10.12.2020 Innenstädte müssen sich neu erfinden
Nach Beobachtungen von Aengevelt Research ist die Corona-Pandemie nicht Auslöser der Krise des Einzelhandels, sondern lediglich Trendverstärker. Der stationäre Einzelhandel ist schon vorher unter Druck geraten und wird sich auch nach dem Abflauen der Pandemie nicht mehr vollständig erholen.
Aber nicht nur der Einzelhandel schwächelt in den Cities, auch Büronutzer, z.B. die traditionell in den Cities residierenden Banken, suchen sich zunehmend Standorte außerhalb der Stadtzentren.
Angesichts dieser Entwicklungen müssen sich die Innenstädte neu erfinden, um auch in Zukunft lebendig zu bleiben.
Als es noch kein Corona gab, sind nach Untersuchungen des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels deutschlandweit innerhalb von nur fünf Jahren 29.000 Einzelhandelsstandorte aufgegeben worden. Das entspricht einem Rückgang von 7%. Manche Innenstadt, gerade in kleineren und strukturschwächeren Städten, leidet bereits massiv unter Leerständen und Verödung, die Folge einer Abwärtsspirale ist: Weniger Kunden sorgen für Schließungen von Geschäften, was einerseits zur Desinvestition und städtebaulichen Verfallserscheinungen führt und andererseits zur Verkleinerung des Angebots. Die sinkende Attraktivität der schrumpfenden City verstärkt den Kundenschwund dann weiter.
Gründe für die Umsatzrückgänge gibt es viele: Die Alterung der Bevölkerung, Shopping Center und Outlets auf der grünen Wiese, insbesondere aber der stetig wachsende Online-Handel.
Büronutzungen werden ebenfalls an periphere Standorte verlagert, die verkehrsgünstiger und kostengünstiger sind als die Cities, mitunter sogar in Städte im Umland der Metropolen. Selbst Banken beginnen, das Bankenviertel zu verlassen, so beispielsweise in Düsseldorf die Traditionsbanken HSBC Trinkaus & Burkhardt, Bankhaus Lampe und Commerzbank.
Neue Chancen durch “Reurbanisierung“
Es gibt jedoch nicht nur Risiken. Neue Lebensformen und Lebensstile, aber auch neue Arbeitsformen haben das Interesse an Urbanität wieder gesteigert. Stadtforscher sprechen nach vier Jahrzehnten der Suburbanisierung, der Ballungsrandwanderung, inzwischen von einer “Reurbanisierung“, weil die Innenstädte als Wohnstandorte wieder attraktiver werden. Um diese Chancen zu nutzen, müssen sich die Innenstädte verändern:
• Erstens müssen attraktive, hochwertige Wohnangebote in der City geschaffen werden, um kaufkraftstarke Bevölkerungsgruppen anzulocken.
• Der Trend, dass die wachsende Gastronomie den schrumpfenden Einzelhandel ersetzt, wird sich nach dem Abflauen der Pandemie wieder verstärken. Insbesondere stellt die Ganzjahres-Außengastronomie ein Wachstumssegment dar.
• Der Einzelhandel kann in der City überleben, wenn er etwas bietet, was das Internet nicht leisten kann, beispielsweise Ambiente, Haptik und Erlebnismöglichkeiten, durch die ein Shopping-Trip zum Ganztagesausflug wird.
Lösungsansatz “Multifunktionalität“
Multifunktionale Einrichtungen und Orte steigern die Attraktivität und die Flächenproduktivität, wenn sie an sieben Wochentagen Tag und Nacht genutzt werden. Da kann man in einem Sportgeschäft auf einer künstlichen Welle surfen, da verbindet ein Hot-Tub-Cinema Kultur, Entertainment, Essen, Trinken und Party, da ist die Buchhandlung zugleich Café, Delikatessenhandel und Geschenkboutique, da ziehen Pop-Up-Stores, Hotelnutzung, Co-Working und Co-Cooking in ein ehemaliges Warenhaus – Ideen und bereits realisierte Beispiele gibt es genug.
