News RSS-Feed

23.08.2022 Fachtagung: Zukunftssicheres Gebäudemanagement mit BACnet

Fotocredit: ICONAG
Fabrikats- und herstellerunabhängige Systeme für das technische Gebäude- und Energiemanagement benötigen alle größeren Immobilienportfolios. Zur Vernetzung ihrer technischen Anlagen hat sich daher das BACnet-Protokoll bei vielen Bauherren und Betreibern durchgesetzt. Doch das Protokoll allein bringt keine Zukunftssicherheit. Die Bedingungen für den herstellerneutralen Einsatz von BACnet in größeren Immobilienportfolios für ein energie- und kosteneffizientes Management beleuchteten Experten anlässlich der Fachtagung am 21. Juni 2022 im Gutenberg Digital Hub in Mainz. Eingeladen hatte die ICONAG-Leittechnik GmbH in Idar-Oberstein, unterstützt von den Sponsoren GEZE GmbH und Somfy. Prominenz der Gebäudeautomation-Szene sowie Betreiber großer Immobilienportfolios und Planer waren angereist.

Notwendigkeit von BACnet Vorgaben
Für ein zukunftssicheres und digitalisierbares technisches Gebäudemanagement (GA) ist es nicht ausreichend, nur den BACnet-Standard nach AMEV oder anderen Regelwerken vorzuschreiben. Diese Erfahrung macht sicher jeder, der mehrere Gebäude mit GA-Systemen unterschiedlicher Hersteller von zentraler Stelle aus managen möchte.

Warum das so ist, stellte BACman Hans Kranz in seiner Keynote der Tagung eindrücklich dar: „Als die GA-Weltnorm ISO 16484 zwischen 1995-2005 formuliert wurde, herrschte der sogenannte Buskrieg“. Man musste den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Profibus, FND, LON, EIB/KNX und BACnet finden. Und diesen sahen die zukunftsweisenden BACnet-Objekte und -Properties nicht vor. Dadurch entstand eine Normungs-Lücke. Da die Bauherren und deren Planer gemäß geltender Norm zu der Verwendung der BACnet-Objekte und deren Properties keine Vorgaben machten, nutzte der Markt dies geschickt, um unter dem Deckmantel von BACnet den Bauherren bei Erweiterungen auf den Erstlieferanten festzulegen. Dies machte die Fabrikats- und Herstellerunabhängigkeit des Bauherrn zunächst unmöglich.

„Diese Normungslücke ist bis heute die Ursache für Medienbrüche zwischen Bauherrenvorgaben, Planungsoutput, Engineering und Betrieb von GA-Systemen“, führte Prof. Dr. Rupert Fritzenwallner vom Österreichischen Bundesheer (ÖBH) weiter aus. Gemeinsam mit Hans Kranz ist er Autor des vielbeachteten Fachbuches „Der digitale Zwilling der Gebäudeautomation mit BACnet“. In diesem beschreiben die beiden Experten unter anderem, wie das in der GA-Planung bewährte Werkzeug der GA-Funktionsliste erweiterbar ist um die Bauherrenvorgaben und die Vorgaben der Errichter, um zum BACtwin zu kommen (siehe auch den Beitrag im BACnet Europe Journal 32 03/20).

Das ÖBH setzt den BACtwin mittlerweile seit vier Jahren erfolgreich ein, insbesondere um die Ziele des Green Deals der EU-Kommission, der angestrebten Kreislaufwirtschaft und der klimaneutralen Gebäudebewirtschaftung zu erfüllen. Zusätzlich zeigte Prof. Dr. Fritzenwallner auf, welche weiteren Potenziale sich durch den Einsatz des Internet der Dinge (IoT - Internet of Things) und Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) in Verbindung mit dem BACtwin ergeben.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nutzung von BACnet im Immobilienportfolio
Damit der BACtwin von Bauherren und Betreibern eigener und größerer Immobilienportfolios erfolgreich eingesetzt werden kann, bedarf es einiger Voraussetzungen. Eine davon ist die Interpretierbarkeit von Daten, wie Christian Wild, Gründer und Geschäftsführer der ICONAG-Leittechnik bereits in seiner Begrüßung darstellte. Ohne interpretierbare Daten gibt es keine Digitalisierung, zum Beispiel durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), wie das Schaubild der Treppe zur KI verdeutlicht (siehe Abb.1).

Zentrales Schlüsselelement des BACtwin-Datenmodells ist daher das Benutzeradressierungssystem (BAS), häufig auch als Kennzeichnungssystem bezeichnet. Zu dieser Erkenntnis kamen Jürgen Hardkop (Obmann im Arbeitskreis BACtwin beim AMEV - Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen) und André Höhne (Mitglied im Arbeitskreis). Da vorhandene BAS nicht für BACtwin optimiert und nicht maschinenlesbar sind, hat der AMEV-AK BACtwin ? in Fortführung der VDI 3814 ? einen neuen, leistungsfähigen BACtwin-BAS (E) entwickelt und auf der Tagung erstmals vorgestellt. Dieser ist maschinenlesbar, benutzerfreundlich und zukunftssicher. Mit Hilfe des BACtwin-BAS können Maschinen die Dateninhalte erkennen und eindeutig interpretieren. Prüf-Tools können die Massendaten für Planung, Ausführung und Betrieb 1:1 validieren. IT-basierter Datenaustausch erlaubt einfache, schnelle und fehlerfreie Handhabung in GA-Projekten.

