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12.12.2016 Logistikzentren überspannen bald Autobahnen

Der Trend geht zu kleineren, sogar mehrstöckigen Logistikzentren in Stadtnähe. Darin sind sich die Experten der 8. Holzmindener Immobiliendebatte einig. Vielleicht werden bald sogar Autobahnen damit überspannt. Flächendeckend Glasfasernetze für schnelles Internet oder gar ein Bundesglasfasernetz – hier stockt die Entwicklung.

„Die Logistik ist der Blutkreislauf des Wirtschafts- und Konsumentenlebens“, Moderator Christof Hardebusch bringt die Bedeutung des Themas auf den Punkt. Bei der 8. Holzmindener Immobiliendebatte „Logistik 4.0 – in Räumen denken“ geht es um eine Branche im Umbruch, gleichzeitig aber auch eine Branche von stetig wachsender Bedeutung. „Diese großen Flachmänner wird es immer geben“, stellt Dr. Thomas Beyerle, Managing Director der Immobiliengesellschaft Catella Property Valuation, klar. Gemeint sind die riesigen Logistikzentren, die häufig an Autobahnkreuzen ihren Flachdachcharme versprühen. Der Trend geht aber, so sind sich alle Experten im Lichthof der HAWK in Holzminden einig, zu kleineren und aus Platzmangel auch mehrstöckigen Verteilzentren in Stadtnähe.

„Same day delivery“, Lieferung am selben Tag, ist das Zauberwort. Wer schneller liefert, steht bei Kunden höher im Kurs. Gero Bergmann, Mitglied des Vorstandes der Berlin Hyp wettet vor Publikum aus Fachleuten und Studierenden: „In fünf Jahren bauen wir Logistikzentren über die Autobahnen.“ Gerade Berlin sei mit seinen vielen Autobahn prädestiniert für solche Bauten: City nahe Logistik mit bester Verkehrsanbindung.

Bautechnisch sei das ganz sicher kein Problem, kündigt gleich Michael Dufhues von der Bremer AG in Paderborn an. Bremer stellt Fertigteile unter anderem für Logistikzentren her und baut diese auch. Ob sich solche Autobahn überspannenden Bauwerke für die Branche auch rechneten – sie seien sehr viel teurer als herkömmliche – sei aber die eine offene Frage. Die andere sei, ob die herkömmlichen Bauvorschriften so schnell angepasst werden könnten. Bergmann von der Berlin Hyp aber ließ sich nicht beirren: „Fünf Jahre, dann haben wir die ersten dieser Verteilzentren. Schließlich sei die Frage, welchen Gewinn man mit den Waren machen könne, die City nah und in wenigen Stunden verteilt werden sollen.

Die Logistikbranche ist im Umbruch, hatte schon Ingo Steves, Deutschland-Geschäftsführer bei IDI Gazeley, einem weltweit führenden Investor und Entwickler von hochwertigen Logistikimmobilien, in seinem Grundsatzvortrag zu Beginn beschrieben : „Sie ist Abbild der Transformationsprozesse unserer Volkswirtschaft, sie ist Spiegelbild der sogenannten 4. Industriellen Revolution, in der Industrie, Handel und Dienstleistung verschmelzen, in der die Kommunikations- und Informationstechnik die Möglichkeit bietet, alle Abläufe zu verzahnen.“ Die Rede ist von der Hybridimmobilie, der stadtnahen Logistikhalle, in der gleichzeitig produziert werde. Und natürlich vom E-Commerce, dem weiter zunehmenden Handel im Internet, der die Wirtschaft in den vergangenen Jahren nachhaltig auf den Kopf gestellt habe.

Logistik sei mittlerweile mit 235 Milliarden Umsatz (2016) und 8.6 Prozent der in Deutschland Beschäftigten einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Ein Zweig, der wächst: 2025 sei die Branche größer als die Autoindustrie, prognostiziert Steves. Dieser Bereich mache heute schon fünf bis zehn Prozent des Neugeschäftes seiner Bank aus, bestätigt Bergmann.

