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16.09.2021 Stadtgespräch: Lehren der Vergangenheit, Visionen für die Zukunft

V.l.: Ilka Groenewold, Moderatorin; Lothar Schubert, Geschäftsführer von DC Developments; David van Traa, General Manager Zuidas, Amsterdam; Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH. Fotocredit: BEiL² - Die PR-Strategen GmbH
Entsteht in Quartieren eine „Verdorfung“? Wie lassen sich Citys (wieder)beleben? Wie muss geplant und gebaut werden, damit Projekte von heute auch morgen noch sinnvoll genutzt werden können? Zum ersten „Stadtgespräch“ trafen sich Quartiers- und Projektentwickler aus Deutschland und den Niederlanden.

„Der Mega-Trend Urbanisierung, also der Zug der Menschen in die Städte, erfordert unter anderem die Herstellung vieler verschiedener Nutzungsbausteine in einem Quartier“, sagt Lothar Schubert, geschäftsführender Gesellschafter der DC Developments GmbH, Hamburg. Er weiß, wovon er spricht. Schubert ist seit Jahren maßgeblich an der Entwicklung der Hamburger HafenCity beteiligt. Wohnraum, Büros, Hotels und Einzelhandelsflächen, Kindergärten, Pflegeheime und Fitnesscenter sind hier in den vergangenen 20 Jahren entstanden. „Wir bauen ein Stück Stadt“, sagte Schubert auf dem ersten Stadtgespräch von DC Developments, einem neuen Format zum Dialog zwischen Stadt-, Quartiers- und Projektentwicklern. „Quartiere folgen den Bedürfnissen der Urbanisierung und den Menschen, die dort leben. Die sind heute anders als sogar vor einem Jahrzehnt gedacht. So stehen heute Nachhaltigkeit, Work-Life-Balance, Mobilität und die Chancen der Digitalisierung im Fokus.“ Gebäude müssten so konzipiert werden, dass sie möglichst flexibel zu nutzen sind. Dem stimmt Professor Jürgen Bruns-Berentelg zu, Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH. „Stadt ist ein adaptives System, das immer weiterentwickelt werden muss.“

Es gelte, Gebäude und Infrastruktur zu schaffen, die vielerlei Nutzungen möglich machen, selbst solche, an die zu Beginn einer Entwicklung noch gar nicht gedacht wurde. Dem stimmt auch David van Traa, General Manager des Quartiersprojektes „Zuidas“ in Amsterdam zu: „Wir sollten nicht denken, wir könnten alles detailliert vorausplanen. Unsere Verantwortung als Entwickler ist es, eine Basis für unterschiedliche Menschen und ihre Leben zu schaffen, die wachsen und sich verändern kann.“ Quartiere müssten „atmende Systeme“ sein, die sich über die gesamte Entwicklungs- und Bauphase immer wieder neuen gesellschaftlichen Bedürfnissen anpassen können, sagt auch Bruns-Berentelg. Lothar Schubert selbstkritisch: „Wir haben vor zwei Jahrzehnten den Trend zur Elektromobilität unterschätzt, hätten deutlich mehr E-Stellplätze für Pkw in den Garagen bauen müssen.“ Künftig werde man diese Lehre nutzen. Zukunftsorientierte Projektentwicklung müssen der neuen Mobilität gerecht werden – mit Elektrostellplätzen, Wegen für Fahrrad- und E-Scooterfahrer.

Städte müssen einen lebendigen Mix bieten

Quartiers- und Projektentwickler, da sind sich Lothar Schubert und Jürgen Bruns-Berentelg einig, müssen aktuell vor allem dem Wandel der Städte Rechnung tragen. Straßen, in denen bisher Einzelhandel vorherrschte, beispielsweise Modegeschäfte, werden künftig gemischter aussehen: So werden hier z. B. auch Gastronomie, Supermärkte oder Arztpraxen verortet, in hinteren Bereichen der Gebäude möglicherweise Packstationen von E-Commerce-Unternehmen. Büros wiederum werden zunehmend zu inspirierenden Orten werden müssen, an denen Kreative und Mitarbeitenden unterschiedlicher Abteilungen nebeneinander und miteinander arbeiten, sich gegenseitig helfen und intellektuell „befruchten“. Büros werden zu Orten, die dazu beitragen, dass Innovationen geschaffen werden, wo sich die Menschen gern aufhalten.
Einig sind sich die Entwicklungs-Profis auch in der Überzeugung, dass Stadtverwaltung, Investoren, Stadt-, Quartiers- und Projektentwickler den kontinuierlichen Dialog pflegen müssen. Insbesondere gelte es, nachhaltige Lösungen zu schaffen, neue Mobilitäts- und Energiekonzepte zu integrieren und soziales Miteinander zu fördern.

David van Traa führt an: „In den letzten zwei Jahrzehnten haben wir ökonomisches Wachstum genutzt, um qualitativ hochwertige Gebäude und Infrastruktur zu entwickeln. Gelernt haben wir viel zum Beispiel, wie in Quartieren mit Lärm umgegangen werden muss.“ Nachhaltigkeit und soziale Aspekte blieben Herausforderungen: „Eines der wichtigsten Ziele ist, künftig Städte zu bauen in hoher Qualität für Menschen unterschiedlicher Einkommenslevel.“ Das sei auch wichtig für den lebendigen Mix, „den Menschen in einer City erwarten und der die Identität einer Stadt ausmacht“.

Interaktions- und Rückzugsräume werden gebraucht

Vielfältigkeit ist auch für Jürgen Bruns-Berentelg der Schlüssel zur Attraktivität einer Stadt und einer Identifikation der Menschen mit ihr. Metropolen müssten soziale Kontakte fördern und Anonymität garantieren: „Beides muss die Stadt leisten.“ Von einer „Verdorfung der Städte“ will Jürgen Bruns-Berentelg indes nicht sprechen. Lothar Schubert hält die Bezeichnung für ein Quartier „Dorf in einer Stadt“ dagegen für ein Kompliment: „Sagt der Ausdruck doch: Es ist hier so gemütlich.“ Schubert betont, dass Projekte in Metropolen wie Hamburg mit rund 50 Prozent Single-Haushalten wichtig sind, die sowohl Interaktions- als auch Rückzugsräume bieten: „Noch gibt es in Hamburg leider keine geförderten Co-Living-Projekte.“ Lothar Schubert glaubt nicht, dass Quartiere in Stadtrandlagen subventioniert werden müssen. Diese Quartiere sehen zudem anders aus, betont der Projektentwickler: „Es gibt vielleicht kein CarSharing und kein Co-Living, aber dafür einfachere Architektur und größere Grundstücke für Gardening.“





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