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11.07.2016 Studie: Produktionsnahe Immobilien – Flexibilität ist gefordert

Steigender internationaler Wettbewerb und die Auswirkungen der Digitalisierung (Industrie 4.0) werden in den nächsten Jahren die produzierenden Unternehmen am stärksten beeinflussen. Beide Entwicklungen werden auch den Bedarf an produktionsnahen Immobilien bzw. Unternehmensimmobilien verändern.(1) Gefragt sind bei den Nutzern künftig vor allem eine hohe Flexibilität im Flächenportfolio, Kosteneffizienz und Erfahrungen im Development oder Redevelopment von Objekten. Kosteneffizienz wird zwar ebenfalls häufig gefordert, scheint derzeit aber eine weniger wichtige Rolle zu spielen als Portfolioflexibilität. Das sind wesentliche Ergebnisse aus einer Studie, die von den Hochschulprofessoren Tobias Just und Andreas Pfnür im Auftrag des Immobilienentwicklers und Vermieters Aurelis Real Estate GmbH & Co. KG durchgeführt wurde.

Die übergeordnete Aufgabe war es herauszufinden, ob produktionsnahe Immobilien ein Wachstumssegment für Asset Manager und Immobilieninvestoren darstellen, ob die Marktpotenziale erkannt und ausgenutzt werden und wie sich die Anforderungen der Marktteilnehmer verändern. Dafür wurden Corporate Real Estate Manager und Finanzvorstände von über 300 großen deutschen, mittelständischen Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe kontaktiert. Mit einem Rücklauf von über 22 Prozent handelt es sich um die größte bisher in Deutschland durchgeführte Befragung zu diesem Thema.

Bestand an produktionsnahen Immobilien auf 600 Milliarden Euro geschätzt

Zunächst wurde der Wert des deutschlandweiten Bestands an produktionsnahen Immobilien geschätzt: Aufbauend auf früheren Schätzergebnissen für den gesamten gewerblichen Immobilienbestand, ermittelten die Autoren den Bestand für produktionsnahe Immobilien. Dabei wurden ausschließlich die Segmente Fabrik- und Werkstattgebäude sowie Handels- und Logistikflächen zusammengerechnet. Dies entspricht ungefähr einem Fünftel des gesamten Gewerbeimmobilienvolumens und damit etwa 600 Milliarden Euro.

Digitalisierung verändert Wertschöpfungsprozess – Globalisierung erhöht Wettbewerbsdruck

Tobias Just erwartet den größten Strukturwandel der letzten Jahrzehnte im Produzierenden Gewerbe. Die Wettbewerbspositionen jedes einzelnen produzierenden Unternehmens stünden dabei ebenso auf dem Prüfstand wie die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie insgesamt.

Die wichtigsten Treiber des Strukturwandels sehen die Befragungsteilnehmer in steigendem Wettbewerb (Zustimmungsquote 78,8 Prozent), Globalisierung (47,0 Prozent) und Digitalisierung (42,2 Prozent). 66,1 Prozent der Befragten denken, die Digitalisierung werde oder könne dazu führen, dass Fertigungsflächen künftig stärker durch Büro- oder Serviceflächen ersetzt werden. Ob Fertigungsprozesse durch die Digitalisierung aus Billiglohnländern wieder nach Deutschland zurückgeholt werden könnten, wird hingegen eher vorsichtig eingeschätzt. Nur 8,2 Prozent der Befragten stimmen zu, 27,9 Prozent halten dies indes für möglich.

Der Wert flexibler Flächen steigt

Anpassungsfähigkeit wird für die Nutzer künftig das vordringliche Ziel sein: 63,6 Prozent der Befragten geben an, dass ihr Bedarf an flexibel nutzbaren Flächen ansteigen wird. „Dabei geht es zum einen um Flexibilität im Immobilienportfolio, also die Möglichkeit, kurzfristig Flächen zusätzlich nutzen oder abstoßen zu können, wenn sie nicht mehr benötigt werden.“ erklärt Andreas Pfnür. „Zum anderen können in Zukunft Produktionsflächen stärker durch Büro-, Service- oder Lagerflächen ersetzt werden. Dieser wesentliche Erfolgsfaktor erfordert jedoch sehr viele Ressourcen im Immobilienmanagement und die Bereitschaft, in diese Assetklasse zu investieren.“

