11.03.2025 Sondervermögen allein reichen nicht: Fünf dringende Maßnahmen
Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit erodiert, weil die Standortbedingungen für Investitionen nicht mehr stimmen. Das diagnostizieren auch Union und SPD in ihrem Sondierungspapier. Leider zeigt sich, dass die darin vorgeschlagenen Maßnahmen unzureichend und von Partikularinteressen getrieben sind. Dabei müssen fünf wichtige Rahmenbedingungen gezielt verbessert werden: analoge sowie digitale Infrastruktur, Bürokratie, Erhöhung des Erwerbspersonenpotenzials und innere Sicherheit. In den anstehenden Koalitionsverhandlungen müssen beide Parteien mehr Verantwortung für Deutschland übernehmen. Auch der Bundestag kann bei der Gewährung der geplanten Sondervermögen eine zentrale Rolle spielen, indem die Freigabe der Sondervermögen an Fortschritte beim Reformprozess zur Verbesserung der Standortbedingungen geknüpft werden.
Der Standort Deutschland kränkelt. Seine Wettbewerbsfähigkeit nimmt ab. Immer mehr Betriebe schließen, weil die Standortbedingungen für Investitionen nicht mehr stimmen und sich die Produktion für sie nicht mehr lohnt. Andere Unternehmen verlagern ihren Standort – trotz deutlich höherer Lohnkosten sogar in die Schweiz – und tätigen Neuinvestitionen eben nicht mehr in Deutschland, sondern im Ausland. Seit fast 20 Jahren sprechen viele, wie zum Beispiel die britische Wochenzeitung The Economist, von einem Reformstau.
Nun haben Vertretende der potenziell nächsten Bundesregierung ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Zusätzlich ist eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben geplant. Alles in allem könnte dieses Schuldenmanöver dann bis zu einer Billion Euro umfassen. Diese Mittel sollen für Investitionen in die marode Infrastruktur und für die Wehrfähigkeit der Europäischen Union (EU) genutzt werden. Das Sondervermögen darf aber nicht dazu führen, dass die dringend notwendigen Investitionen im Staatshaushalt gesenkt werden, um Steuergeschenke zu verteilen. Darüber hinaus muss allen Beteiligten bewusst sein, dass Investitionen allein nicht die hinlänglich bekannten Standortprobleme lösen werden, sondern vielleicht sogar in ihrer Wirkung verpuffen, wenn die Standortprobleme nicht angegangen werden. Neben der Infrastruktur nennen die Unternehmen an erster Stelle stark gestiegene Bürokratielasten. Gleichzeitig besteht eine immense demografische Herausforderung, der nicht nur durch die Erhöhung des inländischen Fachkräftepotenzials, sondern insbesondere auch durch die Zuwanderung von Fachkräften begegnet werden muss. Dieses Thema wurde jedoch zuletzt von der emotional geführten Debatte um die Zuwanderung von Flüchtlingen überlagert, die wiederum mit Fragen der inneren Sicherheit verknüpft ist.
Diese Punkte wurden teilweise im kürzlich verabschiedeten Sondierungspapier von Union und SPD aufgegriffen. Es wird jedoch davon abhängen, welche Maßnahmen in den anstehenden Koalitionsverhandlungen ergriffen werden.
Der vorliegende Beitrag nimmt die fünf zentralen Standortbedingungen in den Blick und macht – vor dem Hintergrund des Sondierungspapiers – konkrete Vorschläge, mit welchen Maßnahmen sie verbessert werden können.
Fokus auf Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur setzen
Ein zentraler Faktor für bessere Standortbedingungen ist eine moderne Infrastruktur. Hier besteht in Deutschland ein großer Nachholbedarf an Investitionen. Das zeigt sich nicht nur im täglichen Leben durch marode Straßen, verspätete Züge und im Bildungsbereich. Die Koalitionspartner haben kürzlich ihre Pläne für ein Infrastruktur-Sondervermögen von rund 500 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre vorgestellt. Angesichts des seit Jahrzehnten sehr niedrigen Anteils der öffentlichen Investitionsquote von rund zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist das ein wichtiger und richtiger Schritt. Wie die Ausgaben im Einzelnen aussehen werden, bleibt vorerst offen, bis der konkrete Haushaltsplan vorliegt. Auch das Sondierungspapier macht nicht deutlich, wie die Infrastruktur verbessert werden soll.
Um den Standort Deutschland attraktiver zu machen, ist es nicht nur wichtig, mehr öffentliche Gelder in die Hand zunehmen, sondern die Mehrausgaben müssen auch in die richtige Infrastruktur investiert werden. Dabei spielt die analoge Infrastruktur in Städten und Gemeinden, aber auch der Schienen- und Fernverkehr sowie der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) eine wichtige Rolle für die Standortfrage. Ein gutes Verkehrsnetz reduziert die Transportkosten und macht sowohl die Beschaffung als auch den Absatz günstiger. Darüber hinaus erhöht es die Erreichbarkeit und lindert damit die Notlagen in manchen Wohnungslagen, da es möglich wird, weiter vom Arbeitsplatz entfernt zu wohnen. Daneben ist die entsprechende Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur ein entscheidender Faktor, um den Arbeitsinput zu gewährleisten. Hoch qualifizierte Arbeitskräfte sind ein entscheidender Standortvorteil Deutschlands. Zusätzlich generieren Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstitute wichtige Grundlagenforschung, die die Produktivität von Arbeit und Kapital erhöhen. Des Weiteren hat eine gute Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur den Vorteil, dass besser ausgebildete Personen sozial mobiler sind und beide Elternteile am Arbeitsmarkt teilnehmen können. Beides verringert soziale und ökonomische Ungleichheit und Kriminalität.
