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24.02.2016 ZIA-Initiative WohnenPlus: Altersgerechtes Wohnen in Deutschland

Heute hat die Initiative WohnenPlus des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. ihr Positionspapier an Karl-Josef Laumann, Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit sowie Bevollmächtigter für Pflege, übergeben. „Der demografische Wandel ist eine der bedeutendsten Herausforderungen unserer Gesellschaft“, erklärt Dr. Andreas Mattner, Präsident des ZIA. „Die parallelen Trends „Bevölkerungsrückgang“ und „Alterung der Gesellschaft“ werden das Leben in Deutschland nachhaltig verändern. Wenn tatsächlich mehr ambulante Pflege in den eigenen vier Wänden statt stationärer Pflege in externen Einrichtungen das Ziel ist, ist dafür ein Umdenken in der Wohnungs-, Gesundheits- und Sozialwirtschaft sowie der Politik nötig.“

In Deutschland fehlen bis 2030 weitere rund 2,9 Millionen altersgerechte Wohnungen

Laut Statistischem Bundesamt wird sich die Bevölkerungszahl in Deutschland bis 2025 mit 79 bis 80 Millionen Menschen noch relativ stabil halten. Bis 2060 soll es jedoch abhängig von Zuwanderung nur noch ca. 65 bis 70 Millionen Einwohner in Deutschland geben. Zugleich steigt die Zahl der Älteren: 2035 werden mehr als 24 Millionen Menschen in Deutschland über 65 Jahre alt sein, bis 2050 gar jeder Siebte über 80 Jahre. Laut der im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) erstellten Prognos-Studie sind derzeit nur 600.000 bis 800.000 Wohnungen in Deutschland altersgerecht. Diese machen in etwa 1 bis 2 Prozent des Gesamtbestandes aus. Der Studie zufolge müsse die Wohnungswirtschaft bis 2030 rund 2,9 Millionen Wohnungen mit einem Investitionsvolumen von 50 Milliarden Euro baulich anpassen.

Vier Forderungen für die Förderungen von selbstbestimmtem Leben

„Um dem Wunsch nach eigenständigem Wohnen auch künftig Rechnung tragen zu können, sind zielgerichtete Investitionen in die Gesundheit im Alter und bessere altersgerechte, wohnortnahe Betreuung und Versorgung nötig. Problematisch ist die gegenläufige Entwicklung von Einkommen und Wohnkosten samt Pflege- und Servicekosten. Diese Schere bewirkt eine Verschlechterung der Lebenssituation vieler Älterer“, sagt Mattner.

Die Initiative WohnenPlus will den Staat mit diesen Problemen nicht alleine lassen und bringt sich mit eigenen Aufwendungen in die Quartierslösung ein. Außerdem will sie als dritte Säule ehrenamtliches Engagement in Form von regionalen Stiftungen aktivieren. Sie schlägt folgende Maßnahmen vor:

1. Schaffung eines „Bündnisses für altersgerechtes Wohnen“ im BMUB. Zudem sollte Bundeskanzlerin Merkel einen „Demografie-Tisch“ einberufen, um mit Sozialverbänden und Immobilienwirtschaft die dringlichsten Probleme zu besprechen.
2. Einsetzung einer „Enquetekommission Demografie“ nach § 56 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Die Kommission soll unterschiedliche Szenarien der demografischen Entwicklung unter Berücksichtigung der Zuwanderung und der Flüchtlingssituation sowie der Urbanisierung und deren Auswirkung auf den ländlichen Raum und bezahlbaren Wohnraum für eine älter werdende Gesellschaft untersuchen.
3. Eine Verstetigung und Aufstockung der jährlich 50 Millionen Euro Bundesmittel für das KfW-Programm "Altersgerecht Umbauen".
4. Schaffung von Infrastruktur durch Stiftungen im sozialen Umfeld für ein möglichst langes selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden. Dazu müssen Wohn-, Betreuungs- und Pflegeformen die vielschichtigen Bedürfnisse der Älteren berücksichtigen. Ehrenamtliche gesellschaftliche Solidarität muss aufgrund dem Trend zu Ein-Personen-Haushalten künftig viel stärker gefördert werden. Damit werden gleichzeitig die Kosten für die Pflege gesenkt, eine größere Breitenwirkung der Beiträge zur Pflegeversicherung erreicht, Familien – insbesondere die überwiegend pflegenden Frauen – entlastet und gesellschaftliche Solidarität gefördert.

