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07.03.2017 Hamburger Retail-Markt wächst gegen den schwächelnden Bundestrend

Rund jede dritte Transaktion einer Einzelhandelsimmobilie in den Big 7 entfiel 2016 auf Hamburg. Hier gab es 23 Verkäufe, während es in den Big 7 insgesamt nur 71 waren. Damit stemmt sich die Hansestadt gegen den schwächelnden Bundestrend. Denn im abgelaufenen Jahr gingen die Investitionsvolumina für Retail-Objekte in fast allen Big-7-Städten deutlich zurück. Nur an Alster und Elbe legte das Transaktionsgeschäft deutlich zu und verdoppelte sein Volumen sogar binnen Jahresfrist. Beim Vermietungsumsatz musste Hamburg derweil zwar einen leichten Rückgang hinnehmen, blieb im Vergleich zu den anderen Metropolen aber vom großen Einbruch verschont. Die City ist bei neuen Konzepten so gefragt wie kaum eine andere deutsche Stadt. Vor allem die Gastronomie ist auf Expansionskurs.

„Der Hamburger Markt ist in den vergangenen Jahren so robust geworden, dass er die aktuelle Zurückhaltung bei den Händlern und die Produktknappheit im Investmentmarkt gut verkraften kann. Die Stadt hat es geschafft, sich als international beliebter Konsumstandort mit einer großen Angebotsbreite zu etablieren. Zugleich ist der Immobilienmarkt in und um die Hansestadt so heterogen, dass sich auch in Zeiten knappen Angebots immer noch lohnende Nischenprodukte mit attraktiver Rendite finden“, erklärt Richard Winter, Niederlassungsleiter JLL Hamburg, das Erfolgsgeheimnis der Stadt. „Hamburg hat sehr an seinem Image gearbeitet und sorgt – nicht zuletzt durch die Elbphilharmonie – weltweit für Aufsehen.“ Das wirkt sich auf die Nachfrage im Markt für Gewerbeimmobilien aus und lockt zunehmend internationale Interessenten an – insbesondere für großvolumige Investments.

Investmentmarkt für Einzelhandelsimmobilien übertrumpft alle anderen deutschen Städte

Das Investmentvolumen im Hamburger Einzelhandel hat 2016 so stark wie in keiner anderen Stadt der Big 7 zugenommen – von 312 Mio. auf 636 Mio. Euro. Das entspricht einem Plus von 104 %. Das Wachstum gegen den Bundestrend hängt unter anderem mit drei großen Objekten zusammen: den beiden Marktkauf Centern in Hamburg Bergedorf und Harburg sowie dem Saturn an der Mönckebergstraße. Die hohe Nachfrage setzte derweil die Rendite weiter unter Druck. Mittlerweile liegt sie bei rund 3,5 % für Geschäftshäuser in Spitzenlagen.

Retail-Transaktionsvolumen in Mio. Euro

„Obwohl die Rendite in Hamburg nun deutlich unter 4 % für Objekte in Toplagen liegt, ist das Interesse nationaler wie internationaler Investoren weiterhin sehr hoch. Hinzu kommen Privatinvestoren, so dass die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt“, bilanziert Sarah Hoffmann, Team Leader Retail Investment JLL Hamburg. Die Hansestadt ist mittlerweile ein absoluter Core-Markt, in dem Objekte sehr hohe Faktoren erzielen.

Besondere Eigentümerstruktur sorgt für Engpass auf der Angebotsseite
Transaktionen im Stadtkern haben allerdings seit Jahren Seltenheitswert: „Die Eigentümerstruktur ist sehr kleinteilig und von Privatinvestoren geprägt. Das gilt vor allem für die Mönckebergstraße und den Jungfernstieg. Nur wenige institutionelle Investoren haben dort Bestände. Oft laufen Verkäufe allein unter Hamburger Akteuren ab. „Private Hamburger Investoren sind bei ihrem Investment sehr langfristig orientiert. Nach einer Transaktion verschwinden diese Objekte meist für sehr lange Zeit vom Markt“, weist Sarah Hoffmann auf einen der Gründe für die Produktknappheit hin.