Leider macht das Sondierungspapier eines deutlich: Nötige öffentliche Investitionsausgaben werden vom regulären Haushalt in ein Sondervermögen verschoben. Der freiwerdende finanzpolitische Spielraum wird für diverse Steuergeschenke verplant. Eine höhere Pendlerpauschale, eine weitere Rentenerhöhung und die geplante Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie sind die prominentesten Beispiele. Dabei könnten diese Steuergeschenke erheblich ausfallen.
Ein neuer Weg zum radikalen Bürokratieabbau
Mit vier Bürokratieentlastungsgesetzen haben die Bundesregierungen der letzten 20 Jahre vergeblich versucht, den Standort Deutschland attraktiver zu machen. Denn gleichzeitig wurden viele neue Gesetze auf den Weg gebracht, zuletzt allein 14 000 aus der EU, deren zusätzliche Belastungen die Entlastungen aus diesen Gesetzen bei weitem übersteigen. Bürokratie ist zum Mühlstein im unternehmerischen Alltag geworden.
Zeitraubende Berichtspflichten, umständliche Vorschriften und Genehmigungsverfahren treiben die Produktionskosten in die Höhe. Das ifo Institut schätzt, dass Unternehmen durchschnittlich 22 Prozent der Arbeitszeit für Bürokratie– ein wesentlicher Grund, warum Unternehmen Neuinvestitionen nicht mehr in Deutschland tätigen.
Was bisher vernachlässigt wurde, ist die Tatsache, dass sich die Belastung der Unternehmen durch Bürokratie in eine Sachebene (Anzahl der Vorschriften) und eine Personenebene (Qualität der öffentlichen Verwaltung) aufteilen lässt. Die bisherige Politik, und das gilt auch für das Sondierungspapier, konzentriert sich auf den Abbau von Vorschriften und Berichtspflichten und ist damit gescheitert und wird auch weiterhin scheitern. Die Gesamtzahl der Vorschriften wird weiter zunehmen.
Damit wird die Qualität der öffentlichen Verwaltung zu einem zentralen Element der aktiven Gestaltung von Wirtschaftspolitik. Eine qualitativ hochwertige Verwaltung zeichnet sich durch schlanke Verfahren, verständliche Vorschriften und zumutbare Berichtspflichten aus. Bei hoher Verwaltungsqualität werden Entscheidungen und Genehmigungsverfahren innerhalb von Wochen – und nicht erst nach Jahren – effizient und transparent getroffen. Bei der Umsetzung werden Unternehmen aktiv von Vorschriften entlastet. Dann bietet die öffentliche Verwaltung den wichtigsten Vorteil von Regulierung: Rechtssicherheit für die Unternehmen.
Dass eine hohe Qualität der öffentlichen Verwaltung möglich ist, zeigen die nordischen Länder. Dort gibt es trotz hoher Regulierungsdichte gerade deshalb kein Standortproblem.
Die nächste Bundesregierung sollte daher ambitionierter werden und es zu einem festen Bestandteil ihrer Wirtschaftspolitik machen, die Verwaltungsqualität zu steigern, anstatt wieder nur Berichtspflichten zu senken. Radikaler Bürokratieabbau bedeutet den Aufbau einer leistungsfähigen und digitalisierten Verwaltung, unterstützt durch künstliche Intelligenz, die mit transparenten Prozessen und Verantwortlichkeiten unterlegt ist. Konkretes Ziel sollte dann sein, die Bürokratiekosten für Unternehmen in den nächsten fünf Jahren zu halbieren (und nicht nur um 25 Prozent zu senken, wie im Sondierungspapier angestrebt). Das ist eine Investition in den Standort, die sich lohnt.
Wettbewerb als Leitprinzip für eine leistungsfähige digitale Infrastruktur
Die angehenden Koalitionäre erkennen zwar die Bedeutung der Digitalisierung an, haben aber keine konkreten Pläne für die digitale Infrastruktur. Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur ist jedoch entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Resilienz Deutschlands. Private Investitionen müssen dabei eine zentrale Rolle spielen, und um sie zu stärken, ist ein wettbewerbsorientierter Ansatz unerlässlich.
Auch hier gilt: Die Qualität der öffentlichen Verwaltung muss verbessert werden. Statt den Infrastrukturwettbewerb einzuschränken, braucht es gezielte Maßnahmen für einen effizienten Glasfaserausbau: Vereinfachte und digitalisierte Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie einheitliche Standards und zentrale Genehmigungsplattformen. Ein transparenter Übergang von Kupfer- zu Glasfasernetzen mit verbindlichen Fristen sichert den Wettbewerb und beschleunigt den Ausbau. Faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer, insbesondere durch die Regulierung des Infrastrukturzugangs, sind essenziell, um eine Monopolisierung neuer Netze zu verhindern. Zudem sollten alle realisierbaren Vorleistungsprodukte zu marktüblichen Konditionen und einheitlichen Standards angeboten werden.
