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17.02.2021 Ruhe vor dem Sturm – DIP analysiert deutschen Einzelhandelsmarkt

Nach Analysen von “DIP – Deutsche Immobilien-Partner“ gab es 2020 am deutschen Einzelhandelsmarkt noch keine massiven Einbrüche bei den Spitzenmieten - ungeachtet sinkender Umsätze im stationären Einzelhandel. Die Investitionen in Einzelhandelsimmobilien sind sogar leicht gestiegen. Doch wie geht die Entwicklung weiter?

Die Corona-Pandemie stürzte die deutsche Volkswirtschaft im Jahr 2020 in eine schwere Rezession, vergleichbar mit der Wirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte 2020 um 5,0 % gegenüber dem Vorjahr. Die rasche und großzügige Erweiterung der Kurzarbeit und Corona-Hilfen haben zwar dafür gesorgt, dass die Umsatzeinbußen, die viele Unternehmen erlitten haben, nicht vollständig auf den Arbeitsmarkt durchschlugen, allerdings konnte nicht verhindert werden, dass die Zahl der Erwerbstätigen von Februar, dem Monat vor Beginn der Corona-Einschränkungen, bis November 2020 um 1,6 % sank. Die Arbeitslosenquote stieg von 4,9 % im Dezember 2019 auf 5,9 % (Dezember 2020). Die höchste Quote des Jahres wurde im August mit 6,4 % erreicht.

Die rückläufige wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2020 schlug sich auch in einer leicht sinkenden Einkommensentwicklung der Privathaushalte bei zunehmender Sparquote nieder. 2020 erreicht die Sparquote den historischen Höchststand von 16 %. Seit rd. 30 Jahren ist die Quote nicht über die 13 %-Marke hinaus gestiegen. 2019 waren es knapp 11 %. Auslöser für die hohe Sparquote sind einerseits verringerte Ausgaben für Reisen, Gastronomie, Freizeit und Kultur, andererseits aber auch die Vorsorge für eine Verschlechterung der eigenen Einkommensverhältnisse.

Nachdem der GfK-Konsumklimaindex im Dezember 2019 einen Indikatorwert von 9,7 erreicht hatte, schwenkte das Konsumklima im Rahmen der Corona-Pandemie im Laufe des Jahres 2020 sogar mehrfach in den negativen Bereich. Mit einem Wert von -23,1 im Mai 2020 wurde trotz der Ende April erfolgten Lockerungen der Beschränkungen des Einzelhandels der niedrigste Wert in der Historie des Konsumklimas gemessen.

Differenzierte Entwicklung der Einzelhandelsumsätze

Trotz sinkender Einkommen und höherer Sparquote wuchs der seit 2010 ununterbrochen expandierende Einzelhandelsmarkt in Deutschland dennoch mit einem nominalen Umsatzplus von 2,4 % gegenüber dem Vorjahr auf rd. EUR 548 Mrd. weiter an - auch deshalb, weil andere Ausgaben aufgrund der Pandemiebeschränkungen (zunächst) entfielen. Das erneute Umsatzwachstum muss allerdings differenziert betrachtet werden. Während die Umsätze des ohnehin seit Jahren wachsenden Internet- und Versandhandels sprunghaft zunahmen (+ 33 % im November 2020 gegenüber dem Vorjahresmonat), litt der stationäre Einzelhandel unter den Maßnahmen der Pandemiebekämpfung. Besonders hart traf es den Bereich Textil, Bekleidung, Schuhe, Lederwaren mit einem Minus von 20 %, während z. B. Apotheken, Drogerien, Baumärkte und Fahrradhändler von der Krise zu profitieren vermochten. Insbesondere der zweite Lockdown hat dazu geführt, dass nach Angaben des Handelsverbands Deutschland bis zu 50.000 Einzelhandelsgeschäfte in ihrer Existenz bedroht sind.

Auf die Märkte für Einzelhandelsimmobilien ist die Krise im Berichtsjahr noch nicht vollständig durchgeschlagen. So reduzierten sich die Spitzenmieten in den bedeutendsten deutschen Einzelhandelsmetropolen (Berlin, Hamburg, München, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf und Stuttgart) im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um noch moderate 4,0 %, hauptsächlich, weil die Pandemie viele Expansionspläne zunichte machte.

Knapp zwei Drittel der Einzelhändler – vor allem im Non-Food-Bereich - sind vom Lockdown betroffen. Je nach Standort sind davon in einem Drittel bis zur Hälfte der Fälle vorübergehende Mietreduzierungen vereinbart worden, so dass sich Mieter und Vermieter die Verluste teilen. Welche Gesamtsummen dabei auflaufen, hängt von der Länge des Lockdowns ab.

Leicht sinkendes Mietpreisniveau in attraktiven Top-Lagen

Im Zuge der Corona-Pandemie sank die Nachfrage nach Verkaufsflächen sowohl in den Innenstädten als auch den Nebenlagen. Zwar profitierten in den letzten Jahren etablierte und hochfrequentierte 1A-Lagen vor allem von den gezielten Ansiedlungen expandierender nationaler und gleichzeitig vom Markteintritt internationaler Filialisten (insbesondere im Textilbereich), doch die wiederkehrenden Lockdowns führten im Berichtsjahr 2020 vor allem beim stationären Einzelhandel zu starken Umsatzeinbußen.
In den „Big Seven“ liegen die Mieten in den 1A-Spitzenlagen zum Jahresende 2020 zwischen 200,- €/m² Verkaufsfläche in Stuttgart und 370,- €/m² Verkaufsfläche in München. Grundsätzlich werden in konjunkturschwächeren Jahren die Top-Mieten an 1A-Adressen überwiegend stabilisiert.

