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18.11.2019 Live City Summit: Was braucht die Stadt in digitalen Zeiten?

V.l.: Cohrs, Klaesener, Moerl, Werner, Dr. Buchholz, Seidel, Dr. Terberger, Voss. Copyright_Prelios_Immobilien_Management
In Anwesenheit von rund 120 Gästen fand vergangene Woche in Husum mit dem „Live City Summit“ die politische Eröffnung des THEO Shopping Centers statt. Im Zentrum stand die Frage „Was braucht die Stadt in digitalen Zeiten?“ Redner waren Dr. Bernd Buchholz (Wirtschaftsminister Schleswig Holstein), Peter Cohrs (Investor THEO), Martin Mörl (Prelios Immobilien Management), Dr. Daniel Terberger (Katag AG), Ekkehard Voss (Tchoban Voss Architekten) sowie Christoph Werner (dm Drogerie Markt). Moderiert wurde der Abend von Stefan Kläsener (Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag) und Uwe Seidel (Dr. Lademann und Partner).

Die Diskussion brachte im Ergebnis: Der Veränderungsdruck auf Handel und Innenstädte nimmt weiter zu. Die Gewinner dieser Entwicklung sind gut positionierte Mittelstädte, wie zum Beispiel Husum. Treiber der Entwicklung sind die Digitalisierung, aber auch Mobilität, Urbanisierung, Individualisierung, technologischer Fortschritt, Tourismus und der demografische Wandel. Ferner bestand Einigkeit darin, dass der stationäre Handel seine originären Stärken viel besser nutzen sollte und individuelle, innovative und vor allem mutige Ansätze verfolgt werden sollten. Standorte müssen sich weiterentwickeln: von der Stätte des Einkaufens hin zum Ort der Begegnung, mit einer unterhaltsamen Mischung aus Shopping, Gastronomie, Kultur und Freizeitgestaltung.
Dr. Bernd Buchholz, Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein, ergänzte: „Ein so gutes Beispiel für Konversion und Stadtbelebung wie Husum findet man in Schleswig Holstein bislang sonst nicht. Gerade beim Thema Konversionen und Infrastruktur hat die Kommunalpolitik die Chance, etwas zu bewegen. Auf Landesebene muss es darum gehen, bestimmte Raumordnungsplanungen zu überdenken.

Sortimentsbeschränkungen sind anachronistisch, wo die eigentliche Konkurrenz heute doch ganz woanders liegt. In Europa sollten wir es nicht mehr zulassen, dass sich einige Player auf dem europäischen Markt dadurch Vorteile verschaffen, indem sie fast keine Steuern bezahlen – anders als der Händler vor Ort. Das ist ein unerträglicher Zustand.“ Dr. Buchholz weiter: „Die Verantwortung liegt allerdings zunächst einmal in der Hand der Unternehmen. Es braucht mehr mutige Unternehmer, die die Chance nutzen, und Handel als Erlebnis inszenieren, wie es hier in Husum eindrucksvoll gelingt.“

Christoph Werner, CEO der Drogeriemarktkette dm mit 62.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in rund 3.600 Geschäften in Europa, erläuterte: „In München testen wir gerade Click & Collect, bei dem die Kunden über die dm-App bestellte Waren innerhalb von vier Stunden im Laden abholen können. Die Differenzierung zwischen online und offline macht ohnehin die Branche, nicht aber der Kunde. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, die Kunden kaufen heute anders ein als früher. Am Beispiel einiger bekannter Player können wir uns ein Beispiel nehmen an konsequenter Kundenorientierung. Uns als Händler ist wichtig, dass der Kunde sich einen Überblick über das Angebot verschaffen kann. Er entscheidet dann, wo und wie er ein Angebot annimmt, ob online oder stationär. Generell ist man gut beraten, dorthin zu gehen, wo die Kunden sein wollen, und zu experimentieren. Das Unternehmen wird im Wettbewerb bleiben, welches die technologischen Veränderungen zu lesen versteht und passende Angebote macht. Wir müssen uns so weiterentwickeln, dass wir für unsere Kunden weiterhin attraktiv bleiben.“

Dr. Daniel Terberger, CEO der 1923 gegründeten Katag AG, mit rund 350 Partnerunternehmen Europas größter Fashion-Dienstleister, fügte hinzu: „Wir bieten Mittelständlern digitale Tools an, um Bestände einerseits untereinander und andererseits mit Online-Plattformen zu vernetzen. Das allein sehen viele Händler emotional. Die einen sagen, das kannst du nicht manchen, und die anderen freuen sich über höhere Frequenz und mehr Umsatz, weil man Ladenhüter loswerden kann. Es gibt allerdings keine Patentrezepte für den Einzelhandel. Es gibt nicht überall dieselbe Kaufkraft, dasselbe Stadtbild und dieselbe Kapitaldecke beim Einzelhändler. Worum es geht, sind die richtigen Konzepte, die richtigen Entscheidungen und der Mut, diese umzusetzen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, hat Unternehmertum in Deutschland alle Chancen. Es braucht die Bereitschaft, strategische Partnerschaften einzugehen, neue Nutzungen zu „denken“ und die Situation am Standort individuell zu bewerten. Händler müssen heute Entertainer sein und Erlebnisse schaffen.“