Im Mobilfunk sollte die Versteigerung des knappen Frequenzspektrums wieder als vorrangiges Verfahren im Telekommunikationsgesetz verankert werden. Der Markt sollte wieder vier vollwertige Netzbetreiber zulassen. Dazu müssen Ausbauverpflichtungen für Neueinsteiger fair ausgestaltet und Behinderungsstrategien etablierter Anbieter verhindert werden. Wettbewerbsbeschränkende Verbote auf dem Vorleistungsmarkt sowie Restriktionen bei der Errichtung von Mobilfunkstandorten sollten vermieden werden.
Die staatliche Förderung des Netzausbaus sollte strikt auf unterversorgte Gebiete beschränkt bleiben, in denen ein marktgetriebener Ausbau nicht wirtschaftlich ist, um die Verdrängung privater Investitionen und die Entwertung bestehender Netze zu vermeiden. Geförderte Infrastrukturen sollten allen Marktteilnehmern offenstehen, Open-Access-Verpflichtungen sollten integraler Bestandteil der Förderung sein und konsequent überwacht werden.
Von zentraler Bedeutung für die technologische Souveränität und Innovationsfähigkeit Deutschlands ist auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur in den Bereichen KI, Cloud-Technologien und Supercomputing. Hier bedarf es einer koordinierten europäischen Strategie. Programme wie die Important Projects of Common European Interest (IPCEI) mit denen die EU strategische Schlüsseltechnologien fördert, sollten gezielt genutzt werden, um wettbewerbsfähige KI-Lösungen zu entwickeln und den Aufbau eines europäischen Technologiestacks – vom Chip bis zur Anwendungsebene – voranzutreiben.
Zuwanderung von Fachkräften und Innovator*innen erleichtern
Derzeit sinkt das inländische Erwerbspersonenpotenzial jährlich um rund 300 000 Personen, weil mehr Menschen in Rente gehen, als in den Arbeitsmarkt eintreten. Damit Deutschland sein Produktionspotenzial ausschöpfen und die vielen anstehenden Infrastrukturinvestitionen bewältigen kann, ist ein Gesamtkonzept erforderlich, um das vorhandene inländische Erwerbspersonenpotenzial und die Zuwanderung von Fachkräften zu steigern. Mit Blick auf das inländische Erwerbspersonenpotenzial gehören dazu, anders als im Sondierungspapier, neben der Abschaffung der Rente mit 63 Jahren und der sukzessiven Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre, auch Maßnahmen, die es insbesondere Frauen ermöglichen, ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Denn viele wollen mehr arbeiten, können es aber nicht. Zu letzterem äußert sich das Sondierungspapier in keiner Weise. Dazu gehören zum Beispiel die Ganztagsschulen und die tatsächliche Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz. Zum anderen ist es an der Zeit, das Ehegattensplitting abzuschaffen, um Anreize zu schaffen, in den Arbeitsmarkt einzusteigen oder die Arbeitszeit zu erhöhen.
Im Mittelpunkt der Maßnahmen muss jedoch eine erleichterte Zuwanderung von dringend benötigten Arbeitskräften stehen, um die anstehenden demografischen Herausforderungen zu bewältigen. Dafür braucht es statt des im Sondierungspapier enthaltenen Sammelsuriums von Maßnahmen ein gesamtheitliches Konzept, differenziert nach Gründen für Zuwanderung. Bei der Arbeitsmigration war das Fachkräftezuwanderungsgesetz ein Schritt in die richtige Richtung – aber es dauert immer noch viel zu lange, bis Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten bei uns arbeiten können. Im Mittelpunkt steht daher erneut die Bürokratie. Es bedarf klar definierter Prozesse mit dem Ziel, innerhalb eines Monats über die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden. Das fängt bei der digitalisierten Visa-Vergabe an, geht über serviceorientiert geschulte Ausländerbehörden bis hin zur beschleunigten Anerkennung von Abschlüssen. Das gilt sowohl nach der Zusage eines Arbeitsverhältnisses als auch für die Suche nach einem Arbeitsverhältnis innerhalb Deutschlands. Darüber hinaus sollten die Hürden für eine erneute Einreise nach einer Ausreise möglichst geringgehalten werden, um eine “zirkuläre Migration” zu ermöglichen.
Ein weiteres Augenmerk zur Verbesserung der Standortbedingungen muss auf der Gewinnung von Innovator*innen und Forschenden liegen, die im Sondierungspapier überhaupt nicht erwähnt werden. Jährlich verlassen mehr Forschende und Innovator*innen Deutschland als nach Deutschland kommen. Damit verliert das Land Potenzial für die Einführung innovativer Technologien, Produkte und Dienstleistungen, die zu den wichtigsten Faktoren für künftiges Wirtschaftswachstum zählen. Um diesen Trend umzukehren, muss das Arbeitsumfeld in Deutschland für diese Menschen attraktiver gestaltet werden: Neben der mehrfach genannten effizienteren Bürokratie gehört dazu der Zugang zu Risikokapital. Dazu sollte es Unternehmen aus dem Finanzsektor, wie zum Beispiel Versicherungen, erlaubt werden, einen geringen Prozentsatz ihres Vermögens in Start-ups zu investieren. Zweitens sollte die neue Bundesregierung angesichts der Entwicklungen in den USA einen Fond auflegen, der gezielt Forschende und Innovator*innen aus den USA anwirbt. Dieser Fond kann direkt das Gehalt oder Kapitalausstattung finanzieren. Schließlich ist das deutsche Steuersystem hinsichtlich der Besteuerung reinvestierter Gewinne im Vergleich zu den USA unattraktiv. Es muss vorrangig Investitionsanreize setzen.