Abgesehen von den Standorten Dresden, Hannover, Magdeburg und München sind allerdings sowohl in den weiteren Standorten der „Big Seven“ als auch in den übrigen systematisch untersuchten DIP-Standorten (Bremen, Essen, Karlsruhe, Leipzig und Nürnberg) die Einzelhandelsspitzenmieten im Berichtsjahr 2020 unter Druck geraten. Stagnierende Spitzenmieten ließen sich in Dresden, Hannover und Magdeburg feststellen; steigende allein in München. In allen übrigen DIP-Standorten sanken die Spitzenmieten binnen Jahresfrist um 5 % bis 20 %. Gemessen an den absoluten Werten sind die Spitzenmieten an den weiteren fortlaufend untersuchten DIP-Standorten mit im Mittel 117,- €/m² ca. 59 % niedriger als in den marktführenden Einzelhandelsmetropolen.

Perspektiven und Investmentchancen

Die Corona-Pandemie hat das seit Jahrzehnten traditionell sehr hohe Vertrauen in die deutschen Immobilienmärkte eher noch gestärkt, auch weil das Investment in „Betongold“ angesichts anhaltender Nullzinspolitik auch im EU-Raum sowie geopolitischer und weltwirtschaftlicher Unsicherheiten eher noch an Attraktivität gewonnen hat. Allerdings erstreckt sich das nicht gleichermaßen auf alle Assetklassen. So zeigte eine Umfrage von Aengevelt Research vom Oktober 2020, dass 75 % der Marktakteure und Marktbeobachter eine sinkende Attraktivität der Investments in Einzelhandelsimmobilien sehen, weil 60 % einen dauerhaften Rückgang des Flächenbedarfs erwarten. Schon vor der Pandemie waren binnen 5 Jahren 29.000 Einzelhandelsstandorte aufgegeben worden, was 7 % des Gesamtbestands entsprach. Dieser Schrumpfungsprozess, der gleichzeitig mit Standortverlagerungen einherging, wird sich durch die Pandemie beschleunigen.

Im Jahr 2020 hat sich die Mehrzahl der Marktakteure zunächst abwartend verhalten. Nach Schockstarre von Mitte März bis Ende Mai 2020 lief das Transaktionsgeschehen im Sommer wieder an. Im Zuge der Corona-Pandemie nahm der Flächenumsatz in Citylagen gleichwohl um knapp 40 % ab. Im Gegensatz zu den Vermietungsquoten stieg jedoch das Transaktionsvolumen auf dem deutschen Investmentmarkt für Einzelhandelsimmobilien gegenüber dem Vorjahr um gut 4 % auf knapp 12 Mrd. € - ein typisches Signal für Unsicherheit und Abweichungen zwischen den Einschätzungen zukünftiger Entwicklungen. Dabei liegt die Spanne der Spitzenrendite als Nettoanfangsrendite für deutsche Retail-Immobilien (Geschäftshäuser) in den „Big Seven“ zwischen 2,3 % in München und 3,3 % in Stuttgart.

Wie sich das Jahr 2021 entwickeln wird, hängt von der Pandemie ab, insbesondere von der Dauer und Schärfe des/der Lockdown/s sowie den Corona-Hilfen und der schrittweisen Wirkungsentfaltung der ab Jahresanfang einsetzenden Impfung breiter Bevölkerungskreise ab. Mit weiteren Geschäftsschließungen wird zu rechnen sein, gerade auch an strukturschwächeren Standorten. Allerdings wird damit auch eine wachsende Transaktionsdynamik einhergehen, denn (Not)Verkäufe, Umnutzungen, Modernisierungen, Umgestaltungen. Revitalisierungen und Abriss/Neubau werden im Zuge des corona- und klimawandelforcierten Strukturwandels der Innenstädte. des Transportwesens (Ausbau ÖPNV, Lufttaxen, Drohnen) und des Einzelhandels beschleunigt und zunehmen.

Chancen für Investments in Einzelhandelsimmobilien liegen zum einen in den Nachholeffekten, wenn ein großer Anteil der Bevölkerung geimpft ist und die pandemiebedingten Einschränkungen aufgehoben werden. Zudem bietet der Lockdown auch die Chance, den stationären Einzelhandel und seine Immobilien so umzugestalten, dass er seine Vorteile gegenüber dem Online-Handel noch zielgruppenspezifischer zur Geltung bringen kann, so, beispielsweise durch die Revitalisierung von Quartieren und Innenstädten und Steigerung der Passentenfrequenz , durch bedarfsgerecht-attraktive Nutzungsmischungen, multifunktionale Nutzungskombination im gleichen Gebäude, 24/7-Nutzung, Erlebniskumulation oder moderne Retail-Konzepte wie z. B. Pop-Up-Stores.

Der Einkaufsstandort Innenstadt wird nicht sterben, aber er wird anders! In diesem anspruchsvollen Entwicklungsprozess liegen bei grundsätzlicher Stimmigkeit aller relevanten Faktoren die beachtlichen Chancen für Investments in Einzelhandelsimmobilien.





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