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12.07.2016 Online-Vermittler: Wohnen ja – Gewerbeflächen quasi unmöglich

Seit etwa eineinhalb Jahren schießen Internetfirmen für die Immobilienvermittlung wie Pilze aus dem Boden. Sie versuchen, klassische Maklerleistungen online abzubilden und Vermieter und Mieter oder – seltener – Verkäufer und Erwerber zusammenzubringen. Für einige Bereiche der Wohnimmobilienvermarktung können diese Plattformen durchaus eine Alternative zum bisherigen Maklergeschäft sein. Bei Gewerbeflächen sieht es jedoch anders aus. Hier ist viel mehr die Beratungs- und Vermarktungskompetenz eines Immobilienexperten gefragt. Gewerbemietverträge werden zudem immer individuell verhandelt. Dies macht eine standardisierte reine Online-Vermarktung quasi unmöglich.

Die Einführung des Bestellerprinzips im Juni vergangenen Jahres war Anlass für die Gründung vieler Start-ups, die in die Immobilienvermittlung einstiegen. Mittlerweile tummeln sich über 60 Firmen im Netz, die virtuell die Vertragspartner zusammenbringen möchten. Ihre Leistungen sind in der Regel günstiger als bei Maklern aus Fleisch und Blut. Dass sich diese sogenannten Prop-Tech-Firmen (von: Property Technology) auf die Vermittlung von Wohnimmobilien fokussieren, kommt nicht von ungefähr. Bei der Vermarktung von Gewerbeflächen haben die Kunden höhere Anforderungen. So sind beispielsweise Verträge im Gegensatz zu Wohnungsmietverträgen nicht standardisierbar. Dies ist ein Hemmnis, das es Online-Maklern erschwert in diesem Bereich Fuß zu fassen. Ihr Geschäftskonzept basiert auf einfach abbildbare, automatisierbare Prozesse. Mieter und Vermieter werden über Algorithmen und den Abgleich der Daten wie der Einkommensverhältnisse des Interessenten zusammengebracht. Aber auch weitere Faktoren sprechen gegen eine virtuelle Gewerbeflächen-Vermittlung.

Bei der Vermittlung von gewerblichen Mietverträgen für Büros und Einzelhandelsflächen geht es meist um Miethöhen von monatlich mehreren tausend Euro. Verträge dieser Größenordnung wollen die wenigsten Vertragspartner anonym und online abschließen. Außerdem werden Gewerbeverträge – im Gegensatz zu Wohnungsverträgen – immer zwischen beiden Vertragsparteien ausgehandelt. Hierbei nimmt der Makler eine wichtige Vermittlerrolle ein. „Die Miethöhe orientiert sich im Gewerbebereich an der Mietdauer, möglichen Verlängerungsoptionen, Staffel- oder Indexierung, Rückgabemodalitäten, Konkurrenzschutz und der Frage, ob der Vermieter Umbauarbeiten trägt oder ob diese der Mieter übernimmt“, erläutert Uwe Mortag, Geschäftsführer der Larbig & Mortag Immobilien GmbH. Die Berater haben sich unter anderem auf die Vermittlung von Büro- und Einzelhandelsflächen im Großraum Köln/ Bonn spezialisiert. In der Regel seien die Verträge so komplex, dass beide Seiten Rechtsanwälte für deren Ausarbeitung hinzuziehen.

90 Prozent der Gewerbeflächennutzer verlangen individuell angepasste Räume

Zudem wollen über 90 Prozent aller Gewerbemieter an ihre Bedürfnisse angepasste Flächen. „Das läuft ähnlich wie beim Automobilbau, wo jeder Wagen individuell konfiguriert wird“, so Experte Mortag. Im Gewerbeflächenbereich haben die Mieter besondere Ansprüche an die Grundrisse (Einzel- oder Großraumbüros mit Projektbereichen und einer gewissen Anzahl an Besprechungsräumen, Größe der Küche etc.) und die Ausstattung von Empfangsbereich, Beleuchtung und Bodenbelägen. Gerade Büromieter mit Kundenverkehr legten Wert auf repräsentative Foyer- und Besprechungsbereiche. Bei vielen Umbauten muss dafür das jeweilige Landesbaurecht beachtet werden. Da darin teils unterschiedliche Regeln gelten, ist es schwer, hierbei Standards zu finden, die sich online abbilden lassen. Dies gilt beispielsweise auch bei der Frage, wo und in welcher Größe an der Gebäudefassade Firmenwerbung des Mieters angebracht werden darf.
Üblich sei es laut Mortag zudem, mietfreie Anfangszeiten oder andere Incentives zu verhandeln, wenn der lokale Gewerbemarkt entspannt ist oder sich das Ladenlokal in einer Nebenlage befindet.

Auch sei ein professioneller Immobilienexperte gefragt, wenn es um komplexe Vertragsabschlüsse geht. Wenn etwa ein Nutzer seine Bürofläche verkaufen und im Anschluss anmieten möchte (Sale-Lease-Back). Oder er reibungslos mehrere Büroflächen in einem neuen Gebäude zentralisieren und doppelte Mietkosten vermeiden will.

Auch diese Fälle können Prop-Techs schwerlich abbilden. Wenngleich Mortag einschränkt, dass es durchaus Gewerbeflächen gibt, die online vermarktbar seien. Er denkt dabei an Bürocenter oder Co-Working-Places. Diese hätten Standardgrößen sowie bereits voll ausgestattete Arbeitswelten und seien durch Verträge, die in der Regel auch Leistungen wie Wlan-Nutzung, Reinigung und alle Nebenkosten beinhalten, weitgehend normiert. Diese Flächenart mache allerdings nur einen äußerst geringen Teil des Gesamtflächenmarktes aus und richte sich eher an temporäre Nutzer als an langfristige Mieter, so Mortag.

Die Branche der Immobilienmakler muss sich aber insgesamt der Onlinewelt anpassen. So ist es für professionelle Beratungsunternehmen Standard, einen professionellen Webauftritt, ein Kundeninformationssystem, einen eigenen Immobilienmarktplatz auf der Firmenhomepage oder ähnliches anzubieten. Gewissermaßen muss sich die Branche den allgemeinen Veränderungen der Arbeitswelt sowie der Kommunikation im B2B-Geschäft anpassen. „Wir versuchen proaktiv neue Wege einzuschlagen. Bereits vor über fünf Jahren haben wir ein eigenes Online-Tool zur Planung von Grundrissen für Mieter entwickelt. Dieses beinhaltete auch den ersten Flächenrechner für Bürosuchende. Darüber hinaus haben wir unseren eigenen Marktplatz für Bürosuchende in Köln online betrieben, welcher heute in der Firmenhomepage integriert ist.“ berichtet Mortag.






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