Innere Sicherheit durch Prävention stärken
Der Wahlkampf in Deutschland war nach mehreren Anschlägen von einem intensiven Diskurs zur inneren Sicherheit geprägt, der aber im Sondierungspapier nicht explizit aufgegriffen wird. Um die innere Sicherheit nachhaltig zu gewährleisten und damit den Standort zu stärken, muss die politische Debatte versachlicht werden hin zu einer evidenz-basierten Kriminalpolitik. Das Sondierungspapier bietet im Bereich der inneren Sicherheit jedoch nur zwei Punkte an: Der eine ist eine (lobenswerte) Weiterentwicklung des Opferschutzes bei Gewalt gegen Frauen, der andere eine implizite Annäherung an Maßnahmen der inneren Sicherheit im Sinne der Begrenzung irregulärer Migration.
Der aktuelle Diskurs, der Kriminalität mit Migration verknüpft, ist jedoch kaum wissenschaftlich fundiert. Der hohe Anteil ausländischer Tatverdächtiger in der Polizeilichen Kriminalstatistik ist vor allem auf demografische (Alter, Geschlecht) und sozio-ökonomische Risikofaktoren (Bildung, Einkommen, Arbeitsmarktperspektiven, Wohnorte) zurückzuführen. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren kann die pauschale Aussage, dass Zuwanderung die Kriminalität erhöhe, nicht bestätigt werden. Für die Herausforderungen der Migrationspolitik (bei Integrations- und Kapazitätsfragen) müssen Lösungen gefunden werden. Eine restriktivere Migrationspolitik wird jedoch nicht die Lösung für eine nachhaltige innere Sicherheit sein.
Vielmehr sollte bei der Kriminalitätsbekämpfung priorisiert werden und eine ganzheitliche Strategie zur Kriminalitätsprävention im Mittelpunkt stehen. Eine gut funktionierende Polizei ist für die Kriminalitätsbekämpfung von zentraler Bedeutung. Die neue Bunderegierung sollte eine nachhaltige Strategie entwickeln, die eine verbesserte föderale Zusammenarbeit und Kooperation der Polizei und anderer Behörden/Institutionen über die Ländergrenzen hinweg beinhaltet. Bestehende Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung sollten (unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit) konsequenter umgesetzt werden, bevor Strafrahmen erhöht werden. Die Unterstützung und Modernisierung von Polizei und Justiz, einschließlich moderner technischer Ausstattung, Digitalisierung, Reformen zu Datenspeicherung und Bürokratieabbau sollten angegangen werden. Darüber hinaus müssen Ansätze entwickelt werden, um den Fachkräftebedarf in der Polizei zu decken. Die Polizeigewerkschaften fordern eine Einstellungsoffensive – dafür muss der Beruf attraktiv sein.
Nachhaltige innere Sicherheit kann aber vor allem durch Prävention erreicht werden. Sie ist besonders wirksam, wenn sie den Einstieg in die Kriminalität verhindert. Bildung, Chancengerechtigkeit, Arbeitsmarktperspektiven und sozialpolitische Maßnahmen sind dabei entscheidend. Diese Faktoren sind sowohl aus wirtschafts- als auch aus kriminalpolitischer Sicht wichtig. Hier bedarf es eines Umdenkens in der Sicherheitspolitik hin zu einem gesamtpolitischen Ansatz, der wirtschafts- und sozialpolitische Aspekte mitdenkt und zu einer evidenzbasierten Kriminalpolitik führt.
Fazit: Kein Sondervermögen für Steuergeschenke
Um den Standort Deutschland für neue Investitionen wieder attraktiv zu machen, wird es entscheidend sein, dass die angekündigten 500 Milliarden Euro in die marode Infrastruktur investiert und die Investitionen durch die benannten Strukturreformen begleitet werden. Im Sondierungspapier von Union und SPD sind viele Diagnosen richtig gestellt, die vorgeschlagenen Maßnahmen greifen aber viel zu kurz. Zentrale Elemente werden gar nicht erst angesprochen. Die nächste Bundesregierung ist gefordert, mehr Verantwortung für Deutschland zu übernehmen und einen Reformprozess zur Verbesserung der Standortbedingungen einzuleiten, anstatt weiterhin Partikularinteressen zu bedienen.