Besonders große Nachfrage herrscht bei zentralen Stadtteillagen mit hoher Nahversorgungsfunktion. Genauso gefragt sind die wenigen Geschäftshäuser im Kern der Hansestadt, die angeboten werden, und mittlerweile auch Fachmarktzentren. „Aufgrund des Mangels an innerstädtischen Geschäftshäusern ist die Nachfrage nach Fachmarktzentren und Supermärkten stark angestiegen. Das Transaktionsvolumen in dieser Asset-Klasse machte im Jahr 2016 einen Anteil von mehr als 45 % am deutschen Einzelhandelstransaktionsvolumen aus. Dieser Trend zeichnet sich auch in Hamburg ab“, sagt Hoffmann.

Investoren entdecken Kinos und Bowlingcenter als Renditebringer
Eine besondere Gruppe sind Freizeitimmobilien wie zum Beispiel Kinos, Bowlingbahnen oder andere Komplexe, in denen Erlebnis, Gastronomie und oft auch Einzelhandel kombiniert werden. „Allein in den vergangenen beiden Jahren wurden mehr als fünf dieser Spezialobjekte im Raum Hamburg transferiert. Die Kombination verschiedener Nutzungsarten, lange Mietlaufzeiten und eine gute Rendite machen diese Objekte zu einer attraktiven Alternative, wenn es an klassischen Produkten mangelt“, analysiert Sarah Hoffmann. Diese Freizeitimmobilien bewegen sich üblicherweise zwischen 15 und 40 Mio. Euro.
„Dieses neue Interesse an gemischt genutzten Immobilien unterstreicht den Strategiewechsel einiger Eigentümer und Investoren, die mittlerweile nicht mehr allein auf den klassischen Textil-Filialisten setzen, sondern auch Gastronomie- und Fachmarktkonzepte als renditestark in den Blick nehmen“, erklärt Sarah Hoffmann.

Bundestrend: Verunsicherter Textilhandel verliert Marktanteile an aufstrebende Gastronomie

Auch wenn die Einzelhandelsumsätze in den vergangenen Jahren auf mittlerweile mehr als 480 Mrd. Euro gewachsen sind, agiert der Einzelhandel derzeit deutlich verhaltener als noch zuletzt bei der Anmietung von Flächen. Vor allem der Textilhandel ist verunsichert und büßt immer mehr von seiner einst dominanten Stellung unter den Einzelhandelsbranchen ein. Zwar sind sie mit 33 % immer noch Branchenprimus, doch noch 2010 bestritten sie mit 42 % deutlich mehr der Flächenumsätze. „Viele Einzelhändler prüfen heute sehr genau, ob und wo sie sich ansiedeln“, schildert Dirk Wichner, Head of Retail Leasing JLL Germany. „Sie entscheiden nicht mehr allein nach Bauchgefühl, sondern nach detaillierter Zahlenlage.“

Dazu gehören unter anderem Passantenfrequenzen, die bei den Hamburger Toplagen Mönckebergstraße, Spitalerstraße und Jungfernstieg derzeit unter dem Zehnjahresschnitt liegen. Genauso wichtig ist aber, welcher Kundentyp dort entlang geht und welche Kaufkraft letztlich in den Geschäften landet. „Entsprechend lange dauern aktuell Standortentscheidungen an – insbesondere, wenn es um Mietverträge mit zehn Jahren Laufzeit geht“, nennt Wichner einen Grund für den Rückgang beim Vermietungsumsatz.

Händler und Gastronomie setzen auf immer kleinere Fläche bei Neuanmietungen
Ein weiterer Trend in Deutschland ist, dass die angemieteten Flächen immer kleiner werden. Dafür gibt es zwei Gründe: „Während der Textileinzelhandel über Jahre mit großem Abstand dominierte, kommen nun Branchen wie Gastronomie, aber auch Beauty und Schmuck in der Statistik mehr und mehr nach oben. Diese Branchen brauchen traditionell weniger Fläche“, erklärt Dirk Wichner. Damit einher geht eine zweite Entwicklung: Der großflächige Textileinzelhandel hat in der Regel immer mehrere Etagen bespielt. Diese Anmietungen sind im derzeitigen Marktumfeld kaum noch möglich. Denn die oberen Geschosse werden mehr und mehr umgenutzt für Büro und Wohnungen. Für beide Nutzungen sind die Innenstädte mittlerweile begehrte Lagen.

