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10.04.2019 Wird die Immobilienfinanzierung zu 100 Prozent digital?

V.l.: Martin Rodeck, Innovationsbeauftragter der ZIA und Vorsitzender der Geschäftsführung des Projektentwicklers Edge Technologies in Deutschland; Sascha Klaus, Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp; Marcus Lemli, CEO Deutschland von Savills; Lothar Schubert, geschäftsführender Gesellschafter von DC Developments; Carl von Stechow, Gründer und CIO von ZINSLAND
Banken und Immobilienwirtschaft waren nicht die Vorreiter, aber jetzt entdecken auch hier immer mehr Unternehmen die Chancen der Digitalisierung. Die Immobilienfinanzierung ist im Wandel. Bei privaten Immobilienkreditanfragen spielen digitale Finanzierungsplattformen schon heute eine große Rolle. Für die großvolumige gewerbliche Immobilienfinanzierung ist die Digitalisierung noch weitgehend Zukunftsmusik, doch auch hier wird es Veränderungen geben. Und es stellt sich die Frage: Wird die Immobilienfinanzierung zu 100 Prozent digital? Darüber diskutierten am 4. April 2019 fünf namhafte Branchenvertreter in der Hamburger Niederlassung des international agierenden Immobiliendienstleisters Savills.

Einig sind sich die Teilnehmer, dass die gewerbliche Immobilienfinanzierung immer komplexer und vielseitiger wird. „Mit der Digitalisierung beschleunigt sich die Änderung der Wertschöpfungsketten. Zum einen gibt es immer mehr Möglichkeiten, in Immobilien zu investieren. Früher konnte man ein „Stück Haus“ kaufen, heute kann man in die unterschiedlichen Elemente entlang der Finanzierungsstruktur investieren“, sagt Marcus Lemli, CEO Deutschland von Savills. „Zum anderen sehen wir auch eine Auffächerung der Finanzierer- bzw. Investorenseite. Neben Banken vergeben auch Versicherungen und Pensionskassen Senior Loans, zum Teil auch zusammen mit Banken. Für die nachrangigen Teile der Finanzierung gibt es neue Quellen, zum Beispiel die digitalen Crowdinvesting-Plattformen.“

„Digitale Finanzierungsplattformen gewinnen stetig an Zulauf, sowohl von kapitalsuchenden Projektentwicklern und Bestandshaltern auf der Angebotsseite als auch von Investoren, die nach Möglichkeiten einer Immobilienanlage suchen, auf der Nachfrageseite. Dabei optimieren sie Prozesse und helfen Effizienzpotenziale der involvierten Stakeholder zu heben“, sagt Carl von Stechow, Gründer und CIO von ZINSLAND. „Projektentwickler profitieren durch die Finanzierungsplattformen von standardisierten, digitalen und transparenten Prozessen sowie dem Zugang zu potenziellen Finanzierungspartnern.“

Auffällig ist jedoch, dass sich bislang größere Projektentwickler bei der Zusammenarbeit mit digitalen Anbietern noch zurückhalten. „Für unsere Projektentwicklungen haben wir bislang noch keine Finanzierungsplattform in Anspruch genommen, was auch an bisher den zu geringen vermittelten Volumina je Objekt liegt. Wenn sich diese jedoch jetzt langsam erhöhen und die Plattformen längere Projektlaufzeiten realisieren können, sind sie auch für uns als Kapitalquelle interessant. Die Professionalität des Anbieters gibt dem Anleger die Sicherheit, sich guten Gewissens an größeren Projekten beteiligen zu können“, so Lothar Schubert, geschäftsführender Gesellschafter von DC Developments.

Martin Rodeck, Innovationsbeauftragter der ZIA und Vorsitzender der Geschäftsführung des Projektentwicklers Edge Technologies in Deutschland, bestätigt diese Auffassung: „Crowdinvesting ist ein interessanter Finanzierungsweg – allerdings hauptsächlich bei Privatimmobilien. In der großvolumigen gewerblichen Immobilienfinanzierung spielt diese Finanzierungsart noch keine große Rolle, aber das kann sich selbstverständlich ändern.“

Bedenken äußert auch Sascha Klaus, Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp: „Beim Crowdinvesting mit den eher kleinen Tickets sind wir jedoch vorsichtiger, da Projekte auch schiefgehen können und das dann den Kleinanleger ungleich härter trifft, da haben wir als Bank auch ein echtes Reputationsrisiko.“