Das Sondervermögen darf nicht dazu führen, dass Investitionen im Staatshaushalt zu Gunsten von Steuergeschenken unter anderem an Rentner*innen, Landwirt*innen oder die Gastronomie gesenkt werden. Stattdessen sollten Investitionen in die fünf wichtigsten Rahmenbedingungen – analoge sowie digitale Infrastruktur, Bürokratie, Erhöhung des Erwerbspersonenpotenzials und innere Sicherheit – gezielt getätigt werden. Die Zukunft des Standort Deutschlands wird davon abhängen, welche Maßnahmen in den anstehenden Koalitionsverhandlungen ergriffen werden. Das Parlament sollte bei der Verabschiedung des entsprechenden Sondervermögens die Freigabe einzelner Tranchen an Fortschritte beim Reformprozess zur Verbesserung der Standortbedingungen knüpfen.
Der Standort Deutschland kränkelt. Seine Wettbewerbsfähigkeit nimmt ab. Immer mehr Betriebe schließen, weil die Standortbedingungen für Investitionen nicht mehr stimmen und sich die Produktion für sie nicht mehr lohnt. Andere Unternehmen verlagern ihren Standort – trotz deutlich höherer Lohnkosten sogar in die Schweiz – und tätigen Neuinvestitionen eben nicht mehr in Deutschland, sondern im Ausland. Seit fast 20 Jahren sprechen viele, wie zum Beispiel die britische Wochenzeitung The Economist, von einem Reformstau.
Nun haben Vertretende der potenziell nächsten Bundesregierung ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Zusätzlich ist eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben geplant. Alles in allem könnte dieses Schuldenmanöver dann bis zu einer Billion Euro umfassen. Diese Mittel sollen für Investitionen in die marode Infrastruktur und für die Wehrfähigkeit der Europäischen Union (EU) genutzt werden. Das Sondervermögen darf aber nicht dazu führen, dass die dringend notwendigen Investitionen im Staatshaushalt gesenkt werden, um Steuergeschenke zu verteilen. Darüber hinaus muss allen Beteiligten bewusst sein, dass Investitionen allein nicht die hinlänglich bekannten Standortprobleme lösen werden, sondern vielleicht sogar in ihrer Wirkung verpuffen, wenn die Standortprobleme nicht angegangen werden. Neben der Infrastruktur nennen die Unternehmen an erster Stelle stark gestiegene Bürokratielasten. Gleichzeitig besteht eine immense demografische Herausforderung, der nicht nur durch die Erhöhung des inländischen Fachkräftepotenzials, sondern insbesondere auch durch die Zuwanderung von Fachkräften begegnet werden muss. Dieses Thema wurde jedoch zuletzt von der emotional geführten Debatte um die Zuwanderung von Flüchtlingen überlagert, die wiederum mit Fragen der inneren Sicherheit verknüpft ist.
Diese Punkte wurden teilweise im kürzlich verabschiedeten Sondierungspapier von Union und SPD aufgegriffen. Es wird jedoch davon abhängen, welche Maßnahmen in den anstehenden Koalitionsverhandlungen ergriffen werden.
Der vorliegende Beitrag nimmt die fünf zentralen Standortbedingungen in den Blick und macht – vor dem Hintergrund des Sondierungspapiers – konkrete Vorschläge, mit welchen Maßnahmen sie verbessert werden können.
Fokus auf Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur setzen
Ein zentraler Faktor für bessere Standortbedingungen ist eine moderne Infrastruktur. Hier besteht in Deutschland ein großer Nachholbedarf an Investitionen. Das zeigt sich nicht nur im täglichen Leben durch marode Straßen, verspätete Züge und im Bildungsbereich. Die Koalitionspartner haben kürzlich ihre Pläne für ein Infrastruktur-Sondervermögen von rund 500 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre vorgestellt. Angesichts des seit Jahrzehnten sehr niedrigen Anteils der öffentlichen Investitionsquote von rund zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist das ein wichtiger und richtiger Schritt. Wie die Ausgaben im Einzelnen aussehen werden, bleibt vorerst offen, bis der konkrete Haushaltsplan vorliegt. Auch das Sondierungspapier macht nicht deutlich, wie die Infrastruktur verbessert werden soll.
Um den Standort Deutschland attraktiver zu machen, ist es nicht nur wichtig, mehr öffentliche Gelder in die Hand zunehmen, sondern die Mehrausgaben müssen auch in die richtige Infrastruktur investiert werden. Dabei spielt die analoge Infrastruktur in Städten und Gemeinden, aber auch der Schienen- und Fernverkehr sowie der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) eine wichtige Rolle für die Standortfrage. Ein gutes Verkehrsnetz reduziert die Transportkosten und macht sowohl die Beschaffung als auch den Absatz günstiger. Darüber hinaus erhöht es die Erreichbarkeit und lindert damit die Notlagen in manchen Wohnungslagen, da es möglich wird, weiter vom Arbeitsplatz entfernt zu wohnen. Daneben ist die entsprechende Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur ein entscheidender Faktor, um den Arbeitsinput zu gewährleisten. Hoch qualifizierte Arbeitskräfte sind ein entscheidender Standortvorteil Deutschlands. Zusätzlich generieren Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstitute wichtige Grundlagenforschung, die die Produktivität von Arbeit und Kapital erhöhen. Des Weiteren hat eine gute Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur den Vorteil, dass besser ausgebildete Personen sozial mobiler sind und beide Elternteile am Arbeitsmarkt teilnehmen können. Beides verringert soziale und ökonomische Ungleichheit und Kriminalität.