Diese Reduzierung ist keine Momentaufnahme, sondern ein langfristiger Trend: „Im vergangenen Jahr haben Waren im Wert von rund 50 Milliarden Euro keinen Quadratmeter Einzelhandelsfläche mehr gesehen, weil sie direkt aus dem Lager an den Verbraucher geschickt wurden. In Zeiten des Onlinehandels brauchen viele Waren keine Einzelhandelsflächen mehr, um sie dem potenziellen Käufer zu präsentieren“, berichtet Wichner.

Es ist daher nur folgerichtig, dass sich der Handel zunehmend sowohl auf Handelsflächen im Erdgeschoss als auch auf Flächen in den besten Lagen innerhalb der jeweiligen Einkaufsstraßen konzentriert. Aus manchen Ober- und Untergeschossen sowie den Randlagen der Einkaufsstraßen wird sich der klassische Handel eher zurückziehen.

Hamburger Innenstadt wird 2017 mit neuen Konzepten deutlich kulinarischer
Entsprechend dieser Trends war es erwartbar, dass der Retail-Leasingmarkt Hamburg 2016 mit 19.900 m² ein leicht unterdurchschnittliches Ergebnis erreichte. Der 5-Jahres-Schnitt liegt derzeit bei 22.100 m². Die Hansestadt ist damit hinter Berlin, Frankfurt und Stuttgart auf dem vierten Platz bundesweit für das Gesamtjahr. Bei den Spitzenmieten liegt die Spitalerstraße mit 280 Euro je Quadratmeter im Monat auf dem fünften Platz bundesweit. Der Wert ist stabil und wir auch im kommenden Jahr konstant bleiben.

Besonders starke Nachfrage erlebt der Hamburger Vermietungsmarkt derzeit durch die Gastronomie. Neben Til Schweigers Barefood Deli hat kürzlich auch das „Ahoi“ von Fernseh-Koch Steffen Henssler in der Toplage Spitalerstraße eröffnet. Neue internationale Konzepte wie Turtle Bay und Five Guys suchen noch nach Flächen in der Hansestadt. Ebenso präsent sind Systemgastronomen wie Peter Pane, Hans im Glück, Coa und Vapiano. „Die Spitzenmieten kann diese Gruppe aber weiterhin nicht bezahlen und siedelt sich deshalb vorwiegend in sehr guten B-Lagen an“, erklärt Mario Litta, Team Leader Retail Leasing JLL Hamburg.

Türkische Modekette Koton setzt mit 1.800 m² ein Statement auf der Spitalerstraße
Bei den Textilern wie Zara und H&M beobachtet Litta weiterhin die Anmietung und Vergrößerung von Flaggshipstores. Zudem kämen neue Konzepte auf den Markt. Ein Beispiel für Hamburg ist die türkische Mode- und Accessoires-Kette Koton mit 1.800 m² in der Spitalerstraße oder der türkische Textilfilialist Yargici, der kurz vor Abschluss in einer Hamburger Top-Lage steht. Allerdings wird auch bei den Textilhändlern, die den Vermietungsmarkt lange dominierten, mittlerweile hart um das Mietniveau gerungen.

Ladengeschäft zwischen 80 m² und 120 m² sind aktuell in Hamburg besonders gefragt

Konkurrenz bekommen sie derweil von Filialisten wie Rituals, Hunkemöller, Calzedonia oder auch Depot. Diese sind derzeit stark expansiv und nehmen den Textilhändlern schrittweise Anteile am Gesamtvermietungsumsatz ab. Die Filialisten suchen in der Regel kleine kompakte Flächen in Toplage mit 80 bis 120 m². „Diese Größe ist attraktiv, da die Händler bei guten Frequenzen und einem überschaubaren Investment in Ladenbau, Personal und anderen Bereichen weiterhin gute Umsatzpotenziale sehen“, erklärt Litta.

Vor diesem Hintergrund hat sich der Jungfernstieg stark entwickelt und der Umbau des Alsterhauses gibt neue Impulse. Perspektivisch wird die Entwicklung des Großen Burstah im Rahmen des BID Nikolaiquartier interessant und, ob tatsächlich ein Rundlauf über den Rödingsmarkt zu den Stadthöfen von Quantum entsteht.







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