Heutige Finanzierungsformen verhindern Entwicklung

Die aktuellen Finanzierungsformen sind für den altersgerechten Um- und Neubau nur bedingt tauglich. Typischerweise werden insbesondere bauliche Maßnahmen am Gebäude auf alle Mieter umgelegt. Dies ist aber nicht „fair“, wenn alle Bewohner dafür zahlen müssen, obwohl nur wenige die speziellen baulichen Leistungen nutzen. Eine Umlage nur auf die betreffenden Mieter würde allerdings zu einer Überlastung führen. Hier sind neue Finanzierungsformen zu definieren. Diese müssen den volkswirtschaftlichen Nutzen des Verbleibs in der Wohnung auf diejenigen verteilen, die dies erst ermöglichen. „Der Wohnungswirtschaft muss eine angemessene Rendite ermöglicht werden. Dafür ist diese bereit, dauerhaft fremdfinanzierte Maßnahmen speziellen Bedarfsgruppen beispielsweise mit Belegungsrechten zur Verfügung zu stellen“, meint Rolf Buch, Vorsitzender der ZIA-Plattform Wohnen und ergänzt: „Wir wollen als Wohnungswirtschaft unseren Beitrag für das Altwerden im Quartier leisten – der Mieter wird zum Kunden“.
Durch eine neue Kooperation von Pflegebedürftigen, Staat, Sozial- und Gesundheits- sowie Immobilienwirtschaft können für die Finanzierung und Implementierung neue Synergien entstehen. Durch diese Partnerschaften können Bewohner, Unternehmen und Sozialkassen gleichermaßen profitieren. Die Partnerschaft sieht folgende Einteilung vor:

1. Leistungen/Systeme, die das Wohnungsunternehmen kostengünstig/-frei bereitstellen kann
2. Leistungspakete, die über die staatliche Förderung begleitet werden (KfW-Förderprogramme, Umbau im Quartier, Städtebauförderung)
3. Leistungspakete, die durch die Pflegeversicherung übernommen werden

Moderne Quartierslösungen für gemischtes und altersgerechtes Wohnen

Die Aufgabe der Wohnungsunternehmen wird sein, die baulichen Voraussetzungen für ein langes Leben in der eigenen Wohnung bzw. der gewohnten Umgebung zu schaffen. Dies geschieht durch die Anpassung der Wohnungen im Inneren wie etwa der Bäder (Dusche statt Wanne, Griffe, rutschfeste Böden etc.) oder auch breitere Türen. Zudem können technische Assistenzsysteme (Ambient assisted living) Älteren helfen, sich in der Wohnung sicherer zu fühlen und den Alltag zu erleichtern. Doch auch das Gesamtgebäude muss betrachtet werden. Hier können Rampen und Aufzüge helfen, Barrierefreiheit herzustellen.

„Der Um- und Neubau von altersgerechten Wohnungen wird in den nächsten Jahren von der Ausnahme zur Regel werden müssen, um die demographischen Herausforderungen zu meistern“, erklärt Buch. „Altersgerechtes Wohnen bedeutet aber nicht nur, die baulichen Voraussetzungen zu schaffen. Gemischte Quartiere, in denen ältere Menschen, Familien und Singles gemeinsam wohnen, benötigen auch eine passende soziale Infrastruktur.“

Die Wohnungswirtschaft kann hier lokale Netzwerke initiieren, stärken und unterstützen. Diese Netzwerke aus gewerblichen Anbietern sowie Akteuren der Gesundheits- und Sozialwirtschaft können dabei helfen, in der eigenen Wohnung zu altern. Denkbar wären Quartiers-Concierge oder Quartierstreffpunkte, die beispielsweise als Begegnungsorte sowohl soziale als auch Versorgungsfunktionen übernehmen. „Dort, wo die sozialen Aspekte überwiegen, sind allerdings Zuschüsse der öffentlichen Hand notwendig, um die Miete bezahlbar zu halten und höhere Umlagen zu vermeiden“, sagt Buch.