Leider macht das Sondierungspapier eines deutlich: Nötige öffentliche Investitionsausgaben werden vom regulären Haushalt in ein Sondervermögen verschoben. Der freiwerdende finanzpolitische Spielraum wird für diverse Steuergeschenke verplant. Eine höhere Pendlerpauschale, eine weitere Rentenerhöhung und die geplante Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie sind die prominentesten Beispiele. Dabei könnten diese Steuergeschenke erheblich ausfallen.
Ein neuer Weg zum radikalen Bürokratieabbau
Mit vier Bürokratieentlastungsgesetzen haben die Bundesregierungen der letzten 20 Jahre vergeblich versucht, den Standort Deutschland attraktiver zu machen. Denn gleichzeitig wurden viele neue Gesetze auf den Weg gebracht, zuletzt allein 14 000 aus der EU, deren zusätzliche Belastungen die Entlastungen aus diesen Gesetzen bei weitem übersteigen. Bürokratie ist zum Mühlstein im unternehmerischen Alltag geworden.
Zeitraubende Berichtspflichten, umständliche Vorschriften und Genehmigungsverfahren treiben die Produktionskosten in die Höhe. Das ifo Institut schätzt, dass Unternehmen durchschnittlich 22 Prozent der Arbeitszeit für Bürokratie– ein wesentlicher Grund, warum Unternehmen Neuinvestitionen nicht mehr in Deutschland tätigen.
Was bisher vernachlässigt wurde, ist die Tatsache, dass sich die Belastung der Unternehmen durch Bürokratie in eine Sachebene (Anzahl der Vorschriften) und eine Personenebene (Qualität der öffentlichen Verwaltung) aufteilen lässt. Die bisherige Politik, und das gilt auch für das Sondierungspapier, konzentriert sich auf den Abbau von Vorschriften und Berichtspflichten und ist damit gescheitert und wird auch weiterhin scheitern. Die Gesamtzahl der Vorschriften wird weiter zunehmen.
Damit wird die Qualität der öffentlichen Verwaltung zu einem zentralen Element der aktiven Gestaltung von Wirtschaftspolitik. Eine qualitativ hochwertige Verwaltung zeichnet sich durch schlanke Verfahren, verständliche Vorschriften und zumutbare Berichtspflichten aus. Bei hoher Verwaltungsqualität werden Entscheidungen und Genehmigungsverfahren innerhalb von Wochen – und nicht erst nach Jahren – effizient und transparent getroffen. Bei der Umsetzung werden Unternehmen aktiv von Vorschriften entlastet. Dann bietet die öffentliche Verwaltung den wichtigsten Vorteil von Regulierung: Rechtssicherheit für die Unternehmen.
Dass eine hohe Qualität der öffentlichen Verwaltung möglich ist, zeigen die nordischen Länder. Dort gibt es trotz hoher Regulierungsdichte gerade deshalb kein Standortproblem.
Die nächste Bundesregierung sollte daher ambitionierter werden und es zu einem festen Bestandteil ihrer Wirtschaftspolitik machen, die Verwaltungsqualität zu steigern, anstatt wieder nur Berichtspflichten zu senken. Radikaler Bürokratieabbau bedeutet den Aufbau einer leistungsfähigen und digitalisierten Verwaltung, unterstützt durch künstliche Intelligenz, die mit transparenten Prozessen und Verantwortlichkeiten unterlegt ist. Konkretes Ziel sollte dann sein, die Bürokratiekosten für Unternehmen in den nächsten fünf Jahren zu halbieren (und nicht nur um 25 Prozent zu senken, wie im Sondierungspapier angestrebt). Das ist eine Investition in den Standort, die sich lohnt.
Wettbewerb als Leitprinzip für eine leistungsfähige digitale Infrastruktur
Die angehenden Koalitionäre erkennen zwar die Bedeutung der Digitalisierung an, haben aber keine konkreten Pläne für die digitale Infrastruktur. Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur ist jedoch entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Resilienz Deutschlands. Private Investitionen müssen dabei eine zentrale Rolle spielen, und um sie zu stärken, ist ein wettbewerbsorientierter Ansatz unerlässlich.
Auch hier gilt: Die Qualität der öffentlichen Verwaltung muss verbessert werden. Statt den Infrastrukturwettbewerb einzuschränken, braucht es gezielte Maßnahmen für einen effizienten Glasfaserausbau: Vereinfachte und digitalisierte Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie einheitliche Standards und zentrale Genehmigungsplattformen. Ein transparenter Übergang von Kupfer- zu Glasfasernetzen mit verbindlichen Fristen sichert den Wettbewerb und beschleunigt den Ausbau. Faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer, insbesondere durch die Regulierung des Infrastrukturzugangs, sind essenziell, um eine Monopolisierung neuer Netze zu verhindern. Zudem sollten alle realisierbaren Vorleistungsprodukte zu marktüblichen Konditionen und einheitlichen Standards angeboten werden.
Im Mobilfunk sollte die Versteigerung des knappen Frequenzspektrums wieder als vorrangiges Verfahren im Telekommunikationsgesetz verankert werden. Der Markt sollte wieder vier vollwertige Netzbetreiber zulassen. Dazu müssen Ausbauverpflichtungen für Neueinsteiger fair ausgestaltet und Behinderungsstrategien etablierter Anbieter verhindert werden. Wettbewerbsbeschränkende Verbote auf dem Vorleistungsmarkt sowie Restriktionen bei der Errichtung von Mobilfunkstandorten sollten vermieden werden.
