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27.02.2019 Schwache Wirtschaft, düstere Prognosen, Bauzinsen im Sinkflug

EZB besorgt: Schwache Konjunktur vor allem für Schuldenstaaten problematisch
Drohendes Brexit-Chaos, alte und neue Handelskonflikte, Schuldenberge, Konjunkturflaute: die Vielzahl der aktuell ungelösten wirtschaftlichen und politischen Probleme macht deutlich, warum die europäischen Währungshüter zunehmend besorgt sind. Bereits mehrfach wurden die Wirtschaftsaussichten für das Jahr 2019 nach unten korrigiert. Die EU-Kommission senkte die Prognose für das Wirtschaftswachstum der Euro-Zone zuletzt von 1,9 Prozent auf 1,3 Prozent – und viele Experten halten sogar diese Korrektur für zu optimistisch. Selbst das deutsche Finanzministerium rechnet wegen der abflauenden Konjunktur mit einem Haushaltsloch von 25 Milliarden bis 2023.

Besonders problematisch sind die düsteren Konjunkturaussichten allerdings für diejenigen Länder, die es trotz lockerer Geldpolitik und Niedrigzinsen nicht geschafft haben, ihren Schuldenberg abzubauen. Für Italien, den Staat mit der höchsten Schuldenquote Europas, prognostiziert die EU-Kommission ein Wachstum von gerade einmal 0,2 Prozent in 2019. „Die Refinanzierungsbedingungen der italienischen Banken werden sich deutlich verschlechtern“, meint auch Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG. „Allein um den Schuldendienst leisten zu können, ist Italien daher auf anhaltend niedrige Zinsen angewiesen. Sollte die aktuelle Regierung weiterhin für Unsicherheit sorgen und wichtige politische Reformen aufschieben, dann könnte der drittgrößten europäischen Volkswirtschaft mittelfristig sogar eine handfeste Schuldenkrise drohen.“

TLTROs, Anleihekäufe, Helikoptergeld – braucht Europa neue Geldspritzen?
Eine Normalisierung der Geldpolitik rückt wegen der schwächelnden Wirtschaft und des weiter nachlassenden Preisdrucks in weite Ferne. „Ich sehe definitiv keinen Zinsschritt in diesem Jahr“, erklärt Michael Neumann. „Ganz im Gegenteil: Aktuell steigt der Druck auf die EZB, zusätzliche stimulierende Maßnahmen zu ergreifen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die EZB zunächst zu einer Neuauflage der TLTROs greifen wird“, so die Einschätzung des Zinsexperten Neumann. TLTRO bedeutet übersetzt „Gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte“: ein milliardenschweres Anreizprogramm für Banken, mehr Kredite zu vergeben. „Wenn die Konjunktur weiterhin deutlich abkühlt, ist mittelfristig auch ein Wiederaufleben der Anleihekäufe nicht auszuschließen.“

Selbst ein Instrument, das bisher als geldpolitisches Tabu gilt und nicht einmal während der Finanzkrise zum Einsatz kam, wird derzeit von einigen Finanzexperten ins Gespräch gebracht: das so genannte Helikoptergeld Dabei handelt es sich um eine Art „Geldsegen von oben“, bei der die Notenbank mit Geldinjektionen direkt in die Wirtschaft eingreift. „Dass die EZB zu einer so extremen und umstrittenen Maßnahme greift, halte ich aktuell allerdings für unwahrscheinlich“, meint Michael Neumann.

Draghi-Nachfolge: Falken wie der Bundesbank-Chef Weidmann haben kaum Chancen
„Viele Staaten sind weiterhin auf die niedrigen Zinsen angewiesen und der Druck auf die EZB, an der lockeren Zinspolitik festzuhalten, bleibt hoch“, erklärt Michael Neumann. „Befürworter einer restriktiveren Geldpolitik – die sogenannten Falken – finden daher aktuell kaum eine Mehrheit.“ Zu den Falken zählt auch Bundesbank-Chef Jens Weidmann, der als möglicher Nachfolger Draghis ins Gespräch gebracht wurde. Seine Chancen sind derzeit allerdings nicht nur aufgrund seiner geldpolitischen Ausrichtung gering – denn die Unionsparteien CDU und CSU scheinen eher daran interessiert, den Juncker-Nachfolger zu stellen als die EZB-Präsidentschaft zu übernehmen.

Amerikanische Wirtschaft schaltet einen Gang zurück: Fed in Abwartehaltung
In den USA schwächt sich das Wirtschaftswachstum zwar ebenfalls tendenziell ab, bleibt allerdings auf einem vorerst soliden Niveau. „Ich bin überzeugt, dass die Fed kurzfristig keine weiteren Zinsschritte machen und die weitere wirtschaftliche und politische Entwicklung erst einmal abwarten wird“, so Michael Neumann. „Da die Effekte von Trumps Steuersenkungen langsam verpuffen, wird sich die Wirtschaft in jedem Fall abschwächen. Wie stark der Effekt ist, hängt nicht zuletzt von der Entwicklung der Handelskonflikte ab.“ Immerhin: Am Sonntagabend verschob Donald Trump via Twitter die Frist zur Zollerhöhung auf chinesische Importe und schürte damit erneut Hoffnungen auf eine Deeskalation des Konfliktes mit China.

Tief, tiefer, Bauzinsen: Rendite der Bundesanleihe und Bestzins so niedrig wie 2016
Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe erreicht im Februar erneut einen Tiefstand und ist mit 0,09 Prozent so niedrig wie seit 2016 nicht mehr. Der Bestzins 10-jähriger Hypothekendarlehen zieht nach und bewegt sich seit Anfang Februar wieder unter der Ein-Prozent-Marke. „Ich rechne in den nächsten Monaten mit einer Seitwärtsbewegung der Bauzinsen. Vom aktuellen Niveau aus betrachtet, dürfte es bis zum Jahresende hin einen marginalen Aufwärtstrend geben“, so die Prognose Michael Neumanns. Was bedeutet das für Immobilienkäufer? Sie sollten die weiterhin niedrigen Zinsen für eine möglichst hohe Tilgung nutzen und eine lange Zinsbindung wählen, mit der sie sich das aktuelle Zinsniveau langfristig sichern.

Tendenz
Kurzfristig: eingeschränktes Aufwärtspotenzial
Mittelfristig: schwankend seitwärts








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