Spezifität von produktionsnahen Immobilien wird überschätzt

Industrieunternehmen müssen sich mit ihrer Inanspruchnahme von Flächen rasch auf veränderte Wettbewerbssituationen anpassen, daher gewinnt das Thema Drittverwendungsfähigkeit an Bedeutung. Andreas Pfnür klärt über einen gängigen Irrtum auf: „Kapitalgeber vermuten häufig, dass Fertigungsprozesse spezifisch sind, daher müssten es auch die Immobilien sein, in denen sie stattfinden. Diese angeblich begrenzte Drittverwendungsfähigkeit führt zu einer Zurückhaltung von institutionellen Investoren gegenüber der Assetklasse produktionsnaher Immobilien. Für uns war überraschend, dass viele Nutzer die Spezifität vieler ihrer Gebäude als allenfalls moderat bewerteten: Zwei Drittel der Befragten halten es für wahrscheinlich oder möglich, dass ihr Unternehmen am Markt Bestandsimmobilien findet, und umgekehrt, dass Objekte aus dem eigenen Bestand für Dritte geeignet sind.“

Und nicht nur bei der Objektauswahl, auch bei der Standortwahl achten Produktionsunternehmen auf dieselben Kriterien: Verkehrsanbindung (für 89,2 Prozent der Befragten relevant), Nähe zu qualifizierten Arbeitnehmern (78,5 Prozent) und Kundennähe (64,6 Prozent). Daraus dürfe geschlossen werden, so Pfnür, dass ein großer Teil des 600-Milliarden-Euro-Volumens marktfähig sei – ein mögliches Indiz dafür, dass die hohe Eigentumsquote in Deutschland keine objektbezogenen, sondern eher organisatorische oder institutionelle Gründe habe.

Anlagedruck lässt das Interesse von institutionellen Investoren steigen – es fehlt jedoch an Erfahrung

Zwischen 40 und 50 Prozent der Unternehmen gaben an, dass sie ein wachsendes Interesse von Investoren an produktionsnahen Immobilien verspüren, auch an den B- und C- Standorten. „Dies deckt sich mit unseren Erfahrungen und mit den Ergebnissen früherer Marktuntersuchungen. Sie zeigen bereits seit einigen Jahren, dass sich mit Unternehmensimmobilien deutlich höhere Cashflow-Renditen gegenüber etablierten Assetklassen wie Büro oder Handel erzielen lassen.“ berichtet der CEO von Aurelis, Joachim Wieland. Der Trend zu lohnenderen Investments sei die logische Folge.

Gleichzeitig fehlt das Expertenwissen bei den Investoren und verhindert somit den Durchbruch. Nach Einschätzung der Befragten kennen sich fast zwei Drittel (61 Prozent) der Eigen- und Fremdkapitalgeber nicht mit den produktionsnahen Immobilien der Unternehmen aus. Hinzu kommt, dass nach Auskunft der Befragten 42,6 Prozent der Eigenkapitalgeber und sogar 67,3 Prozent der Fremdkapitalgeber nicht verstehen, wie Immobilien und deren Management zum Unternehmenserfolg beitragen können. Mangelnde Markt- und Portfoliotransparenz dürfte hier die Ursache sein: Lediglich 35 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie über ein Benchmarking verfügen, um den finanzwirtschaftlichen Wertbeitrag der Immobilienbestände zu dokumentieren. Somit könnte es hier eine Wechselwirkung der Tatenlosigkeit geben – ohne belastbares Zahlenwerk trauen sich Investoren noch zu wenig an diese Objekte und ohne dieses Interesse fehlt der Anreiz zum Aufbau eines Benchmarkings.

Je niedriger die Eigentumsquote, umso klarer werden Chancen erkannt

Zwei von drei Unternehmen sind bereit, nicht mehr benötigte Objekte zu verkaufen. Allerdings haben 48,4 Prozent der Unternehmen keinerlei Erfahrungen mit solchen Transaktionen. Interessantes Ergebnis der Befragung: Je niedriger die eigene Eigentumsquote ist, umso höher wird das dadurch zu erzielende Einsparpotenzial geschätzt. Für Just ist die Schlussfolgerung klar: „Unternehmen mit höheren Eigentumsquoten haben sich noch nicht hinreichend über die Vorteile der Senkung von Eigentumsquoten informiert.“

Flexibilität, Kosteneffizienz und Redevelopment-Erfahrung gefordert

92,4 Prozent der Unternehmen sehen in der Flexibilisierung des Immobilienportfolios den strategischen Schwerpunkt eines zukunftsgerichteten Asset Managements. Kosteneffizienz steht an zweiter Stelle: 54,5 Prozent der Befragten sehen in der wirtschaftlichen Bereitstellung der Flächen eine große Herausforderung. Mit 51,5 Prozent der Nennungen ist das Redevelopment bestehender Standorte am drittwichtigsten, gleichzeitig haben aber 45,5 Prozent der Unternehmen keinerlei Erfahrung damit.

