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06.04.2020 Aengevelt sieht Umsatzrückgänge am Berliner Einzelhandelsmarkt

Ungeachtet der Tatsache, dass Berlin in allen drei Einzelhandels-Kennziffern “Kaufkraft“ (95,5 Pkt.), “Umsatz“ (104,3 Pkt.) und “Zentralität“ (109,2 Pkt.) unverändert den letzten Platz innerhalb der “Big Seven“ belegt, erhöhte sich der Einzelhandelsumsatz in der Bundeshauptstadt 2019 deutlich um EUR 2 Mrd. auf EUR 24,8 Mrd. Dies bedeutet einen überdurchschnittlichen Anstieg um 8,8% (z.V. Hamburg: EUR 14,9 Mrd. = +7,8%; München: EUR 14,2 Mrd. = +7,5%).

Dies ist nicht zuletzt auf die seit Jahren markant wachsende Zahl an Einwohnern und Touristen zurückzuführen: So verzeichnet Berlin seit 2011 eine Steigerung der Einwohnerzahl um über 334.000 Menschen, im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der Touristen um etwa 4 Millionen erhöht. Diese schauen sich Berlin nicht nur genüsslich an, sondern tätigen hier auch signifikante Einkäufe. Damit ist Berlin idealer „Testmarkt“ des deutschen Einzelhandels.

Entsprechend hat sich die Einzelhandelsspitzenmiete in den letzten Jahren rasant entwickelt und belegt mit rd. EUR 340,00/m² in der Spitzengruppe der Big Seven den zweiten Platz hinter München (EUR 360,00/m²) und vor Frankfurt (EUR 320,00/m²).

Die seit Jahren positive Entwicklung des Berliner Einzelhandels wird sich indessen vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise nicht fortsetzen: Zwar sind zum jetzigen Zeitpunkt keine fundierten Prognosen zur weiteren Entwicklung am Berliner Einzelhandelsmarkt möglich. Fest steht, dass angesichts von Reise- und Veranstaltungsverboten und damit einhergehenden rückläufigen Touristenzahlen, temporären Geschäftsschließungen etc. die Umsätze im stationären Einzelhandel in 2020 deutlich rückläufig sein werden, während der Online-Umsatz weiter wachsen wird. Wie groß die Folgen sein werden, bestimmen Dauer und Ausmaß der Krise.

Ein Gewinner der Krise ist dagegen das Logistik-Segment angesichts des zusätzlichen Wachstums im Online-Handel, z.B. im Lebensmittelbereich. Eine Limitierung ergibt sich allerdings aus dem (zu) knappen marktgerechten Flächenangebot insbesondere in den Innenstädten. Indessen ist auch langfristig von einer weiteren Verlagerung zugunsten des Online-Handels auszugehen. Dies wird den stationären Einzelhandel auch nach Überwindung der Corona-Krise unter starken Wettbewerbsdruck halten.
Viel wird mittelfristig davon abhängen, wie stark der Umsatz im Onlinehandel wächst und wie viel Umsatz noch stationär am „point of sale“ erzielt werden kann. Da die Zahl der klassischen Online-Händler, die sich mit stationären Shops nun auch „offline“ bewegen, weiterwächst, werden sich auch die Einzelhandelskonzepte ändern. Zunehmend an Bedeutung gewinnen in diesem Prozess durchdachte „concept-stores“ und „Erlebnis-Shopping“: Um Kunden im stationären Einzelhandel zu binden, muss man ihnen einen attraktiven Mix bieten, den es online so nicht geben kann.

Einzelhandelsmieten in Berlin unter Druck – besonders in Nebenlagen

Angesichts dieser Entwicklungen gerät das Mietpreisniveau für Berliner Einzelhandelsflächen unter Druck. Aengevelt Research geht dennoch davon aus, dass sich das kleinteilige Spitzensegment auch 2020 weitgehend stabil bei plus / minus EUR 340,-/m² bewegt.
Bzgl. der Einzelhandelsspitzenmieten nach Lagen ist indessen eine differenzierte Entwicklung zu beobachten: Während sich die Top-A-Lagen voraussichtlich weitgehend stabil präsentieren, hat Aengevelt Research wie bereits im Vorjahr in zahlreichen Stadtteil- und Nebenlagen stagnierende bzw. auch rückläufige Spitzenmieten analysiert.

So sind zum Beispiel in der Schlossstraße in Steglitz und der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg die Spitzenmieten 2019 jeweils von EUR 110,00/m² auf rd. EUR 95,00/m² (-14%) gesunken. Im Bereich Teltower Damm / Clayallee in Zehlendorf gaben sie sogar um EUR 20,00/m² bzw. rd. 27% auf EUR 55,00/m² nach.

Insgesamt sind in Nebenlagen ein sinkendes Mietniveau, wachsende Leerstände und längere Vermietungszeiten nicht auszuschließen.

Zukünftige Entwicklungsthemen

Ein weiteres - städtebauliches - Thema, das sowohl den Einzelhandel als auch den unterversorgten Wohnungsmarkt entspannen könnte, ist die Nachverdichtung von bislang eingeschossigen Lebensmittel-, Drogerie- und Getränkemärkten. Laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen gibt es noch immer über 300 dieser eingeschossigen Märkte an Standorten, die aufgrund ihrer Lage und Umgebung grundsätzlich für eine intelligente Nachverdichtung in Frage kämen.

An vielen dieser Standorte werden zudem aufgrund neuer Konzepte der Händler Modernisierungs- und Erweiterungsmaßnahmen geplant, die oft eine durchgreifende Neuordnung oder einen Ersatzneubau erfordern, an dem Projektentwickler und Investoren ansetzen könnten.

Insbesondere an diesen oftmals zentrumsfernen Standorten profitieren dann sowohl der Wohnungsbau durch ein höheres Angebot als auch der Einzelhandelsmarkt durch eine höhere Anzahl potenzieller Nachfrager und damit Zunahme der lokalen Kaufkraft. Eine Vielzahl an bereits realisierten multifunktionalen Geschäftsgebäuden belegt, dass solche Potenzialflächen mit intelligentem Immobilienberatungs-Knowhow zugleich städtebaulich, mieter- und verbraucherfreundlich und immobilienwirtschaftlich durchaus erfolgversprechend sind.





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