„Der immerwährende Schlüssel zum Erfolg einer Innenstadt“, sagt Prof. Dr. Volker Eichener, Stadtforscher an der Hochschule Düsseldorf, „ist und bleibt die Passantenfrequenz, nach der man ja auch die Lauflagen von Ia bis Vc einteilt. Und diese Passantenströme regt man einerseits durch Nutzungsmischung an und andererseits durch urbane Qualitäten, die zum Flanieren einladen.“
Zur Nutzungsmischung gehören Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Gastronomie, Hotellerie, Kultur, Entertainment und Freizeit. Urbane Qualitäten werden durch städtebauliche Strukturen, interessante Bauwerke, interessant gestaltete öffentliche Räume und urbanes Ambiente geschaffen. Zum Flanieren laden Boulevards, Promenaden und Ufer ein, außerdem Ungleichwertiges, das als „natürlich gewachsen” empfunden wird, Ungleichzeitiges, Ungewöhnliches und Unerwartetes.
Maßnahmenkatalog
Aengevelt Research hat einen Maßnahmenkatalog zusammengestellt, mit dem die Innenstädte den Strukturwandel erreichen können:
• Gestaltung urbaner Räume durch Baukultur, Ambiente, Flair, Stimuli für alle Sinne.
• Schaffung der planerischen, baulichen und städtebaulichen Voraussetzungen für Nutzungsmischung.
• Kooperation öffentlicher und privater Akteure, City-Marketing, City-Entwicklung, Business Improvement Districts.
• “Center-Management“ für Innenstädte, um Angebotslücken zu vermeiden und Synergien zu ermöglichen.
• Eine Pachtzinspolitik mit Augenmaß, um wichtige Nutzungen nicht durch überhöhte Forderungen zu vertreiben und mittelfristig Leerstände zu produzieren.
• Vom Renditedruck geschützte Räume, damit auch Nutzungen, die weniger profitabel sind, eine Chance haben, das Angebot zu erweitern (Cafés, soziokulturelle Einrichtungen, Kreativwirtschaft etc.).
• Ein Mobilitätskonzept, das die weitgehend autofreie Erschließung der Innenstadt ermöglicht.
Prof. Eichener: „In Frankreich und Nordamerika war die Verödung der Innenstädte bereits viel weiter fortgeschritten als bei uns. Aber selbst dort konnten die Cities wiederbelebt werden, indem Vielfalt und urbanes Leben geschaffen wurden. Die Innenstädte werden durch Corona nicht sterben, aber sie werden anders werden.“
Weitere Informationen zum Thema finden sich in einem Video mit einem Vortrag von Prof. Eichener, das hier abrufbar ist.
Aber nicht nur der Einzelhandel schwächelt in den Cities, auch Büronutzer, z.B. die traditionell in den Cities residierenden Banken, suchen sich zunehmend Standorte außerhalb der Stadtzentren.
Angesichts dieser Entwicklungen müssen sich die Innenstädte neu erfinden, um auch in Zukunft lebendig zu bleiben.
Als es noch kein Corona gab, sind nach Untersuchungen des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels deutschlandweit innerhalb von nur fünf Jahren 29.000 Einzelhandelsstandorte aufgegeben worden. Das entspricht einem Rückgang von 7%. Manche Innenstadt, gerade in kleineren und strukturschwächeren Städten, leidet bereits massiv unter Leerständen und Verödung, die Folge einer Abwärtsspirale ist: Weniger Kunden sorgen für Schließungen von Geschäften, was einerseits zur Desinvestition und städtebaulichen Verfallserscheinungen führt und andererseits zur Verkleinerung des Angebots. Die sinkende Attraktivität der schrumpfenden City verstärkt den Kundenschwund dann weiter.
Gründe für die Umsatzrückgänge gibt es viele: Die Alterung der Bevölkerung, Shopping Center und Outlets auf der grünen Wiese, insbesondere aber der stetig wachsende Online-Handel.
Büronutzungen werden ebenfalls an periphere Standorte verlagert, die verkehrsgünstiger und kostengünstiger sind als die Cities, mitunter sogar in Städte im Umland der Metropolen. Selbst Banken beginnen, das Bankenviertel zu verlassen, so beispielsweise in Düsseldorf die Traditionsbanken HSBC Trinkaus & Burkhardt, Bankhaus Lampe und Commerzbank.
