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28.05.2020 Die Finanzierungslandschaft in der Corona-Pandemie

Die Rahmenbedingungen für Finanzierungen waren bereits zum Jahresanfang 2020 eingetrübt, wie sich in der Umfrage für den Deutschen Immobilienfinanzierungsindex (DIFI) von JLL und ZEW Anfang bis Mitte Februar gezeigt hatte, also vor Corona. Zahlen aus dem gerade veröffentlichten Überblick zu den Kreditbeständen bei 12 Banken im Jahr 2019 sowie deren Planungen haben das vorsichtigere Agieren bestätigt.

JLL hat deshalb eine weitere Umfrage zur aktuellen Lage am Finanzierungsmarkt gestartet. 27 Institute (Pfandbriefbanken, Sparkassen, Volksbanken, Versicherer und alternative Finanzierer) wurden im Mai zu ihrem Umgang zum Bestands- sowie Neugeschäft befragt. Die Ergebnisse dieser jüngsten Erhebung zeichnen ein durchmischtes Bild.

Banken grundsätzlich offen für Neugeschäft, aber zu anderen Konditionen

Zwei Drittel der Befragten planen, die Kreditbücher stabil zu halten beziehungsweise auszubauen. „Im Gegensatz zur Finanzkrise 2008 sind die Institute zum Zeitpunkt der Befragung trotz der schwer zu quantifizierenden Unsicherheiten grundsätzlich zwar offen für Neugeschäft, aber zu anderen Konditionen, um einem tendenziell niedrigeren Beleihungsauslauf sowie tendenziell gestiegenen Finanzierungskosten Rechnung zu tragen“, so Anke Herz, Team Leader Debt Advisory JLL Germany. Herz betont: „Unter den befragten Marktteilnehmern ist keiner, der sich dem Neugeschäft verschließt. Ob hier der Wunsch Vater des Gedankens ist, bleibt abzuwarten. Das kann sich in Corona-Zeiten schnell ändern, je nach Stärke und Dauer der Krise. Lediglich eine Bank nennt eine leichte Reduktion, eine Entscheidung, die allerdings nicht auf den Folgen von Corona fußt.“

Wird die Corona-Krise die Kreditvergabe-Politik beeinflussen?

- Überwiegend, immerhin zu 67 Prozent, soll das Geschäft sogar im Rahmen bestehender Kreditvergaberichtlinien abgewickelt werden, denn diese werden als nachhaltig angesehen. „Das erklärt auch, warum die verhandelten Finanzierungen, die JLL während der Krise begleitet, im Rahmen der vereinbarten Parameter kontrahiert und ausgezahlt werden“, so Anke Herz.

- Kreditvergaberichtlinien geben einen Rahmen vor, der gegenwärtig konservativer interpretiert und nicht ausgereizt wird. Das betrifft unter anderem die Beleihungsausläufe und die finanzierten Assetklassen. Beispielsweise sind die Assetklassen Hotel und Einzelhandel nur noch sehr eingeschränkt finanzierbar.

- Transaktionen außerhalb dieser Leitplanken, im Einzelfall vor der Krise durchaus üblich, finden in den seltensten Fällen die Zustimmung der Gremien.

Weitere Umfrageergebnisse im Einzelnen:

Produkt

- Sowohl Eigenkapital- als auch Fremdkapitalgeber präferieren ähnliche Produkte, d.h. unverändert Wohn-, Büro- sowie Logistikimmobilien. Die Assetklassen Hotel und Einzelhandel stehen deutlich weniger auf der Einkaufsliste, sofern es sich bei der letzteren nicht um ein Lebensmittel-geankertes Objekt handelt. „Grundsätzlich findet eine starke Fokussierung auf Qualitätsprodukt statt, insbesondere in A-Standorten in exzellenten Mikrolagen, wenn nicht erhoffte Preisreduktionen in opportunistisches Produkt oder vergleichsweise schlechtere Lagen locken. Investoren setzen auf Bestandsobjekte. Grundstücke und Projektentwicklungen werden aufgrund des inhärenten Risikos kritischer eingestuft. Insbesondere Maßnahmen im spekulativen Bereich sind derzeit ausnehmend schwierig finanzierbar“, erklärt Anke Herz.


Investoren

- Trotz des Niedrigzinsumfeldes, das sehr wahrscheinlich auf Jahre fortbesteht, konzentrieren sich Banken auf eigenkapitalstarke, erfahrene Investoren.

- Grundsätzlich ist eine Fokussierung auf Bestandskunden festzustellen und der überwiegende Teil unserer Gesprächspartner (67%) geht davon aus, dass dies zwischen 6 und 9 Monaten - teilweise sogar länger - anhalten wird. Drei Banken finanzieren ausschließlich bekannte Adressen und bei 45 Prozent der Befragten, im Wesentlichen etablierte Marktteilnehmer, werden Geschäfte mit Bestandskunden präferiert. Immerhin 20 Prozent der Marktteilnehmer, tendenziell Nischenplayer, nutzen die gegenwärtigen Verwerfungen proaktiv zur Neukundengewinnung.

