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26.06.2020 COVID-19-Pandemie: Langfristimplikationen auf die Immobilienmärkte

„Wir werden in einer anderen Welt leben, wenn die Krise vorbei ist“, so Yuval Noah Harari, einer der bekanntesten Historiker unserer Zeit, kürzlich in einem Interview. Wie diese Welt aussieht, ist offen. Von unserer heutigen Welt wird sie sich sicherlich nicht substanziell, sondern nur in Nuancen unterscheiden. Doch in der Immobilienbranche, die geprägt ist von langfristig wirksamen Entscheidungen, können diese Nuancen den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg, zwischen Gewinn und Verlust bedeuten. Deshalb ist es für Immobilienmarktakteure besonders relevant, sich mit den Langfristimplikationen der COVID-19-Pandemie auseinanderzusetzen, um jene Nuancen aufzuspüren.

Gemeinsam mit der EBS Wirtschaft und Recht hat Savills deshalb ein Hypothesenpapier entwickelt, das fünf persönliche Hypothesen dazu enthält, wie die Post-COVID-19-Immobilienwelt aussehen könnte.

Die Kurzfassung der fünf Hypothesen:

Hypothese 1: An der Asset-Klasse Immobilien führt weniger denn je ein Weg vorbei – vor allem in Deutschland
Elmar Lang, EBS Universität für Wirtschaft und Recht

„Flight-to-safety“ ist das Gebot der Stunde in unsicheren Zeiten wie diesen. Fehlende Anlagealternativen, gestiegene Risikoprämien für Staatsanleihen, eine verlängerte Nullzinspolitik und ein langfristiges Inflationsrisiko – ausgerechnet diese düsteren Wolken über der Wirtschaft und den Finanzmärkten könnten die Asset-Klasse Immobilien umso heller strahlen lassen. Denn sie bieten das, was durch Konkurrenzprodukte wie Anleihen nicht mehr erzielt werden kann: Attraktive Renditen. Zudem sind sie vergleichsweise sicher – insbesondere bezogen auf den deutschen Markt, der nicht zuletzt wegen seines polyzentrischen Systems eine leichtere Diversifikation ermöglicht und mit guten Fundamentaldaten nach wie vor als „Safe Haven“ gehandelt wird. Sobald die kurzfristigen Verwerfungen der Krise überwunden sind, dürfte der hiesige Immobilienmarkt über alle Nutzungsklassen hinweg Aufwind erfahren.

Hypothese 2: Wohnimmobilien werden für Investoren noch attraktiver
Matti Schenk, Savills

Wohnimmobilien bieten in vielerlei Hinsicht Sicherheit: Auf der einen Seite schaffen sie Lebens- und Rückzugsräume für Menschen und stillen damit existenzielle Grundbedürfnisse, auf der anderen Seite stellen sie genau deshalb weitestgehend wertstabile Kapitalanlagen dar. Die Wohnungsmieten sind ein Ausdruck dieser Sicherheit, da sie voraussichtlich auch im Zuge der COVID-19-Pandemie und der zu erwartenden Rezession vergleichsweise stabil bleiben. In Krisenzeiten ist das Begrenzen von Risiken bei vielen Investoren oberstes Gebot. Gleichzeitig ist der Anlagedruck bei vielen Investoren nicht kleiner geworden und Renditen für risikoarme Kapitalanlagen, wie etwa Staatsanleihen, befinden sich auf einem Rekordtief. Das Wohnsegment kommt dieser Gemengelage entgegen und dürfte für Investoren noch interessanter werden.

Hinzu könnte kommen, dass die COVID-19-Pandemie und ihre Begleiterscheinungen wie gewachsene Homeoffice-Strukturen den Status der Wohnung als existenzielles, nicht substituierbares Gut sogar noch stärken und infolgedessen zu einem höheren Wohnflächenbedarf führen.

Hypothese 3: Flexible Workspaces gewinnen vor allem wohnortnah an Bedeutung
Nils Neukranz, EBS Universität für Wirtschaft und Recht

Die Corona-Pandemie könnte den Büromarkt langfristig drastisch verändern. Viele Menschen wurden im Zuge der Krise an das räumlich flexible Arbeiten herangeführt. Der Wunsch, in Zukunft ebenfalls räumlich flexibler zu arbeiten, dürfte langfristig nicht nur den Trend zum Homeoffice, sondern auch zu Flexible Workspaces begünstigen. Sie könnten als Instrument für das Gewinnen und Halten von Mitarbeitern genutzt werden, da ein Hybrid-Modell, welches das Arbeiten sowohl im Büro als auch in Flexible Workspaces in Wohnnähe erlaubt, attraktiv sein könnte. Das Angebot an Flexible Workspaces könnte einer solchen Nachfrage zügig folgen, da sie sich durch geringe Markteintrittsbarrieren auszeichnen. Seit Beginn der Pandemie haben dies auch andere Akteure erkannt: Hotels bieten leere Zimmer als Arbeitsplatz an, obsolete Einzelhandels- und Gastronomieflächen stellen weiteres Potenzial für eine Nachnutzung als Flexible Workspace dar.

Hypothese 4: Der Online-Lebensmittelhandel steht vor dem Durchbruch
Jennifer Güleryüz, Savills

Über Jahre lag der Online-Anteil im Lebensmittelhandel hierzulande bei lediglich 1 %. Durch COVID-19 ist dieser weltweit stark gestiegen. In Italien oder Spanien ist bereits eine Verdopplung der Nutzer von E-Food zu beobachten und auch in Deutschland sind die Umsätze im Online-Lebensmittelhandel im April um 127 % gegenüber dem Vorjahr angestiegen.

Einer Befragung von Bitkom im April zufolge sind hierzulande 19 % der Verbraucher neu zum Onlinelebensmitteleinkauf übergegangen. Detail Online geht davon aus, dass es sich bei bis zu 60 % der Kunden um eine langfristige Verhaltensänderung handelt, die nicht nur den Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch die Immobilienmärkte beeinflusst. So werden Supermärkte teilweise zu City-Lagerflächen, Abholstationen werden benötigt und auch Drive-In Schalter wie bei den Fast-Food-Anbietern dürften insbesondere in Stadtrandlagen an viel befahrenen Straßen zur Normalität werden.

Hypothese 5: Größer, grüner, günstiger: Die Peripherie wird gestärkt
Lukas Götzelmann, EBS Universität für Wirtschaft und Recht

Online-Einkäufe und Homeoffice – die Krise hat bereits nachhaltige Verhaltensänderungen hervorgerufen und als Digitalisierungsbeschleuniger gewirkt. Wird auch nach der Pandemie vielerorts an mobilen Arbeitskonzepten festgehalten, haben betroffene Mitarbeiter eine größere Entscheidungsfreiheit bei der häuslichen Standortwahl. Gleichzeitig steigen die Relevanz einer eigenen Büro- und Arbeitsfläche und der Bedarf nach zusätzlichem Wohnraum, sodass Randbezirke und periphere Stadtlagen aufgrund ihrer günstigeren Bodenpreise an Attraktivität gewinnen. Auch kleinere Städte könnten eine Aufwertung erleben, wenn es zu sinkenden Distanzkosten bei der Wohnortwahl kommt. Zudem nimmt die Sensibilität für Sicherheit und Freiraum zu. Eine dezentralere Stadtentwicklung wäre die Folge. Für den Immobilienmarkt könnte dies vor allem im Wohnsegment vielseitige und neue Chancen eröffnen. Ein guter Anfang wäre dabei eine Orientierung an den drei G´s „größer, grüner und günstiger“.








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