer Zentren unternehmen?

Dazu Professor Volker Eichener von der Hochschule Düsseldorf: „Corona hat nichts Neues bewirkt, sondern lediglich langanhaltende Entwicklungen beschleunigt. Die Stadtzentren erleben weltweit einen Strukturwandel. Die City der Zukunft wird mehr urbane Lebensqualität aufweisen: Erlebniseinkauf, Showrooms, Boutiquen, Delikatessen, Entertainment, Kultur, Freizeit, Gastronomie, attraktive Outdoor-Bereiche, aber auch neue Möglichkeit zum Socializing, mit denen Alleinlebende ihre Bedürfnisse nach sozialen Kontakten leben können. In dem Zuge kehrt auch hochwertiges Wohnen wieder zurück in die City.“

Für City-Immobilien bedeutet das, dass sie multifunktionaler und flexibler werden (müssen). Matthias Brinkmann von Aengevelt Research beschreibt dies an den Umnutzungsmöglichkeiten ehemaliger Warenhäuser: „Fünf Etagen können mit ganz unterschiedlichen Nutzungen bestückt werden: Showrooms, Pop-Up-Stores, Wellness, Co-Working, Boarding Houses, Farm-to-Table-Kombinationen aus Urban Farming und Erlebnisrestaurants, Co-Cooking und sogar großzügigen Erlebnisflächen für Modeschauen oder E-Sport-Events. Wichtig ist, dass das Gebäude zu allen Tages- und Nachtzeiten belebt ist, so dass die alte Trennung von Tages- und Nachtökonomie verschwindet und die Flächenproduktivität steigt.“

Wenn solche Konzepte gelingen, sieht Aengevelt in der Abwanderung der Banken auch Chancen. So könnten das ehemalige HSBC-Haus oder auch der Commerzbank-Standort an der Königsallee auf lange Sicht ihr Schicksal als Bürogebäude überwinden und sich zu urbanen Erlebniszentren mit einer bunten Vielfalt von Nutzungen entwickeln.







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