- Momentan sind noch All-Equity-Käufer im Driver-Seat. Dazu gehören offene Immobilienfonds und Pensionskassen, die vor allem via Asset Manager und Vermögensverwalter agieren. Sie haben einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Käufern, die zunächst Fremdkapital arrangieren müssen. Dieser Vorteil wird sich jedoch nivellieren, wenn die verschärften Finanzierungskonditionen im Rahmen der nachgelagerten Fremdfinanzierung zu tragen kommen und in künftige Bieterprozesse einfließen.

Strukturierung und Preisgestaltung

- Das Kapital wird folglich restriktiver und zu anderen Konditionen, beziehungsweise durch andere Marktteilnehmer zur Verfügung gestellt.

- 65 Prozent der Banken halten die Beleihungsausläufe im Neugeschäft stabil, 31 Prozent erwarten eine Reduzierung und lediglich 4 Prozent sind bereit, risikofreudiger zu agieren. Allerdings ist, ebenso wie die Preisgestaltung, die Findung des Marktwertes im Rahmen des Gutachtens erschwert.

- Aus Sicht vieler Banken und Versicherungen hängt das Finanzierungsvolumen jedoch auch wesentlich vom Beleihungswert einer Immobilie ab. Dieser ist laut Beleihungswertermittlungsverordnung bewusst unabhängig von vorübergehenden - etwa konjunkturell bedingten - Wertschwankungen am maßgeblichen Grundstücksmarkt zu ermitteln.

- Die Liquiditätskosten sind die fristenkongruenten Refinanzierungskosten der Bank, die wesentlich durch ihre Bonität bestimmt werden. Diese sind zu Beginn der Pandemie zunächst stark gestiegenen, im Sektor der Pfandbriefbanken um ca. 50 Basispunkte (bps) bis 70 bps, bei Einlagen-Refinanzierungen um ca. 10 – 25 bps.

„Die Liquiditätskosten sind weiterhin erhöht, aktuell aber wieder leicht rückläufig. Sie werden in voller Höhe an den Kunden weitergereicht. Lediglich ein Marktteilnehmer war
bereit, dies zu Lasten seiner Nettomarge teilweise zu kompensieren. Versicherer und Debt Fonds nutzen diese veränderte Preisgestaltung entsprechend“, erläutert Anke Herz.

- Die Nettomarge, das Risiko- und Verwaltungsentgelt der Bank selbst, wird die Finanzierungskosten zusätzlich erhöhen, denn 73 Prozent der Befragten erwarten einen Anstieg, wohingegen 19 Prozent keine Risikoadjustierung - beziehungsweise eine leichte Reduktion (8%) - erwarten.

Umgang mit dem Bestandsgeschäft – „Konsensuales De-Risking“

Der Finanzierungsmarkt befindet sich seit einigen Wochen de facto im „Analysemodus“, da potentielle Kreditausfälle deutlich erheblichere Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung der Banken haben als reduziertes Neugeschäft. Daher konzentrierten sie sich, ebenso wie die Investoren, zunächst auf die Analyse der Bestände.
„Die starke Regulierung hat in den vergangenen Jahren jedoch tendenziell zu einem Mitarbeiterausbau in transaktionsunabhängigen Bereichen geführt, sodass diese in Markt und Marktfolge vergleichsweise knapp scheinen. Diese Um-Allokation der personellen Ressourcen ging somit stark zulasten des Neugeschäftes. Diese Belastung wird, wenn auch in zunächst geringerem Umfang, andauern“, erklärt Anke Herz. Herz weiter: „Nach Abschluss dieser Szenarioanalysen gilt es, mit den von der Corona-Krise stark betroffenen Kreditnehmern tragfähige Lösungen zu entwickeln. Das Schlagwort ist ‚konsensuales de-risking‘ mit dem Ziel einerseits den Eigenkapitalgebern genügend Anreize zu geben, sich im Deal zu engagieren und andererseits Liquiditätsabflüsse zu vermeiden, um dem Sicherungsbedürfnis der Banken Rechnung zu tragen. Bei einer grundsätzlich positiven Prognose gehören hierzu ebenso die Stundung von Tilgungen und die Aussetzung von Default Financial Covenants, was häufig im Gegenzug für Cash Traps gewährt wird.“

