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01.05.2019 Grundsteuer:Zoniertes Bodenwertmodell statt eierlegende Wollmilchsau

Das Bundesverfassungsgericht zwingt die Politik zu einer Reform der Grundsteuer bis Jahresende – und das ist erst mal auch gut so. Denn sie basiert auf völlig veralteten Einheitswerten. Das Problem ist dabei aber weniger die Höhe der Bewertung als vielmehr die Relationen zwischen guten und schlechten Qualitäten, insbesondere zwischen guten und schlechten Lagen. Denn die letztendliche Höhe der Steuer wird ohnehin nicht durch die Bewertung bestimmt, sondern über kommunale Hebesätze von teils mehreren Hundert Prozent festgelegt. Da dies so ist, kann auch niemand und kein Modell a priori eine Aufkommensneutralität der Reform gewährleisten.

Doch anstatt ein verständliches, logisches und leicht umsetzbares Modell zu entwickeln, kapriziert sich die Diskussion auf die Zeugung einer eierlegenden Wollmichsau: Die neue Grundsteuer soll aufkommensneutral sein, die Mieter allenfalls entlasten und die Vermieter eher belasten sowie befürchtete Härtefälle vermeiden und nebenbei auch noch irgendwie die Wohnungsknappheit lösen. Reformgegner dagegen befürchten dramatische Steuererhöhungen, Belastungsverschiebungen und eine Bürokratisierung der Erhebung bei der Umsetzung einzelner Modellvorschläge.

Die diskutierten Steuermodelle

Diskutiert werden im Prinzip drei Modellvarianten:
Eine Bodenwertsteuer, die sich ausschließlich an der Grundstücksfläche und dessen Wert orientiert. Die Idee: Die Grundsteuer soll eine Gegenleistung für kommunale Infrastruktur sein, diese ist umso wertvoller je zentraler also je teurer die Lage (Äquivalenzprinzip); insbesondere werden so die Haltekosten unbebauter, zentraler Grundstücke erhöht, damit Baulandspekulation verteuert und so vorhandenes, aber nicht verfügbares Bauland mobilisiert.

Eine Flächensteuer, die sich vor allem an der Wohnfläche und nicht am Wert orientiert. Die Idee: Wer mehr Fläche bewohnt, soll und kann mehr bezahlen (Leistungsfähigkeitsprinzip); insbesondere soll die Steuer an der Wohnfläche anknüpfen, um die Umlagefähigkeit auf Mieter zu rechtfertigen, und soll sie nicht am Wert anknüpfen, um nicht durch die Hintertür eine einseitige Vermögensteuer auf Immobilien einzuführen.

Das Scholz-Modell, das sich an Nettokaltmiete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert orientiert sowie allerlei weitere Ausnahmetatbestände berücksichtigt. Die (vermutliche) Idee: Die Grundsteuer soll die Mieten senken und ohnehin teure Mieterstädte nicht noch teurer machen (nicht mehr umlagefähig auf Mieter sein und Sozialwohnungen bevorzugen), automatische Erhöhungen ermöglichen und einen Ersatz für die ausgesetzte Vermögensteuer schaffen (direkte Koppelung an Bodenrichtwerte) sowie aus unersichtlichen Motiven heraus Gründerzeithäuser vergünstigen und Neubau verteuern (Steuer steigt mit dem Baualter).

Die Grundsatzfrage

Aber muss eine intelligente Grundsteuerreform, die Bauland mobilisiert, notwendig zu permanenten Erhöhungen des Aufkommens sowie zu extremen Verschiebungen zwischen Objekten innerhalb einer Stadt führen? Müssen Mieter in teuren Großstädten deswegen notwendig dramatische Anstiege bei den Nebenkosten erleiden?

Das Problem

Ein objektbezogener Wechsel von den veralteten Einheitswerten hin zu aktuelleren Marktwerten ließe vermutlich vielerorts die Bemessungsgrundlage explodieren. Eine Absenkung der kommunalen Hebesätze könnte dies zwar beheben, aber viele befürchten, die Kommunen werden das „übersehen“ und so heimlich Mehreinnahmen einstecken.

Die Lösung

Warum legen wir nicht einfach einen Wert weit unterhalb des Bodenrichtwertes zugrunde und zwingen die Kommunen so, den Hebesatz zu erhöhen, wenn sie keine Einnahmeverluste erleiden wollen?

Das Bundesverfassungsgericht kritisiert doch nicht die Höhe der aktuellen Einheitswerte, sondern allein die veralteten Relationen unterschiedlicher Lagen. Warum legen wir den Wert eines Quadratmeters Wohnfläche (oder Grundstücksfläche) nicht einfach ein für alle Mal auf 100 fest?

Zonierung statt Bewertung

Je nach Gemeindegröße kann man darüber hinaus pauschaliert Wohnwertzonen festlegen von 120 (gute Lage) oder 150 (Villenviertel) sowie Zonen von 80 (schlechtere Lage) oder 60 (Außenbereich). Die Relationen lassen sich wahlweise aus Bodenrichtwerten oder Mieten ableiten. Aufgrund der Zonierung entfällt eine aufwändige individuelle Objektbewertung – und damit nebenbei auch jede Menge Verwaltungsarbeit und Streitanfälligkeit. Alle 5 bis 10 Jahre wären die Grenzen der Zonierung mit wenig Aufwand anzupassen.

Das zonierte Bodenwertmodell

Ohne diese Zonierung ergäbe der Vorschlag ein reines Flächenmodell, mit Zonierung ein wertabhängiges Flächenmodell; nimmt man Bodenrichtwerte für die Zonierung, ergibt sich ein „zoniertes Bodenwertmodell“. Im Rahmen einer Öffnungsklausel könnte man zudem jedem Bundesland Freiräume bei der Ausgestaltung der Zonierung einräumen.

Die so ermittelten Wohnwertzonen wären darüber hinaus hervorragend geeignet, um endlich eine sinnvolle Basis für Makrolagen zur Mietspiegelberechnung bereit zu stellen.

Fazit: Ein sachgerechter Kompromiss ist möglich

Natürlich hat auch dieser Modell-Vorschlag Gewinner und Verlierer. Aber das erzwingt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts notwendigerweise. Im Unterschied zu allen anderen Vorschlägen begrenzt die Pauschalierung über Wohnwertzonen aber die Extrema ganz erheblich, kann dennoch Bauland mobilisieren und führt nicht zu automatischen Steuererhöhungen in der Zukunft.

(by: empirica ag, Dr. Reiner Braun)








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