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02.04.2019 Wohnungsnot in Berlin: Investoren sind Teil der Lösung

Enteignung, Rückführung ehemaliger sozialer Wohnungsbestände, Mietdeckelung: Die Berliner Politik und Öffentlichkeit diskutieren intensiv über Maßnahmen gegen steigende Mieten in der Hauptstadt – und dabei oft am Thema vorbei, stellten lokale Immobilienspezialisten beim Feldhoff & Cie.-Pressefrühstück am 28. März in Berlin fest. Die echte Lösung des Problems – die Schaffung von mehr Wohnraum – sei nur mit neuen städtebaulichen Konzepten, Verdichtung, der vermehrten Anwendung von Absatz 3a, §34 des BauGB und kürzeren Bauplanverfahren zu bewerkstelligen.

„Die Lösung des Problems der hohen Preise und Mieten ist denkbar einfach: Je mehr Produkt auf den Markt kommt, desto günstiger wird der Wohnraum,“ sagte George Salden, CEO des Berliner Alternative Investment Managers CapitalBAY. Der Effekt würde sogar schon einsetzen, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, nicht erst mit der tatsächlichen Fertigstellung der Wohnungen. „Ein Investor kalkuliert mit der Zukunft, nicht dem Status quo. Das heißt, er wird heute keine hohen Preise zahlen, wenn klar ist, dass es morgen eine Produktschwemme gibt.“ Als Beispiel nennt er Dubai, wo innerhalb von drei Monaten nach Ankündigung von Verdichtungsmaßnahen und neuen Bauarealen Kaufpreise und Mieten um 20 bis 30 Prozent gefallen sind.

Neue Stadtkonzepte

Salden sieht auch in Berlin großes Potenzial für Verdichtung: „Wir halten aktuell an einem Stadtbild von vor 200 Jahren fest. Damals wurde nicht mehr als fünfstöckig gebaut, weil man den Menschen nicht mehr Treppen zumuten wollte. Heute gibt es Aufzüge.“ Und auch der Lebensstil der Mieter hat sich verändert. „Wer zentral Leben möchte, verlagert heutzutage sein Wohnzimmer ins Soho, das Arbeitszimmer ins Café um die Ecke und das Gästezimmer in eins der vielen Hotels,“ erläutert Salden.

Götz Hufenbach, geschäftsführender Gesellschafter des Projektentwicklers benchmark. nennt in diesem Zusammenhang Frankfurt als eine Stadt, die den stetigen Wandel sehr gut verinnerlicht hat. „Das Stadtbild hat sich in den letzten Jahren an vielen Stellen markant verändert. Man denke nur an die vielen Wolkenkratzer oder die Neue Altstadt. Und die große Mehrheit der Bevölkerung wird zustimmen, dass die Veränderung eine positive war. Die Identität einer Stadt liegt nicht nur in der Historie, sondern wird auch heute geprägt.“

Umverteilung schafft keinen Wohnraum

Zur aktuellen Enteignungsdiskussion in Berlin sagt Hufenbach: „Allein die Umverteilung von privaten zu öffentlichen Wohnbeständen schafft noch lange keinen neuen Wohnraum.“

Thomas Doll, geschäftsführender Gesellschafter der Treucon Real Estate fügt hinzu: „Der Traum mancher Berliner, 65.000 Wohnungen für 25 Milliarden Euro zurückzukaufen ist, mit Verlaub gesagt, ein Stück aus dem Tollhaus. Damit bürden wir der jüngeren Generation nur weitere Schulden auf.“ Genau zur Reduzierung von Schulden hatte die Stadt Ende der 1980er- bis in die 2000er-Jahre mehrere tausend Wohnungen verkauft. „Bei der letzten großen Verkaufswelle 2004 wurden für die Bestände Mieten von 5,25 Euro aufgerufen; heute sind es 12 bis 14 Euro.“ Derzeit gibt es in Berlin noch ca. 125.000 Sozialwohnungen.

Den Vorwurf, dass Investoren durch reine Profitgier die Preise in der Stadt künstlich hochgetrieben hätten, wiesen die Gesprächsteilnehmer zurück. Michael Keune, Managing Director der auf Wohninvestments spezialisierten Catella Residential Investment Management, plädiert generell für die Entstigmatisierung der Investoren in der Debatte. „Viele Großinvestoren im Berliner Immobilienmarkt sind deutsche Versicherer, Stiftungen und Pensionsfonds, die mit den erwirtschafteten Erträgen eine langfristige Verzinsung anstreben und keine kurzfristigen Wertsteigerungen. Sie sind sich auch ihrer sozialen Verantwortung als Vermieter sehr bewusst.“

Weitere Ansätze

Neben einer höheren Verdichtung, wurden weitere Maßnahmen zur Schaffung von Wohnraum und Senkung der Mieten diskutiert. „Manchmal lohnt sich ein Blick über die Landesgrenze hinaus“, merkte Keune an. „In den Niederlanden, die in den Ballungszentren sehr dicht besiedelt sind, sind Mieterhöhungen in Sozialwohnungen an die individuelle Einkommenssteigerung gekoppelt. Und in Wien hat man mit dem Festhalten an Sozialwohnungen, die ein Viertel des Gesamtbestands ausmachen, dafür gesorgt, dass die Mieten günstig geblieben sind.“

Salden und Hufenbach bemerkten, dass viele Instrumente längst geschaffen seien, aber nicht konsequent umgesetzt werden. Doll nennt als Beispiel §34, Absatz 3a des BauGB, nach dem Abweichungen von der Erfordernis des „Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung“, also zum Beispiel Bauhöhen, erlaubt sind. Auf diese Weise könne man schnell und einfach dringend benötigte Baugenehmigungen ausstellen, erklärt Doll und fügt hinzu: „Ein weiterer Baustein ist die schnellere Umsetzung von B-Plan-Verfahren.“

Berlin bleibt attraktiv

„Trotz der angespannten Debatte bleibt der Berliner Immobilienmarkt natürlich weiterhin attraktiv“, sagte Hufenbach, dessen Unternehmen gerade ein Büro in der Hauptstadt eröffnet hat. Keune fügte hinzu: „Man darf nicht vergessen, dass Berlin unter anderem so sexy ist, weil es eben noch bezahlbar ist, und zwar sowohl für Investoren als auch für Mieter. Gerade junge Menschen, die vorher in anderen Großstädten der Welt gelebt haben, freuen sich über die günstigen Lebenshaltungskosten.“ Bei jungen Familien hat hingegen eine Migration in die Außenbezirke eingesetzt. „Hier kann noch viel für eine verbesserte Anbindung an die Innenstadt getan werden“, bemerkte Keune. Erste Ansätze seien im Stadtentwicklungskonzept Berlin 2030 bereits enthalten.

Die Gesprächsteilnehmer waren sich einig: Eine Senkung der Mieten kann nur mit der Schaffung von mehr Wohnraum und durch gemeinsame Anstrengungen der privaten wie kommunalen Wohnungsunternehmen sowie der Politik erfolgen.







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