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08.02.2018 Viel Bewegung im Handel

Der Einzelhandel steht nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern unter Beobachtung. Viele Marktteilnehmer machen sich Gedanken darüber, wie sich die Märkte entwickeln werden und ob der stationäre Handel langfristig gegen den an Bedeutung gewinnenden E-Commerce bestehen kann. In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, dass in der Einzelhandelslandschaft viel Bewegung ist und sich viele Mechanismen und Gepflogenheiten teilweise im Umbruch befinden. Allgemeingültige Anpassungsprozesse lassen sich aber nur bedingt ableiten, da die Entwicklungen je nach Standort und Marktsegment sehr unterschiedlich ablaufen. Dies ergibt der Retailmarkt-Report 2018, den BNP Paribas Real Estate im März veröffentlichen wird.

„Aktuell ist ein Findungsprozess zu beobachten, mit dem sich nicht nur die Einzelhändler, sondern auch die Kunden und Vermieter auseinanderzusetzen haben“, erläutert Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services. „Welche neuen Konzepte und Strukturen sich zukünftig bewähren und abschließend durchsetzen werden, ist dabei in vielen Fällen noch nicht endgültig entschieden. Unbestritten ist, dass sich sowohl die Retailer als auch die Innenstädte an veränderte Bedingungen anpassen müssen. Neue Konzepte, bei denen die Präsentation und Erlebbarkeit der Waren, z. B. durch Pop-up- und einzigartige Flagship-Stores, im Blickpunkt stehen, um ein verbessertes Brand Building zu erzeugen, sind dabei ein Erfolg versprechender Ansatz.“

Der skizzierte Wettbewerbsdruck durch den Online-Handel und die daraus resultierenden Veränderungen, etwa die tragbare Mietbelastung, haben natürlich auch Auswirkungen auf die Mietpreisniveaus. Prinzipiell lässt sich feststellen, dass die Zeiten kontinuierlich steigender Mieten vorbei sind. Aktuell sind entweder Stabilisierungstendenzen oder aber leichte Rückgänge zu beobachten. Von den 64 regelmäßig von BNP Paribas Real Estate analysierten Städten ist die Spitzenmiete bei 41 unverändert. In 23 Städten sind die Werte dagegen im Schnitt um 8 % gesunken. Anders als im Vorjahr kann keine Stadt eine gestiegene Spitzenmiete vorweisen. An den meisten A-Standorten haben sich die Top-Mieten nicht verändert. Lediglich in Köln (265 €/m²) und Düsseldorf (275 €/m²) haben sie um 4 bzw. 2 % nachgegeben. Teuerster Standort bleibt München (370 €/m²), gefolgt von Berlin (320 €/m²) und Frankfurt (300 €/m²). Hamburg und Stuttgart liegen mit 275 €/m² auf dem gleichen Niveau wie Düsseldorf. Zu berücksichtigen ist, dass die Spitzenmiete per Definition für einen 100-m²-Standardshop mit idealen Voraussetzungen gilt und damit nur ein sehr kleines Marktsegment abbildet. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass bei den Top-Mieten an den A-Standorten auch zukünftig nur geringe Anpassungen zu erwarten sein dürften. Verantwortlich hierfür ist die Tatsache, dass Läden zunehmend als Brand-Building-Instrument genutzt werden. Dies betrifft jedoch eher kleinere Mietflächen, für die Mieter bereit sind hohe Mieten zu zahlen. Zu beobachten ist auch, dass Einzelhändler versuchen, das Risiko des Umsatzes mit dem Eigentümer zu teilen und bei der Vertragsgestaltung mehr Flexibilität fordern. Instrumente wie Umsatzmieten oder Sonderkündigungsrechte werden immer häufiger thematisiert.

