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01.04.2016 Innovationsbarometer 2016: Immobilienbranche hat Nachholbedarf

Steigender Transformationsdruck bringt die deutschen immobilienwirtschaftlichen Unternehmen zunehmend unter Zugzwang. Dies ist ein wesentliches Resultat des durch das Institute for Transformation in Business and Society (INIT) in Zusammenarbeit mit dem Real Estate Management Institute (REMI) der EBS Universität mit Unterstützung der Real I.S. AG durchgeführten Innovationsbarometers der Immobilienwirtschaft 2016. Interviews mit Experten aus den Teilgebieten Investment, Finanzierung und Dienstleistung haben zu dieser Bewertung geführt.

Die Unternehmen aus den Subsektoren befinden sich unter einem erheblichen Transformationsdruck, der die Kosten erhöht und interne Ressourcen bindet. Wesentliche Einflussfaktoren sind neue Technologien, sich verändernde Kundenwünsche, steigende Regulierungen durch das gesetzliche Umfeld und erschwerter Wettbewerb durch zunehmend gleichartige Produkte. Das Innovationsbarometer soll künftig jährlich erhoben werden, um die Notwendigkeit zur Anpassung der jeweiligen immobilienwirtschaftlichen Subsektoren zu messen und damit gleichzeitig die Notwendigkeit von Innovationen darzustellen. „Den höchsten Druck konnten wir bei den immobilienwirtschaftlichen Investoren messen“, sagt Prof. Dr. Peter Russo, Director des INIT. „Dicht dahinter folgen Finanzierer, mit etwas Abstand die immobilienwirtschaftlichen Dienstleister.“ Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen und die Etablierung von Internet-Plattformen hatten einen erheblichen Anpassungsbedarf bei Hausverwaltungen oder z.B. dem traditionelle Maklergeschäft erwarten lassen. Die damit verbundenen Herausforderungen betreffen aber nur einen Teil der Dienstleister, vor allem die im Privatkunden-Bereich. In den anderen Dienstleistungsbereichen ist der Druck durch Veränderungen von gesetzlichen Regelungen, Technologie und Kundenanforderungen bisher eher schwach wahrnehmbar.

Regulierung hemmt zukunftsfähige Geschäftsmodelle

Besonders im Subsektor Investment führen gesetzliche Vorschriften wie Basel III oder Solvency II zu Auflagen, die hohe Kosten mit sich bringen. Neue Systeme, Abteilungen und Personal müssen aufgebaut werden. „Doch nicht nur die Kosten der Regulierung sind dabei die Herausforderungen“, so Jochen Schenk, Vorstand der Real I.S. und Experte für die Sektoren Investment und Finanzierung. „Wir müssen uns neben dem Wandel selbst vor allem damit beschäftigen, dass regulatorische Maßnahmen das innovative Denken innerhalb des Unternehmens nicht ausbremsen.“ Um dem Innovationsdilemma entgegenzutreten, spielen die eigenen Mitarbeiter eine entscheidende Rolle. „Wir brauchen als Branche Mitarbeiter, die traditionelle Strukturen in Frage stellen, damit die Immobilienwirtschaft langfristig erfolgreich bleibt.“ Schließlich können auch etablierte Unternehmen mit funktionierenden Geschäftsmodellen den richtigen Weg in die Zukunft verpassen.

Wirtschaftszweig Immobilienwirtschaft: Disruption ist eine natürliche Bedrohung
Junge, innovative Unternehmen wie beispielsweise Uber, airbnb, WhatsApp, Google oder Facebook treiben Disruptionen mit neuen Ansätzen kraftvoll voran und bewirken einschneidende Veränderungen in lukrativen Branchen. Auslöser solcher Entwicklungen sind in den meisten Fällen neue technologische Möglichkeiten, Veränderungen in staatlichen Regulierungen oder ein sich änderndes Kundenverhalten, das nicht selten auf sich nachhaltig ändernden gesellschaftlichen Verhaltensweisen beruht. Konkrete Anzeichen für solche Disruptionen in der Immobilienwirtschaft, so zeigt es das Innovationsbarometer, sind bisher allerdings noch nicht erkennbar.

Ist Winterschlussverkauf bald eine Option im Maklergeschäft?

Im Vergleich zu anderen deutschen Schlüsselbranchen ist die Situation der Immobilienunternehmen zwar noch nicht so dramatisch wie bei den Automobilherstellern, den Retail-Banken oder den Medienunternehmen. „Jedoch sprechen sehr viele Anzeichen dafür, dass der Druck weiter steigen wird, insbesondere durch den Ertragsverfall in einem enger werdenden Wettbewerb und neue Marktteilnehmer, vor allem Internet-Plattformen, die mit innovativen Geschäftsmodellen und attraktiven Konditionen die etablierten Player angreifen“, so Prof. Jan Mutl, Leiter des REMI. Oftmals unterscheiden sich Produkte der Marktteilnehmer nur noch durch den Preis oder in seltenen Fällen durch Zusatzleistungen. Spürbare Veränderungen auf Kundenebene vollziehen sich bereits, laut Innovationsbarometer, beispielsweise indem Kunden tiefer in Geschäftsprozesse eindringen und mehr oder schneller Informationen einfordern. Auch der personalisierte Zugang zu individuell zusammenstellbaren Fakten kann ein Aspekt sein. Zudem werden fehlende Alleinstellungsmerkmale instrumentalisiert, Kundenbindung oder -gewinnung läuft vermehrt über bessere Konditionen ab. Auf den Punkt gebracht: Fehlende Differenzierung führt zur Erwartung von mehr Leistungsangebot für weniger Honorar.

Fremdwort Innovation

Wie die aktuelle Studie gezeigt hat, steigt der Transformationsdruck und damit die Notwendigkeit von Innovationen. „Offensichtlich können zahlreiche immobilienwirtschaftliche Unternehmen den immer stärkeren Veränderungen nicht oder nur unter großen Mühen standhalten, weil sie über Dekaden hinweg gelernt haben, Innovation im besten Fall als die kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer bestehenden Produkte und Dienstleistungen innerhalb eines gegebenen Geschäftsmodells zu verstehen. Nur so ist zu erklären, dass viele Unternehmen mit ihren heutigen Angeboten deutlich über das Ziel hinausgeschossen sind und ihre Kunden mit einer Flut von Produktvarianten und komplizierten Strukturen überfordern“, erklärt Russo. Genau das stellt für die Immobilienunternehmen eine große Herausforderung dar, da der Prozess einer immerwährenden Konzentration auf schrittweise Verbesserungen bei den meisten Unternehmen eine Kultur hat entstehen lassen, die von Risikoscheue und Prozessgetriebenheit gezeichnet ist. Wirkliche Innovation geht weit über die reine Anpassung bestehender Produkte hinaus. „In vielen Fällen führt der Transformationsdruck nur dazu, bestehende Prozesse anzupassen und zu optimieren“, so Schenk. „Hier fehlt dann jedoch die Anders- und Neuartigkeit.“



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