Viele Banken, immerhin 37 Prozent der Befragten, verzichten auf die Neubewertung von Immobilien zum jetzigen Zeitpunkt - beziehungsweise führen diese höchstens im vorgesehenen Turnus (63%) durch. Dazu Anke Herz: „Das ist zum einen in der eingeschränkten Aussagekraft der ‚Krisengutachten‘ und zum anderen in der mangelnden Evidenz des Transaktionsmarktes begründet. Zudem würde der erhöhte Auslauf zu einer potentiellen Verschlechterung der Ratings führen und somit die Allokation von zusätzlichem Eigenkapital erforderlich machen. Das wird mit dem Voranschreiten der Krise zunehmend der Fall sein und verursacht entsprechend erhöhte Kosten, welche wiederum zu Lasten der ohnehin knappen Cost-Income-Ratios der deutschen Banken gehen.“

Finanzierer sind unterschiedlich von der Corona-Krise betroffen, ihre Reaktion fällt damit auch unterschiedlich aus:

- Pfandbriefbanken
Neben den Einlagenbanken, wie Sparkassen und Volksbanken, dominieren die Pfandbriefbanken den Markt. Die Refinanzierung erfolgt am Geld- und Kapitalmarkt und erfolgt in Abhängigkeit von ihrer Bonität, die wesentlich durch die Qualität des zugrundeliegenden Kreditbuches getrieben wird. Auf Basis der JLL-Umfrage sind die Liquiditätskosten in diesem Sektor um ca. 50 bis 70 bps gestiegen.

- Einlagenbanken
Zum einen bilden die Einlagen eine günstige, vom Geld- und Kapitalmarkt unabhängige Refinanzierungsquelle, deren Liquiditätskosten lediglich um ca. 10 – 25 bps gestiegen sind. Auf der anderen Seite verändern sich diese täglich und werden insbesondere im gegenwärtigen Umfeld zur Deckung von Liquiditätsengpässen verstärkt ad hoc abgerufen. Somit können sich Einlagenbanken in Abhängigkeit von der Performance ihres Corporate-Buches und der Vermögensentwicklung ihrer Privatanleger am Markt verstärkt etablieren oder verhalten finanzieren.

- Versicherungen und Pensionskassen
Aufgrund der Refinanzierung durch stabile Prämien bieten Versicherer insbesondere für langfristiges Fremdkapital flexible Finanzierungslösungen. Diese kommen angesichts des erhöhten Margenniveaus verstärkt zum Zug. Bei den Margen, die aufgerufen werden, ist
jedoch eine Aufwärtstendenz zu erwarten, um gegen alternative Anlagemöglichkeiten z.B. am Wertpapiermarkt zu bestehen.

- Debt Funds
Das Verhalten der Debt Funds in der Krise hängt von ihrer Geldquelle ab. Hier sind Marktteilnehmer mit diskretionären Mandaten im Vorteil, da diese flexibel reagieren und Opportunitäten wahrnehmen können.

- Investmentbanken
Sie managen ihre Kreditbücher über die Syndizierungsmärkte, deren Liquidität derzeit eingeschränkt ist.

Anke Herz abschließend: „Auf eine schwere Krise folgt historisch betrachtet ein kräftiger wirtschaftlicher Aufschwung. Im Fall von Codiv-19 kann aber zunächst auch eine neue Infektionswelle nicht ausgeschlossen werden mit einem erneuten Lockdown und einer W-förmigen und damit langwierigen Erholungskurve. Zweifellos wird das Virus auch an den Immobilienmärkten in Deutschland seine Spuren hinterlassen.” Die Corona-Krise könne mittelfristig eine Neuausrichtung der Immobilienportfolien bewirken.

Möglicherweise würden systemrelevante und krisenfestere Assets wie Wohnimmobilien und Nahversorger an Relevanz gewinnen. Diese könnten von den unterschiedlichsten Investorentypen bevorzugt werden – unabhängig davon, ob es sich um Eigen- oder Fremdkapitalgeber handelt. Auch dürften sich langfristig Strukturveränderungen durchsetzen, denn die Immobilie ist, per Definition immobil, und somit den lokalen Gegebenheiten unabdingbar ausgesetzt. Und Herz fährt fort: „Im Rahmen von funktionierenden Bestandsfinanzierungen ist krisenbedingt kein zusätzliches Störfeuer von Banken zu erwarten. Grundsätzliche Performance-Schwierigkeiten werden durch die Krise jedoch verstärkt und punktuell genutzt. Im Neugeschäft ist massive Liquidität in den Märkten für ein solides Produkt. Ein opportunistisches Produkt landet bei opportunistischen Kreditgebern und das hat seinen Preis. In Abhängigkeit von verfügbaren Ressourcen, im wesentlichen Mitarbeiterkapazitäten und freiem Eigenkapital, wird das Neugeschäft in begrenztem Umfang wieder in Angriff genommen – teils mit einem angepassten Geschäftsmodell und einer Fokussierung auf resiliente Investitionen. Langfristig werden Banken mit einer soliden Eigenkapitalausstattung profitieren, denn sie bleiben lieferfähig, Wackelkandidaten sind mit Konsolidierungs- und Workout-Themen beschäftigt.“





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