Ekkehard Voss, leitender Partner bei Tchoban Voss Architekten, sagte: „Husum ist durch die hohe Zentralität und Attraktivität natürlich eine Ausnahme. Das THEO funktioniert hervorragend durch die zentrale Lage und die städtebauliche Idee einer Achse zwischen Groß- und Schlossstraße, wobei es jetzt im Betrieb natürlich darum geht, das Center zu bespielen. Das Stichwort für die Vitalität von Innenstädten ist maximale Zentralität. Als Bauherr und Entwickler sollte man Zentralität anstreben, das Regionale suchen und Projekte in den städtischen Kontext einfügen. Refurbishments sind die nächste Welle und bieten tolle Chancen für Städte.“ Voss weiter: „Architektur braucht Integration. Die Diskussion darüber, wie Handelsimmobilien verändert werden und lange Zeit bestehen können, werden wir im Städtebau noch viel mehr haben. Manche Diskussionen wie die um den Denkmalschutz sind nicht immer ein Hindernis. Sie fördern die Verständigung über die Kriterien, die Bauen in der Stadt ausmachen, und machen Architektur am Standort akzeptabel. Es kommt auf kreativen Wandel und kreative Ideen an, die nicht allein von Architekten und Bauherren kommen.“

Martin Mörl, Geschäftsführer des Gewerbe- und Handelsimmobilienspezialisten Prelios Immobilien Management aus Hamburg, fasst zusammen: „Digitalisierung heißt nicht, dass der stationäre Handel keine Zukunft hat. Im Gegenteil. Das Bedürfnis der Menschen nach sozialer Begegnung, einzigartige Ambiente und Servicequalität ist größer denn je. Diesem Bedürfnis muss der stationäre Handel in besonderer Weise nachkommen und in innovative Konzepte gießen. Bei neuen wie etablierten Projekten sollten Handel und Innenstädte viel stärker zusammen gedacht werden. Deshalb sind Integration, Vernetzung, Gastronomie, Service und Profilierung heute neben Standort, Größe, Atmosphäre und Sortimentsmix inzwischen wesentliche Handlungsfelder für Entwickler, Betreiber und Eigentümer von Handelsimmobilien.“

Die alleinige Verknüpfung von Online- und Offline-Retail reiche nicht aus. Stationäre Händler und Gastronomen müssten an kundenorientierten und zeitgemäßen Konzepten arbeiten, um attraktiv für die Kunden zu bleiben. Refurbishments und Modernisierungen sind auf absehbare Zeit Topthemen, denn der Handelsimmobilienmarkt ist weitgehend gesättigt. „Für die meisten Standorte gibt es inzwischen erfolgversprechende und funktionierende Konzepte – für schlechte Lagen sind Transformationen in andere Nutzungen kein Tabu mehr. Freilich müssen die Rahmenbedingungen durch Politik und Verwaltung so gestaltet sein, dass Innenstädte und Handel lebenswert und zukunftsfähig bleiben können“, so Mörl weiter.

Peter Cohrs, Mitinvestor des Husumer Shopping Centers THEO und Eigentümer des traditionsreichen Kaufhauses CJ Schmidt, sagte auf dem „Live City Summit“: „Digitalisierung ist eine leise, aber gewaltsame Revolution auf allen Ebenen des privaten und öffentlichen Lebens. Die zentrale Frage lautet dabei: Was kann und muss die Stadt in Zukunft leisten, um Ort der Begegnung und des Handels zu bleiben? Wir Händler haben dabei das Wichtigste zu tun, nämlich jeden Tag auf Neue das optimale Produkt für den richtigen Kunden mit Überzeugung und Überraschung schöner und besser zu präsentieren. Wenn wir dies digital begleiten, wird es rund.“ Cohrs weiter: „Der stationäre Handel muss heute um faire Chancen kämpfen. Autofreie Innenstädte, zumindest außerhalb der Metropolen, sind dabei keine Lösung. Wichtiger wäre es beispielsweise, dass Mittel der Städtebauförderung nicht nur in Beton und Stahl, sondern auch in digitale Strukturen investiert werden. Stadt- und Standortmarketing für Städte und Kommunen ist das Thema der Zeit.“






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