„Eine Plattform kann die Komplexität für den Projektentwickler reduzieren.“

Die digitalen Plattformen entwickeln sich weiter und dringen in neue Geschäftsbereiche vor. „Wir wollen als vollumfängliche Plattform Ansprechpartner für alle Stakeholder sein und alle Beteiligten aus Finanz- und Immobilienwirtschaft zusammenbringen“, sagt Stechow und erklärt: „Der Zugang zu Privatinvestoren wird künftig nur ein Teil der digitalen Plattformen sein. Auch Banken und alternative Finanzierer wie Family Offices oder Versorgungskassen und Versicherungen werden über Plattformen erreichbar sein. Allerdings werden sie nicht das Finanzierungsgeschäft der Banken komplett übernehmen. Wir sehen uns nicht als Konkurrent, sondern als Partner der Banken und als Zugang zu den vielseitigen Finanzierungen der Immobilienwirtschaft. Wir arbeiten bereits mit einigen Banken eng zusammen. Ganz konkret programmiert ZINSLAND zur Zeit gemeinsam mit einer Bank an einer Software, die dazu dienen soll, das Kredit-Monitoring insgesamt für alle Marktteilnehmer zu vereinheitlichen – der Austausch von Aktenordnern, Versand von PDF und nicht standardisierte Excel Tabellen gehört dann endlich der Vergangenheit an.“

Auch Rodeck sieht das Positive am fortschreitenden Strukturwandel: „Effizienzsteigerung durch Digitalisierung erhöht die Rendite und ist somit für alle ein Gewinn. Projektentwickler werden zunehmend zu Treibern der Digitalisierung des Finanzierungswesens, indem sie die Banken mit ihren veränderten Ansprüchen konfrontieren.“

Die Berlin Hyp hat als erste Bank bereits vor zwei Jahren begonnen in mehrere FinTechs zu investieren. „Unser Ziel ist es modernster Immobilienfinanzierer Deutschlands zu werden und die Digitalisierung der Branche aktiv mitzugestalten. Unsere Vision ist ein Ökosystem, das zusammenwächst. Eine One-Stop-Shop-Lösung wird die Zukunft sein. Diese eine Plattform zeigt mir Kaufangebote, hilft mir bei der Bewertung, unterstützt bei der Durchführung und der Finanzierung und vielleicht auch noch bei der Vermietung“, sagt Klaus.

„Wir arbeiten in der Finanzierung bereits mit Vermittlern zusammen, für die sie marktübliche Provisionen erhalten. Davon unabhängig werden für uns auch zukünftig Banken mit großer Immobilienkompetenz, die uns im gesamten Prozess der Entwicklung begleiten, wichtige Finanzierungspartner bleiben. Insbesondere weil sich erfahrungsgemäß die Finanzierung im Laufe eines Projektes fortgeschrieben und nicht selten angepasst werden muss. Hierzu brauchen wir einen erfahrenen und flexiblen Partner“, sagt Schubert.

Der Mensch bleibt bestimmender Faktor

Einig sind sich die Experten, dass der Mensch und der persönliche Kontakt in diesem Geschäft, vor allem bei großen Projekten, auch künftig gebraucht werden. „Trotz aller Digitalisierung sehen wir auch weiterhin einen hohen persönlichen Beratungsbedarf. Dieser wird immer differenzierter die Kapitalsuchenden und die Kapitalgeber zusammenbringen. Unser Geschäft ist es, die ganze Wertschöpfungskette zu verstehen und unser Wissen den Immobilieneigentümern, Projektentwicklern und Investoren zur Verfügung zu stellen. Dabei bewegen wir uns weg von der Marktintransparenz hin zu einem zunehmend klaren Beratungsprozess. Dieser ist bei uns nicht standardisiert und automatisiert, sondern persönlich und individuell“, sagt Lemli.

Rodeck meint dazu: „Technisch wäre eine hundertprozentige Digitalisierung der Finanzierung sicherlich möglich. Je größer das Projekt, desto wichtiger ist den Beteiligten aber der direkte, vertrauensvolle Kontakt und die Beratung auf Basis langjähriger Erfahrung. Insofern wird die gewerbliche Immobilienfinanzierung immer ein Stück weit ein People Business bleiben.“

Ob Projektentwickler, Berater, Bank oder digitale Plattform – keiner der Gesprächsteilnehmer betrachtet die Digitalisierung als Feind. Sie sind sich vielmehr einig, dass sie die Wertschöpfungskette zunehmend erweitern wird und neue Chancen und Geschäftsmodelle in der Immobilienfinanzierung eröffnet. Insbesondere wird die Digitalisierung aber helfen Prozesse zu vereinfachen und die komplexen Finanzierungsstrukturen transparenter zu machen.








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