Neue Chancen durch “Reurbanisierung“
Es gibt jedoch nicht nur Risiken. Neue Lebensformen und Lebensstile, aber auch neue Arbeitsformen haben das Interesse an Urbanität wieder gesteigert. Stadtforscher sprechen nach vier Jahrzehnten der Suburbanisierung, der Ballungsrandwanderung, inzwischen von einer “Reurbanisierung“, weil die Innenstädte als Wohnstandorte wieder attraktiver werden. Um diese Chancen zu nutzen, müssen sich die Innenstädte verändern:
• Erstens müssen attraktive, hochwertige Wohnangebote in der City geschaffen werden, um kaufkraftstarke Bevölkerungsgruppen anzulocken.
• Der Trend, dass die wachsende Gastronomie den schrumpfenden Einzelhandel ersetzt, wird sich nach dem Abflauen der Pandemie wieder verstärken. Insbesondere stellt die Ganzjahres-Außengastronomie ein Wachstumssegment dar.
• Der Einzelhandel kann in der City überleben, wenn er etwas bietet, was das Internet nicht leisten kann, beispielsweise Ambiente, Haptik und Erlebnismöglichkeiten, durch die ein Shopping-Trip zum Ganztagesausflug wird.
Lösungsansatz “Multifunktionalität“
Multifunktionale Einrichtungen und Orte steigern die Attraktivität und die Flächenproduktivität, wenn sie an sieben Wochentagen Tag und Nacht genutzt werden. Da kann man in einem Sportgeschäft auf einer künstlichen Welle surfen, da verbindet ein Hot-Tub-Cinema Kultur, Entertainment, Essen, Trinken und Party, da ist die Buchhandlung zugleich Café, Delikatessenhandel und Geschenkboutique, da ziehen Pop-Up-Stores, Hotelnutzung, Co-Working und Co-Cooking in ein ehemaliges Warenhaus – Ideen und bereits realisierte Beispiele gibt es genug.
„Der immerwährende Schlüssel zum Erfolg einer Innenstadt“, sagt Prof. Dr. Volker Eichener, Stadtforscher an der Hochschule Düsseldorf, „ist und bleibt die Passantenfrequenz, nach der man ja auch die Lauflagen von Ia bis Vc einteilt. Und diese Passantenströme regt man einerseits durch Nutzungsmischung an und andererseits durch urbane Qualitäten, die zum Flanieren einladen.“
Zur Nutzungsmischung gehören Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Gastronomie, Hotellerie, Kultur, Entertainment und Freizeit. Urbane Qualitäten werden durch städtebauliche Strukturen, interessante Bauwerke, interessant gestaltete öffentliche Räume und urbanes Ambiente geschaffen. Zum Flanieren laden Boulevards, Promenaden und Ufer ein, außerdem Ungleichwertiges, das als „natürlich gewachsen” empfunden wird, Ungleichzeitiges, Ungewöhnliches und Unerwartetes.
Maßnahmenkatalog
Aengevelt Research hat einen Maßnahmenkatalog zusammengestellt, mit dem die Innenstädte den Strukturwandel erreichen können:
• Gestaltung urbaner Räume durch Baukultur, Ambiente, Flair, Stimuli für alle Sinne.
• Schaffung der planerischen, baulichen und städtebaulichen Voraussetzungen für Nutzungsmischung.
• Kooperation öffentlicher und privater Akteure, City-Marketing, City-Entwicklung, Business Improvement Districts.
• “Center-Management“ für Innenstädte, um Angebotslücken zu vermeiden und Synergien zu ermöglichen.
• Eine Pachtzinspolitik mit Augenmaß, um wichtige Nutzungen nicht durch überhöhte Forderungen zu vertreiben und mittelfristig Leerstände zu produzieren.
• Vom Renditedruck geschützte Räume, damit auch Nutzungen, die weniger profitabel sind, eine Chance haben, das Angebot zu erweitern (Cafés, soziokulturelle Einrichtungen, Kreativwirtschaft etc.).
• Ein Mobilitätskonzept, das die weitgehend autofreie Erschließung der Innenstadt ermöglicht.
Prof. Eichener: „In Frankreich und Nordamerika war die Verödung der Innenstädte bereits viel weiter fortgeschritten als bei uns. Aber selbst dort konnten die Cities wiederbelebt werden, indem Vielfalt und urbanes Leben geschaffen wurden. Die Innenstädte werden durch Corona nicht sterben, aber sie werden anders werden.“
Weitere Informationen zum Thema finden sich in einem Video mit einem Vortrag von Prof. Eichener, das hier abrufbar ist.