Die staatliche Förderung des Netzausbaus sollte strikt auf unterversorgte Gebiete beschränkt bleiben, in denen ein marktgetriebener Ausbau nicht wirtschaftlich ist, um die Verdrängung privater Investitionen und die Entwertung bestehender Netze zu vermeiden. Geförderte Infrastrukturen sollten allen Marktteilnehmern offenstehen, Open-Access-Verpflichtungen sollten integraler Bestandteil der Förderung sein und konsequent überwacht werden.
Von zentraler Bedeutung für die technologische Souveränität und Innovationsfähigkeit Deutschlands ist auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur in den Bereichen KI, Cloud-Technologien und Supercomputing. Hier bedarf es einer koordinierten europäischen Strategie. Programme wie die Important Projects of Common European Interest (IPCEI) mit denen die EU strategische Schlüsseltechnologien fördert, sollten gezielt genutzt werden, um wettbewerbsfähige KI-Lösungen zu entwickeln und den Aufbau eines europäischen Technologiestacks – vom Chip bis zur Anwendungsebene – voranzutreiben.
Zuwanderung von Fachkräften und Innovator*innen erleichtern
Derzeit sinkt das inländische Erwerbspersonenpotenzial jährlich um rund 300 000 Personen, weil mehr Menschen in Rente gehen, als in den Arbeitsmarkt eintreten. Damit Deutschland sein Produktionspotenzial ausschöpfen und die vielen anstehenden Infrastrukturinvestitionen bewältigen kann, ist ein Gesamtkonzept erforderlich, um das vorhandene inländische Erwerbspersonenpotenzial und die Zuwanderung von Fachkräften zu steigern. Mit Blick auf das inländische Erwerbspersonenpotenzial gehören dazu, anders als im Sondierungspapier, neben der Abschaffung der Rente mit 63 Jahren und der sukzessiven Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre, auch Maßnahmen, die es insbesondere Frauen ermöglichen, ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Denn viele wollen mehr arbeiten, können es aber nicht. Zu letzterem äußert sich das Sondierungspapier in keiner Weise. Dazu gehören zum Beispiel die Ganztagsschulen und die tatsächliche Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz. Zum anderen ist es an der Zeit, das Ehegattensplitting abzuschaffen, um Anreize zu schaffen, in den Arbeitsmarkt einzusteigen oder die Arbeitszeit zu erhöhen.
Im Mittelpunkt der Maßnahmen muss jedoch eine erleichterte Zuwanderung von dringend benötigten Arbeitskräften stehen, um die anstehenden demografischen Herausforderungen zu bewältigen. Dafür braucht es statt des im Sondierungspapier enthaltenen Sammelsuriums von Maßnahmen ein gesamtheitliches Konzept, differenziert nach Gründen für Zuwanderung. Bei der Arbeitsmigration war das Fachkräftezuwanderungsgesetz ein Schritt in die richtige Richtung – aber es dauert immer noch viel zu lange, bis Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten bei uns arbeiten können. Im Mittelpunkt steht daher erneut die Bürokratie. Es bedarf klar definierter Prozesse mit dem Ziel, innerhalb eines Monats über die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden. Das fängt bei der digitalisierten Visa-Vergabe an, geht über serviceorientiert geschulte Ausländerbehörden bis hin zur beschleunigten Anerkennung von Abschlüssen. Das gilt sowohl nach der Zusage eines Arbeitsverhältnisses als auch für die Suche nach einem Arbeitsverhältnis innerhalb Deutschlands. Darüber hinaus sollten die Hürden für eine erneute Einreise nach einer Ausreise möglichst geringgehalten werden, um eine “zirkuläre Migration” zu ermöglichen.
Ein weiteres Augenmerk zur Verbesserung der Standortbedingungen muss auf der Gewinnung von Innovator*innen und Forschenden liegen, die im Sondierungspapier überhaupt nicht erwähnt werden. Jährlich verlassen mehr Forschende und Innovator*innen Deutschland als nach Deutschland kommen. Damit verliert das Land Potenzial für die Einführung innovativer Technologien, Produkte und Dienstleistungen, die zu den wichtigsten Faktoren für künftiges Wirtschaftswachstum zählen. Um diesen Trend umzukehren, muss das Arbeitsumfeld in Deutschland für diese Menschen attraktiver gestaltet werden: Neben der mehrfach genannten effizienteren Bürokratie gehört dazu der Zugang zu Risikokapital. Dazu sollte es Unternehmen aus dem Finanzsektor, wie zum Beispiel Versicherungen, erlaubt werden, einen geringen Prozentsatz ihres Vermögens in Start-ups zu investieren. Zweitens sollte die neue Bundesregierung angesichts der Entwicklungen in den USA einen Fond auflegen, der gezielt Forschende und Innovator*innen aus den USA anwirbt. Dieser Fond kann direkt das Gehalt oder Kapitalausstattung finanzieren. Schließlich ist das deutsche Steuersystem hinsichtlich der Besteuerung reinvestierter Gewinne im Vergleich zu den USA unattraktiv. Es muss vorrangig Investitionsanreize setzen.
