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13.04.2015 Vorsicht bei Vertragskündigung im Insolvenzfall

Kündigen Auftraggeber einen Bauvertrag, weil der Auftragnehmer insolvent ist, kann das zu Problemen führen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat eine diesbezügliche Regelung für unwirksam erklärt. Rechtsanwalt Philipp Oberbrunner von der wirtschaftsrechtlich orientierten Full-Service-Kanzlei Schröder Fischer aus Düsseldorf rät dazu, gemeinsam mit dem Anwalt Optionen zu entwickeln, um die eigenen Interessen durchzusetzen.

Wird ein Unternehmen insolvent, setzt das zahlreiche besondere Mechanismen in Gang. Beispielsweise sieht Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) vor, dass Auftraggeber von Bauleistungen im Falle der Insolvenz des Auftragnehmers die Möglichkeit haben, den Bauvertrag zu kündigen und Schadenersatz zu verlangen – sofern sich die Parteien vertraglich darauf geeinigt haben, dass die VOB/B als eine Art „Profiregelwerk“ Anwendung findet.
„Das ist aber problematisch, denn eine andere gesetzliche Regelung sieht vor, dass der Insolvenzverwalter wählen darf, ob bestehende Verträge eines insolventen Unternehmens fortgeführt werden oder eben nicht“, erläutert Philipp Oberbrunner, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei der wirtschaftsrechtlich orientierten Full-Service-Kanzlei Schröder Fischer aus Düsseldorf. Verfüge beispielsweise ein insolventes Bauunternehmen über lukrative Aufträge, wolle der Insolvenzverwalter natürlich an diesen festhalten, um die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen. „Durch § 8 Abs. 2 der VOB/B wird dieses Wahlrecht des Insolvenzverwalters unterlaufen“, kommentiert Oberbrunner. Dies sei durch eine ältere Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) gestützt gewesen.

Nun hatte der BGH 2012 im Zusammenhang mit einer vergleichbaren Regelung entschieden, dass eine Vertragsbeendigung im Falle der Insolvenz einer der beiden Vertragsparteien unwirksam ist – eben wegen der Wahlfreiheit des Insolvenzverwalters, an dem Vertrag festhalten zu können. Jedoch hatten verschiedene Oberlandesgerichte und zuletzt das Landgericht Wiesbaden die Vertragskündigung nach VOB/B für wirksam erklärt – sich aber sowohl inhaltlich nur unzureichend mit der Problematik befasst als auch, wie im Falle des Landgerichts Wiesbaden, letztlich falsch entschieden, wie Philipp Oberbrunner erläutert. „Das Oberlandesgericht Frankfurt hat dementsprechend die Entscheidung mit Urteil vom 16. März aufgehoben und mit Bezug auf die BGH-Entscheidung klargestellt, dass die Regelung § 8 Abs. 2 der VOB/B unwirksam ist“, sagt der Anwalt (Urteil – 1 U 38/14).

Doch was heißt das jetzt für die Praxis, werden sich Unternehmen und Privatleute fragen, die mit Bauunternehmen und anderen Gewerken aus dem Bauhaupt- und Baunebengewerbe arbeiten? „Eine Vertragskündigung, die ausschließlich mit der Insolvenz des Auftragnehmers begründet wird, wird sehr teuer für den Auftraggeber“, warnt der Schröder Fischer-Anwalt. Das hat einen einfachen Grund: Aufgrund der Unwirksamkeit von § 8 Abs. 2 der VOB/B greift der § 649 Bürgerliches Gesetzbuch. Dieser besagt, dass Bauverträge grundsätzlich zu jeder Zeit ohne besonderen Kündigungsgrund beendet werden können – jedoch eben zulasten des Auftraggebers. „Diesem Gesetz zufolge besteht für den Auftragnehmer im Falle einer solchen freien Kündigung ein Anspruch auf Vergütung sämtlicher Leistungen, die im Bauvertrag vereinbart wurden – auch diejenigen, die noch gar nicht ausgeführt wurden.“ Dadurch werde zwar auch das Wahlrecht des Insolvenzverwalters unterlaufen, aber dieser bekomme auf diese Weise schließlich Geld für die Gläubigerbefriedigung. Und zwar ohne dass Aufträge weitergeführt werden müssen.

Philipp Oberbrunner rät Auftraggebern deshalb dazu, in einem solchen Fall gemeinsam mit dem anwaltlichen Berater die Verträge genau zu überprüfen. „Wir werden dann alle zulässigen Möglichkeiten zur Kündigung eines Bauvertrags prüfen und eine Kündigung gegebenenfalls anderweitig begründen, damit eben nicht § 649 Bürgerliches Gesetzbuch greift. Zu den potenziellen Gründen gehören beispielsweise Mängel, unzulässige Nachunternehmerbeauftragung oder Verzug des Auftragnehmers.“ Auf diese Weise könnten die Mandanteninteressen gewahrt werden.

Der Anwalt erkennt auf jeden Fall eine Relevanz für den Alltag in dem Urteil. Insolvenzen im Baugewerbe sind leider nicht selten und in 2015 könnte die Zahl der Insolvenzen weiter steigen. Außerdem hat die Handwerkskammer Düsseldorf kürzlich mitgeteilt, dass zwei Drittel der regionalen Handwerksinsolvenzen auf das Bau- und Ausbaugewerbe entfallen. „Damit ist ein gewisses Risiko auf jeden Fall vorhanden.“


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