Entscheidend sei heute und in Zukunft die schnelle Lieferung. Autonome Fahrzeuge oder Drohnen zur Anlieferung seien gar keine allzu fernen Szenarien mehr. Das Bundeswirtschaftsministerium habe unterdessen bundesweit zehn Kompetenzzentren aufgebaut, um die deutschen Unternehmen auf die Herausforderungen von Wirtschaft 4.0 vorzubereiten, sagt Brigitte Zypries, früher Bundesjustizministerin, heute Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium. „Wir brauchen Innovationsbereitschaft und Internationalisierung und wollen die Unternehmen dabei unterstützen.“ Dabei sei Digitalisierung das prägende Thema. „Um mithalten zu können brauchen wir gute Netze. In Deutschland sind zwei Prozent Fläche mit Glasfaser für Highspeed-Internet ausgestattet. Japan liegt bei siebzig Prozent. Wir sind noch nicht gut.“ Zuständig sei hier allerdings das Bundesverkehrsministerium und bislang sei der Bund noch weit davon entfernt, die Kosten für die Verlegung von Glasfaserkabeln als Infrastrukturmaßnahme in die Grundversorgung übernehmen zu wollen. „Muss es nicht eigentlich ein Bundesglasfasernetz geben“, hatte auch Prof. Reinhard Lamers aus dem Publikum gefragt. Zypries: „Die Debatte hängt.“

Die Anbindung an schnelle Netze könne möglicherweise auch eine Entwicklungschance für strukturschwache, ländliche Regionen wie Holzminden sein, hatte Moderator Hardebusch schon in die Expertenrunde gefragt. Das will niemand so recht bestätigen. Der Trend gehe immer näher an die Städte heran und die großen klassischen Logistikzentren bräuchten eben doch eine erstklassige Verkehrsanbindung. Wobei man mit dem Urteil „guter“ oder „schlechter“ Standort sehr vorsichtig sein müsse, betont Thomas Beyerle. Entscheidend sei immer die Nutzungsfunktion. So gelte zum Beispiel Magdeburg sicher nicht als 1a-Standort, dennoch habe sich die Stadt in den vergangenen Jahren zum Hotspot für Datazentren entwickelt. Auch die Region Kassel sei enorm gewachsen, verfüge über eine zentrale Lage, erstklassige Anbindung, auch mit Flughafen. Sie werde immer interessanter auch für Logistikansiedlungen, beschreibt Kai Lorenz Wittrock von der Wirtschaftsförderung Region Kassel. Auch bei der Ansiedlung neuer Unternehmen, sei die Ausstattung mit Glasfaserkabeln für schnelles Internet bald eine Selbstverständlichkeit.

Die Immobilie werde immer mehr zum vernetzten Rechenzentrum, bestätigt Bauexperte Dufhues. Die Standorte rücken näher zu den Absatzmärkten als zu den Produktionsorten, meint auch Bergmann. Welche Bedeutung all diese Trends und Einschätzungen schließlich für die Studierenden der Immobilienwirtschaft in Holzminden hätten, fragt Prof. Dr. Jürgen Erbach in seiner Schlussrede: „Weil Sie wissen müssen, wie eine Branche tickt, wenn die Unternehmen später Ihre Mieter sind. Sie müssen in den Köpfen Ihrer Kunden spazieren gehen.“ Und bei der Logistik sei eben die Verschmelzung von Produktion und Lagerung eines der ganz großen Themen, sagt Erbach, gemeinsam mit Hardebusch Initiator der Immobiliendebatte.

Bei der Podiumsdiskussion kommt auch das Publikum zum Zuge und am Ende verrät Jürgen Erbach noch, warum Staatssekretärin Zypries so gerne der Einladung nach Holzminden gefolgt ist: Ihr Neffe Jonas Zypries studiert hier im 5. Semester Immobilienwirtschaft und -management.







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