Outsourcing-Bereitschaft enorm gestiegen

Just sieht das Verarbeitende Gewerbe am Scheideweg: „Die Unternehmen müssen immobilienwirtschaftlich die richtigen Voraussetzungen schaffen, um aus dem kommenden Strukturwandel im Wettbewerb gestärkt hervorzugehen. Das derzeit ungenutzte Potenzial in den Immobilienportfolien lässt sich oftmals durch Outsourcing von Immobilienmanagement realisieren.“

Und die Outsourcing-Bereitschaft wächst tatsächlich. Im technischen oder infrastrukturellen Gebäudemanagement (82 Prozent bzw. 77 Prozent), bei der Transaktionsberatung (66 Prozent) oder beim Redevelopment (65 Prozent), bei der Vermietung/Verpachtung nicht betrieblich genutzter Flächenanteile (60,0 Prozent) und beim kaufmännischen Gebäudemanagement (56 Prozent). Selbst bei der Flächenbedarfsermittlung und der Immobilienportfolioplanung – hier galt Outsourcing noch vor wenigen Jahren als undenkbar – zeigt sich mit einer Outsourcing-Bereitschaft von 30 Prozent ein positiver Trend. Die tatsächlichen Outsourcing-Potenziale werden sogar noch höher eingeschätzt. Hier liegen die Werte zwischen 56,6 Prozent und 75,2 Prozent der Aufgabenbereiche.

Potenzial muss gehoben werden

Wieland ist überzeugt, dass die Befragungsergebnisse die Vorteile von ganzheitlichen Wertschöpfungspartnerschaften nahelegen: „Der beschriebene Strukturwandel zwingt Produktionsunternehmen zum strategischen Handeln. Das Potenzial des Marktes muss nun gehoben werden. Der Nutzer braucht einen Asset Manager, der Reaktionsschnelligkeit und Flexibilität sowie Projektentwicklungskompetenz gewährleistet. Der Kapitalmarkt hingegen muss die Unternehmensimmobilien in der Hand von jemandem wissen, der sich mit dieser Assetklasse auskennt und sie aufgrund seiner nachgewiesenen Erfolge investierbar macht. Diese Anforderungen sind durchaus kompatibel.“

Die Aurelis erbringt ihre Leistungen allerdings nur für eigene Immobilien. Als Eigentümer habe man ein besonderes Interesse daran, den Nutzer zufrieden zu stellen und die Immobilie gleichzeitig zukunftsfähig zu halten. „Wir erwerben die Immobilien, investieren und betreuen sie in der Regel anschließend auch. Dafür muss man bereit sein, immer wieder auf veränderte Anforderungen der Unternehmen zu reagieren.“ so der Aurelis-CEO. Wichtig sei es aber auch, die eigenen Grenzen zu kennen: „Wir prüfen schon vor dem Erwerb genau, ob wir zu dem Standort oder zu dem Objekt eine Idee für die spätere Nachnutzung haben. Wenn wir dann den Eindruck haben, dass die Immobilie zu spezifisch ist, lassen wir die Finger davon.“ versichert Wieland. „In diesem Fall ist das Objekt in den Händen des Nutzers besser aufgehoben.“

(1) Die Begriffe „Produktionsnahe Immobilien“ und „Unternehmensimmobilien“ sind hier vergleichbare Typologien. Bezieht sich die erste Bezeichnung auf „Immobilien, die für Fertigungs- und Logistikprozesse der Leichtindustrie bzw. gemischte Produktion benötigt werden“, so wird die zweite definiert mit „Gemischte Gewerbeparks, Objekte für Lager/Logistik und leichte Produktion sowie Transformationsimmobilien“. Auch der Begriff der „Light Industrial-Immobilien“ ist passend.





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