Die staatliche Pflegeversicherung mit ihren Stufen findet Ergänzung durch privates Engagement

Zurzeit müssen pflegebedürftige Menschen, die keine pflegenden Angehörigen haben, entgegen ihren Wünschen häufig langfristig in ein Pflegeheim übersiedeln. Dort ist eine Betreuung rund um die Uhr garantiert, die Kosten sind allerdings sowohl für die Versicherer als auch die Zuzahlungen der Pflegebedürftigen sehr hoch. Pflegende Angehörige wiederum müssen häufig hohe Einbußen an Einkommen, Freizeit und teilweise Gesundheit hinnehmen. Unterstützung der Pflegebedürftigen in sozialen Bereichen ist immer noch ausreichend sicher gestellt. Ehrenamtliche Unterstützung oder Nachbarschaftshilfe sind bisher nur in zu geringem Ausmaß vorhanden und verlaufen kaum in strategischen und organisierten Bahnen.

„Durch eine systematische Kooperation der Wohnungswirtschaft mit der Gesundheits- und Sozialwirtschaft kann der Wunsch der allermeisten älteren Menschen erfüllt werden, auch bei körperlichen und geistigen Einschränkungen in der eigenen Wohnung zu bleiben. Ich freue mich ganz besonders, dass die Initiative WohnenPlus nicht ausschließlich auf die Politik schaut, sondern zunächst die Innovationskräfte der Wirtschaft anspricht und dazu ein konkretes Stufenkonzept vorlegt“, erklärt der Gesundheitsunternehmer und Vorsitzende der Initiative Gesundheitswirtschaft e.V., Prof. Heinz Lohmann. Die Initiative WohnenPlus schlägt dazu folgende Einteilung in Wohnpflegestufen vor:
• Wohnpflegestufe 1: Barrierearme Wohnung wird vorgehalten, Quartierstreffpunkte
• Wohnpflegestufe 2: Barrierearme Wohnung, Hausmeister-/Conciergedienste können abgerufen werden, Apotheken-Bringdienst, bürgerschaftliches Engagement im Quartier
• Wohnpflegestufe 3: Barrierearme Wohnung, Hausmeister-/Conciergedienste können abgerufen werden, Apotheken-Bringdienst, niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Menschen mit Demenz in der Pflegestufe 0
• Wohnpflegestufe 4: Barrierearme Wohnung, Hausmeister-/Conciergedienste können abgerufen werden, Apotheken-Bringdienst, niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Menschen mit Demenz in der Pflegestufe 1-3, quartierseigener Pflegedienst, Tagespflege, neue Wohnformen
• Wohnpflegstufe 5: In bestimmten Fällen ist dennoch die Unterbringung für den letzten Lebensabschnitt in einer stationären Einrichtung erforderlich. Werden jedoch die Wohnpflegestufen 1-4 angeboten, lässt sich die Verweildauer in einem Pflegeheim von durchschnittlich einem Jahr auf bis zu sechs Monate verkürzen.

Ehrenamt, Nachbarschaftshilfe und Stiftungen wirken mit

Neben Pflegeversicherung und Wohnungswirtschaft gewinnt das Ehrenamt an Bedeutung:
• Ehrenamtliches Engagement innerhalb und außerhalb der Familie senkt die Pflegekosten und steigert Effizienz und Menschlichkeit.
• Wohnungsunternehmen kooperieren mit ehrenamtlichen Akteuren.
• Das deutsche Stiftungswesen und die Wohnungswirtschaft sollten sich weiterentwickeln. Wohnungsgesellschaften können gewissermaßen als Stifterin einspringen: Ehrenamtliches Engagement muss an der Basis angeleitet werden durch regionale Stiftungen.
• Dafür ist es entscheidend, den Quartiersgedanken – also das durchmischte Zusammenwohnen von Jung und Alt – in Deutschland wiederzubeleben.




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