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21.01.2021 Sanierung ohne Insolvenz! StaRUG ebnet neue Wege aus der Krise

Mit Wirkung zum 1.1.2021 ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) in Kraft getreten. Es erweitert die Gestaltungsspielräume zur Durchsetzung von Sanierungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens erheblich. Denn anders als bisher, ist die Umsetzung einer außerinsolvenzlichen Sanierung auf der Grundlage des neuen „Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens“ nicht mehr von der Zustimmung sämtlicher Gläubiger abhängig. Forderungsverzichte und weitere Sanierungsmaßnahmen können fortan durchgesetzt werden, sofern eine Mehrheit von mindestens 75% der Gläubiger die Sanierung befürwortet. Obstruierenden Gläubigern wird auf diese Weise der Boden entzogen, erfolgversprechende Sanierungen zu blockieren!

Bis dato bot lediglich das förmliche Insolvenzplanverfahren die Möglichkeit, in Vermögensrechte einzelner Gläubiger gegen deren Willen durch Mehrheitsbeschluss einzugreifen. Das StaRUG erweitert den „Sanierungs-Werkzeugkasten“, indem es die Lücke zwischen außerinsolvenzlicher Sanierung (Einstimmigkeitsprinzip) und Insolvenzplanverfahren (Mehrheitsprinzip) schließt, ohne das Unternehmen jedoch mit den klassischen Nachteilen eines Insolvenzverfahrens (Kosten, Reputations- und Vertrauensverlust im Markt etc.) zu belasten.

Wesentliche Merkmale des neuen Verfahrens sind:

Eigenautonomie / Keine Publizität:

Das Unternehmen entwirft den Sanierungs-Plan, führt die Verhandlungen mit den Gläubigern und initiiert die Abstimmung über den Plan grundsätzlich in eigener Verantwortung. Soweit die Einschaltung des Gerichts dennoch erforderlich ist, werden dessen Entscheidungen nur den vom Plan betroffenen Gläubigern bekannt gemacht. Eine allgemeine öffentliche Bekanntmachung der Sanierung unterbleibt (im Gegensatz zu einem Insolvenzverfahren) jedoch.

Flexibilität:

Das Unternehmen kann die von dem Sanierungs-Plan betroffenen Gläubiger nach pflichtgemäßem Ermessen selbst auswählen. Anders als im Insolvenzverfahren müssen sich die beschlossenen Sanierungsmaßnahmen (Verzicht, Stundung, Vertragsanpassung etc.) somit nicht auf sämtliche Gläubiger des Unternehmens erstrecken. Sanierungsmaßnahmen können auf eine oder mehrere Gläubigergruppen (z.B. Finanzierer, Lieferanten, Vermieter etc.) beschränkt und damit passgenaue, flexible Sanierungslösungen erarbeitet werden.

Qualifizierte Mehrheit ausreichend:

Die betroffenen Gläubiger stimmen über den Sanierungs-Plan in Gruppen ab, wobei in jeder Gruppe eine qualifizierte Summenmehrheit von 75 % für die Planannahme ausreichend ist. Sofern einzelne Gruppen diese Mehrheitserfordernisse nicht erfüllen, kann die Zustimmung unter bestimmten Voraussetzungen dennoch durch das Gericht ersetzt werden.

Schuldenschnitt / Neu-Strukturierung von Verbindlichkeiten:

Bestehende Forderungen der planbetroffenen Gläubiger können z.B. durch Verzichte und Stundungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens angepasst werden. Dies gilt bei Dauerschuldverhältnissen allerdings nur insoweit, als die Forderungen bereits begründet sind und die Gegenleistung vom Vertragspartner erbracht worden ist.

Frühzeitige Weichenstellung:

Die Sanierung nach dem StaRUG steht Unternehmen offen, die lediglich drohend zahlungsunfähig (§ 18 InsO) sind. Der zugrunde zulegende Prognosezeitraum für die Bestimmung der drohenden Zahlungsunfähigkeit wurde grundsätzlich auf 24 Monate festlegt.

Moratorium:

Zur Stabilisierung des operativen Geschäftsbetriebs kann während der Sanierungsphase eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre gerichtlich angeordnet werden (sog. Stabilisierungsanordnung). Die Wirkung der Stabilisierungsanordnung kann sich auf einzelne oder alle Gläubiger erstrecken.

Einsetzung eines Restrukturierungsbeauftragten:

Die Bestellung eines externen „Restrukturierungsbeauftragten“ liegt grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zwingend erforderlich ist dessen Bestellung nur dann, wenn zu erwarten ist, dass eine oder mehrere der Gläubiger-Gruppen nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustimmen werden, so dass es auf das Vorliegen der Voraussetzung einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung ankommen wird. Das Unternehmen besitzt ein Vorschlagsrecht hinsichtlich der Person des Restrukturierungsbeauftragten.

Fazit:

Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen eröffnet Unternehmen Zugang zu insolvenzrechtlichen Gestaltungsvorteilen, ohne diese jedoch in ein förmliches Insolvenzverfahren zu zwingen. Er vereint Vorteile des förmlichen Insolvenzverfahrens mit der Flexibilität einer außergerichtlichen Sanierung und stellt damit ein effektives Werkzeug zur Überwindung von Liquiditäts- bzw. Ergebniskrisen dar. Besondere Relevanz dürfte dies für Unternehmen haben, die aufgrund der COVID-19-Krise eine „Bugwelle“ von Altverbindlichkeiten vor sich herschieben. Hier kann über einen Schuldenschnitt auf Basis des StaRUG ein finanziell unbelasteter Neustart gelingen.

(By: DR. ANDREAS TÖLLER, Rechtsanwalt und Partner bei ROTTHEGE | WASSERMANN)






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