Innere Sicherheit durch Prävention stärken
Der Wahlkampf in Deutschland war nach mehreren Anschlägen von einem intensiven Diskurs zur inneren Sicherheit geprägt, der aber im Sondierungspapier nicht explizit aufgegriffen wird. Um die innere Sicherheit nachhaltig zu gewährleisten und damit den Standort zu stärken, muss die politische Debatte versachlicht werden hin zu einer evidenz-basierten Kriminalpolitik. Das Sondierungspapier bietet im Bereich der inneren Sicherheit jedoch nur zwei Punkte an: Der eine ist eine (lobenswerte) Weiterentwicklung des Opferschutzes bei Gewalt gegen Frauen, der andere eine implizite Annäherung an Maßnahmen der inneren Sicherheit im Sinne der Begrenzung irregulärer Migration.
Der aktuelle Diskurs, der Kriminalität mit Migration verknüpft, ist jedoch kaum wissenschaftlich fundiert. Der hohe Anteil ausländischer Tatverdächtiger in der Polizeilichen Kriminalstatistik ist vor allem auf demografische (Alter, Geschlecht) und sozio-ökonomische Risikofaktoren (Bildung, Einkommen, Arbeitsmarktperspektiven, Wohnorte) zurückzuführen. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren kann die pauschale Aussage, dass Zuwanderung die Kriminalität erhöhe, nicht bestätigt werden. Für die Herausforderungen der Migrationspolitik (bei Integrations- und Kapazitätsfragen) müssen Lösungen gefunden werden. Eine restriktivere Migrationspolitik wird jedoch nicht die Lösung für eine nachhaltige innere Sicherheit sein.
Vielmehr sollte bei der Kriminalitätsbekämpfung priorisiert werden und eine ganzheitliche Strategie zur Kriminalitätsprävention im Mittelpunkt stehen. Eine gut funktionierende Polizei ist für die Kriminalitätsbekämpfung von zentraler Bedeutung. Die neue Bunderegierung sollte eine nachhaltige Strategie entwickeln, die eine verbesserte föderale Zusammenarbeit und Kooperation der Polizei und anderer Behörden/Institutionen über die Ländergrenzen hinweg beinhaltet. Bestehende Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung sollten (unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit) konsequenter umgesetzt werden, bevor Strafrahmen erhöht werden. Die Unterstützung und Modernisierung von Polizei und Justiz, einschließlich moderner technischer Ausstattung, Digitalisierung, Reformen zu Datenspeicherung und Bürokratieabbau sollten angegangen werden. Darüber hinaus müssen Ansätze entwickelt werden, um den Fachkräftebedarf in der Polizei zu decken. Die Polizeigewerkschaften fordern eine Einstellungsoffensive – dafür muss der Beruf attraktiv sein.
Nachhaltige innere Sicherheit kann aber vor allem durch Prävention erreicht werden. Sie ist besonders wirksam, wenn sie den Einstieg in die Kriminalität verhindert. Bildung, Chancengerechtigkeit, Arbeitsmarktperspektiven und sozialpolitische Maßnahmen sind dabei entscheidend. Diese Faktoren sind sowohl aus wirtschafts- als auch aus kriminalpolitischer Sicht wichtig. Hier bedarf es eines Umdenkens in der Sicherheitspolitik hin zu einem gesamtpolitischen Ansatz, der wirtschafts- und sozialpolitische Aspekte mitdenkt und zu einer evidenzbasierten Kriminalpolitik führt.
Fazit: Kein Sondervermögen für Steuergeschenke
Um den Standort Deutschland für neue Investitionen wieder attraktiv zu machen, wird es entscheidend sein, dass die angekündigten 500 Milliarden Euro in die marode Infrastruktur investiert und die Investitionen durch die benannten Strukturreformen begleitet werden. Im Sondierungspapier von Union und SPD sind viele Diagnosen richtig gestellt, die vorgeschlagenen Maßnahmen greifen aber viel zu kurz. Zentrale Elemente werden gar nicht erst angesprochen. Die nächste Bundesregierung ist gefordert, mehr Verantwortung für Deutschland zu übernehmen und einen Reformprozess zur Verbesserung der Standortbedingungen einzuleiten, anstatt weiterhin Partikularinteressen zu bedienen.
Das Sondervermögen darf nicht dazu führen, dass Investitionen im Staatshaushalt zu Gunsten von Steuergeschenken unter anderem an Rentner*innen, Landwirt*innen oder die Gastronomie gesenkt werden. Stattdessen sollten Investitionen in die fünf wichtigsten Rahmenbedingungen – analoge sowie digitale Infrastruktur, Bürokratie, Erhöhung des Erwerbspersonenpotenzials und innere Sicherheit – gezielt getätigt werden. Die Zukunft des Standort Deutschlands wird davon abhängen, welche Maßnahmen in den anstehenden Koalitionsverhandlungen ergriffen werden. Das Parlament sollte bei der Verabschiedung des entsprechenden Sondervermögens die Freigabe einzelner Tranchen an Fortschritte beim Reformprozess zur Verbesserung der Standortbedingungen knüpfen.