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09.02.2023 Vier von Fünf Berlinern sind mit der Wohnungspolitik unzufrieden

80 Prozent der wahlberechtigten Berlinerinnen und Berliner bewerten die Wohnungspolitik der aktuellen Landesregierung negativ. Auch in der Wählerschaft der amtierenden Regierungskoalition ist die Unzufriedenheit groß. Nur 19 Prozent der SPD-Wählerinnen und Wähler bewerten die Wohnungspolitik der Landesregierung positiv, bei der Grünen-Wählerschaft sind es neun Prozent. Lediglich bei der Linken ist die Zustimmung mit 25 Prozent höher. Das ergibt eine aktuelle repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey unter 1.000 Wahlberechtigten in Berlin.

Im Rahmen der heutigen Pressekonferenz zur Berliner Wohnungspolitik diskutierten Expertinnen und Experten aus der Immobilienwirtschaft mit Sebastian Czaja, FDP-Spitzenkandidat für die Wiederholungswahl in Berlin, über die Gründe der gescheiterten Wohnungspolitik.

„Der links-grüne Senat bremst nicht nur die Mobilität auf den Straßen unserer Stadt, er verhindert mit seiner Anti-Wohnungsbau-Politik auch die Mobilität auf dem Wohnungsmarkt“, sagt Czaja. „Junge Familien, die sich vergrößern wollen oder Seniorinnen und Senioren, die in eine kleinere Wohnung ziehen wollen, werden in Berlin kaum noch fündig. Es gibt immer wieder neue vorgegebene Gründe der politischen Akteure, warum irgendwo, irgendetwas nicht gebaut werden kann. Dabei sollte gerade jetzt das Gebot der Stunde beim Wohnungsbau sein: höher, schneller, mehr. Mit kreativen Lösungen, wie man sie bereits in vielen Metropolen auf dieser Welt findet, können wir dabei die Belange des Klimaschutzes berücksichtigen, für ruhige und sichere Rückzugsorte sorgen und unsere Stadt für viele Menschen lebenswert halten."

Petra Müller von DLE Land Development ergänzt „Die Schwierigkeiten im Bereich des Wohnungsneubaus haben inzwischen etablierte Gründe: Am banalsten aber mit der größten Wirkmacht ist die so genannte „Not in my backyard“-Einstellung. Anwohner, die angeben für mehr Neubau von Wohnungen mit sozialverträglichen Mieten zu sein, wünschen sich diese – jedoch nicht in ihrer Nachbarschaft. Bezirkspolitiker stehen vor der schwierigen Entscheidung entweder proaktiv an der Umsetzung der Wohnungsbauziele des Berliner Senats mitzuwirken oder die Belange einzelner Gruppen im Wahlkreis zu unterstützen. Diese strukturelle Zwickmühle kann durch weitsichtige und mutige Entscheidungen durchbrochen werden.“

Wohnungspolitik zerstört kreative und wirtschaftliche Lebensader der Hauptstadt
Einjar Skjerven von der Skjerven Group kommentiert: „Berlin wächst heute, weil viele Geflüchtete kommen. Früher wuchs die Stadt, weil sie viele Entfaltungsmöglichkeiten für junge Menschen bot. Das ist vorbei, weil für Zuzug zu wenige Wohnungen verfügbar sind. Durch die Fokussierung der Wohnungspolitik auf den Bestand und Bestandserhalt hat sich Berlin einer wichtigen Lebensader beraubt. Daher braucht die Stadt dringend eine Trendumkehr. Aus Skandinavien kenne ich Beispiele dafür, wie mangelndes Wohnungsangebot die Entwicklung von Städten hemmt.“

Wohnungsnot wird sich weiter zuspitzen

Sascha Nöske von der STRATEGIS AG fasst die aktuelle Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt zusammen: „Die nachlassende Bautätigkeit wird das ohnehin geringe Angebot an Wohnraum in Berlin noch weiter verknappen. Dem steht eine steigende Nachfrage gegenüber, die nicht zuletzt durch die starke Zuwanderung gespeist wird. Wird hier vonseiten der Politik nicht entgegengesteuert, dann werden wir es mit einer deutlich dramatischeren Wohnungsnot zu tun bekommen als es bereits heute der Fall ist. Zudem werden die Mietpreise weiter steigen. Wir konnten diese Entwicklung bereits in den vergangenen Monaten beobachten. Damit wird dann auch der Wohnungskauf wieder attraktiver. Will Berlin weiterhin attraktiv für Studenten, junge Unternehmen und kreative Köpfe bleiben, ist es unabdingbar, dass es ein adäquates Wohnraumangebot für alle Zielgruppen gibt. Die Wohnungsfrage weitet sich in diesem Zusammenhang zum Standortnachteil aus. Scheitert Berlin am Wohnungsbau, laufen wir Gefahr, die positive wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen knapp zwanzig Jahre abzuwürgen.”

Enteignungsdebatte: Auf Kollisionskurs mit dem Verfassungsrecht

Uwe Bottermann von Bottermann Khorrami kommentiert die aktuelle Prüfung einer Enteignung von Wohnungsgesellschaften: „Dieses Projekt ist nach dem kurzen Gastspiel des Mietendeckels, dem Fiasko bei den Vorkaufsrechten und den Pannen bei der Umwandlungsverordnung nun ein weiteres Berliner Vorhaben auf Kollisionskurs mit dem Verfassungsrecht. Die rechtlichen Herausforderungen hat die Expertenkommission bisher lediglich aufgenommen und andiskutiert. Ein mögliches Enteignungsgesetz wird vor dem Verfassungsgericht landen, davon gehen auch die Befürworter aus. Diesmal müssen wir uns aber auf eine Vielzahl komplexer Verfahren mit mehreren Jahren Verfahrensdauer einrichten. Währenddessen werden die Probleme weiter ungelöst bleiben.“

Herr Bottermanns Forderung an eine neue Landesregierung: „Egal wie die Wahl ausgeht, der Wohnungsbau muss endlich Vorrang haben und deutlich angekurbelt werden. Dafür braucht es neue Regeln und vor allem bei den Genehmigungsbehörden den Willen, dieses Ziel auch durchzusetzen. In der Vergangenheit war oft das Gegenteil der Fall. Zudem sollte dem Thema Wohneigentum ein höherer Stellenwert beigemessen werden als bislang. Die Eigentumsförderung für die Berliner muss stärker in den Fokus rücken.“

Wichtig aber sei zunächst die Hindernisse abzubauen, die den Wohnungsbau in Berlin beeinträchtigen, fasst Petra Müller die Ergebnisse der Runde zusammen: „Was den Berliner Wohnungsbau maßgeblich behindert, sind Denkverbote. Anstatt einseitig auf Nachverdichtung zu setzen, kann – neben Verfahrensbeschleunigung - das Ausweisen von Bauland an Stadträndern und im Umland die Wachstumsschmerzen Berlins lindern.

Dabei liegen die Vorteile des Neubaus auf der Hand: Neubauten weisen eine hohe energetische Effizienz auf und moderne Quartiere können mit einem Minimum an Bodenversiegelung umgesetzt werden. Eine internationale Bauausstellung mit arrondierendem Charakter auf Teilen des Tempelhofer Felds böte die Möglichkeit zu zeigen, wie Architektur und die Stadt Berlin in Lage sind, die Lebensverhältnisse der Bewohner nachhaltig, effizient und sozial zu verbessern.“





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