Zukunftssicherheit ohne Fabrikats- und Herstellerabhängigkeit erreicht ein Bauherr nur, wenn er den BACtwin fordert. „Dafür müssen BAS sowie die BACnet-Profile und Objekt-Templates für die geplanten Aggregate-, Baugruppen- und Anlagen der Raum- und Anlagenautomation festgelegt und über ein BACnet Lastenheft bei Ausschreibung und Vergabe durchgesetzt werden“, führte Daniel Rörich aus, zuständig für die BACnet-Beratung von Bauherren bei ICONAG.

Ein einfaches und effizientes BACtwin-Prüfverfahren stellte der GA-Datenpionier Bernhard Ramroth von Excel-for-you vor. Mit seinem auf Excel-basierenden Prüftool zeigt er auf, wie im Rahmen von Umsetzung und Abnahme sehr einfach überprüft werden kann, ob alle Automationsstationen unabhängig von Fabrikat und Hersteller gemäß den BACtwin-Vorgaben eingerichtet wurden. So wird auch der Verwendung proprietärer oder gar versteckter Properties ein Riegel vorgeschoben.

Klare Vorteile für Betriebsführung und Management dank BACtwin
Auch wenn die Formulierung der BACtwin-Vorgaben einen gewissen Planungsaufwand bedeutet und bei Herstellern proprietärer Lösungen sicher nicht auf Gegenliebe stößt, sind die Vorteile für Bauherren klar. Christian Wild, Geschäftsführer der ICONAG-Leittechnik zeigte auf, wie groß die Einsparung an Engineeringkosten aufgrund der Möglichkeiten der Management- und Bedieneinrichtung ist: „Sie liest die BACnet Automationsstationen aus und erkennt aus den Daten, um welche Anlage es sich handelt. Gleichzeitig zeigt sie die passenden, standardisierten Anlagenbilder und nimmt Alarm- und Zeitschaltkonfigurationen weitgehend automatisch vor – und dies alles unabhängig vom verwendeten Regelfabrikat.“

Wie die Verbindung der Gebäudeautomation mit dem BIM-Modell auf Basis des BACtwins möglich wird, stellte Thomas Bender vom Unternehmen pit-cup dar. Mit CAFM Connect hat der CAFM-Ring einen solchen Standard ins Leben gerufen. Dadurch können die BIM-Profile von Anlagen und Bauteilen als IFC-Datensatz in IT-Systemen abgebildet werden, zum Beispiel in der Management- und Bedieneinrichtung oder im CAFM-System. Prozesse des technischen Gebäudemanagements, beispielsweise für Wartung, Instandsetzung oder Energiemanagement, können so absprachefrei zwischen den unterschiedlichen Systemwelten digital umgesetzt werden.

Welche Chancen und Vorteile sich beispielhaft für die Integration von „Nebengewerken“ wie der Fenster- oder Türsteuerung ergeben, wurde sehr anschaulich von Jürgen Keller von der GEZE GmbH aufgezeigt. Das System Tür oder Fenster muss beispielsweise Daten und Funktionen für Gebäudeautomation, aber auch für Brand- und Einbruchsmeldeanlagen sowie Zutrittskontrolle bereitstellen. Auch hier bietet der BACtwin eine optimale Grundlage für die Standardisierung.

Für die Beschattung ergeben sich ebenfalls signifikante Vorteile, wie Dirk Mommaerts von der Firma Somfy, ausführte ? insbesondere zur Steigerung der Nutzerakzeptanz für die immer komplexer werdenden Automatisierungsanforderungen. Beim Einsatz von Funktionen wie einer komplexen automatischen Windüberwachung, eines Schattenmanagements und einer Sonnenstandsnachführung ? im Sinne der Energieoptimierung und Komfortsteigerung ? ist die maximale Transparenz für den Nutzer sowie eine nahtlose Anbindung an das Gebäudeautomationssystem in großen Projekten zwingend erforderlich. Die Hürden für beides wird durch den BACtwin deutlich reduziert.

Prof. Dr. Rupert Fritzenwallner, selbst erfahrener Bauherr, schließt die Tagung mit einem eindringlichen Appell an die anwesenden Bauherren: „Fordern Sie interoperable Lösungen für die Automationsstationen (AS) und die Management- und Bedieneinrichtung (MBE) und lassen Sie sich nicht mit vordergründigen Argumenten von proprietären Ansätzen beirren.“







Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!