Differenzierte Nachfrageentwicklung

Grundsätzlich war 2017 eine gute Nachfrage zu verzeichnen, allerdings waren unterschiedliche Tendenzen zu beobachten. In einigen Marktsegmenten ist die Nachfrage rückläufig, wodurch sich die Nachvermietung teilweise schwerer gestaltet als in den Vorjahren. Dies gilt zum einen für große
Flächen – auch in den zentralen Lagen. Verantwortlich hierfür ist die relativ kleine Zielgruppe potenzieller Mieter, die sich ihrer Verhandlungsmacht zunehmend bewusst ist. Zum anderen haben die Anforderungen an die Standortqualität noch einmal zugenommen, sodass sich Rand- und B-Lagen ebenfalls schwer tun und mit einer tendenziell sinkenden Nachfrage konfrontiert sind. Als Konsequenz haben sich die Verhandlungszeiträume bei neuen Vertragsabschlüssen noch einmal verlängert. Internationale Brands zeigen zwar weiterhin großes Interesse daran, in Deutschland zu expandieren, auch hier ist aber ein etwas vorsichtigeres Agieren festzustellen. Bestes Beispiel sind UK-Labels, die aufgrund der Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Brexit bei Expansionsplänen und für sie neuen Märkten wie Deutschland äußerst vorsichtig und zurückhaltend sind. Zu den wichtigen Entwicklungen gehört auch der Trend zu kürzeren Vertragslaufzeiten. Immer weniger Mieter sind bereit, langfristige Mietverträge ohne flexible Anpassungsklauseln zu unterschreiben. In den kommenden Jahren dürfte deshalb der Anteil kürzerer Mietverträge, z. B. 3 Jahre plus Optionen, spürbar zunehmen. Diese Entwicklung wird zwar eine Herausforderung darstellen, den Markt aber nicht vor unlösbare Probleme stellen, wie ein Blick nach Frankreich zeigt: Hier sind derartige Vertragsgestaltungen schon seit Jahren üblich und funktionieren.

Kreative Konzepte und Kooperationen nehmen zu

Bei den nachfragenden Branchen lassen sich Trends und Veränderungen erkennen. So liegt der Anteil von Textilgeschäften an den bundesweiten Vermietungen 2017 nur noch bei 26 % und damit 7 Prozentpunkte unter dem fünfjährigen Durchschnitt, denn ihnen macht die Online-Konkurrenz besonders zu schaffen. Anders stellt sich die Situation bei Drogeristen und Lebensmittelhändlern dar, die immer öfter in zentrale Innenstadtlagen streben – häufig mit speziell angepassten Konzepten, um auf das veränderte Kaufverhalten der Kunden reagieren. Weiter an Bedeutung gewonnen haben Gastronomiekonzepte, die dem Trend zur Verbindung von Shoppen und Freizeit Rechnung tragen. Aktuell zeichnet sich ab, dass Retailer beginnen, Gastronomie in ihre Läden zu integrieren – entweder als Eigenmarke oder über Partner. Ein Beispiel ist Arket, ein neues Multibrand-Konzept mit Gastroanteil von H&M: Der erste Store eröffnete dieses Jahr in London, kurz danach folgte der erste deutsche Shop in der Weinstraße in München. Auch die US-Eiskette Chopp&Roll ist eine Franchise-Partnerschaft mit Karstadt eingegangen. Immer mehr in den Vordergrund rückt darüber hinaus das Thema Brand Building, wobei auch auf den ersten Blick ungewöhnliche Kooperationen eingegangen werden, wie der gemeinsame Showroom des Auto-Tuners Brabus und des Yachtbauers Sunseeker auf der Kö in Düsseldorf zeigt. Nicht zuletzt Berlin profitiert von dieser Entwicklung, was durch diverse internationale New Entries am Hackeschen Markt unterstrichen wird. Die sich permanent weiterentwickelnde und an internationaler Bedeutung gewinnende Metropole bleibt für Retailer extrem spannend, auch wenn die Umsätze noch etwas unter denen anderer Hotspots liegen.

Perspektiven

Der Retailmarkt ist nach wie vor lebhaft und trifft auf großes Interesse von Mietern. Berücksichtigt man gleichzeitig den Rückenwind, den die ökonomischen Fundamentaldaten liefern, sind Schreckensszenarien über die Zukunft des stationären Handels überzogen und unzutreffend. „Anpassungsprozesse wie kleinere Ladengrößen oder kürzere Vertragslaufzeiten, die zu Veränderungen führen, sind Phänomene, mit denen sich Eigentümer auch in anderen Assetklassen wie Büro oder Logistik konfrontiert sehen und die vor allem der zunehmenden Digitalisierung und Flexibilisierung geschuldet sind. Vor der Aufgabe sich anzupassen und neue innovative Konzepte zu entwickeln stehen also alle Branchen. Hierin ist aber auch eine Chance zu sehen, das gilt sowohl für den Einzelhandel als auch die Gesamtwirtschaft. Wie die Retail-Investmentumsätze belegen, sehen Investoren das scheinbar auch so. Eine generelle Skepsis gegenüber Einzelhandelsimmobilien, die aus der dynamischen E-Commerce-Entwicklung resultiert, ist bei ihnen nicht festzustellen, auch wenn vielleicht an der einen oder anderen Stelle etwas intensiver geprüft wird als früher“, sagt Christoph Scharf.







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