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16.09.2020 Wohnungseigentumsgesetz: Neue Spielregeln im Wohnungseigentum

Die groß angelegte Reform des Wohnungseigentumsgesetzes soll am morgigen Donnerstag in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag verabschiedet werden und am Freitag durch den Bundesrat gehen. Damit kommen auf die Eigentümer von rund 10 Mio. Wohnungen in Deutschland ab dem 1. November 2020 viele und gravierende Änderungen zu. Bauliche Veränderungen und Modernisierungen der Wohnungseigentumsanlagen werden erleichtert. Die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums wird von Grund auf umgestaltet. Die befürchtete Verwalterstärkung wurde durch Eingrenzen der Befugnisse und eine Aufwertung des Verwaltungsbeirats zum Kontrollorgan abgefedert – zur großen Erleichterung des Verbraucherschutzverbands Wohnen im Eigentum (WiE), der als Vertreter der Wohnungseigentümer über viele Monate für Änderungen im Gesetzentwurf gekämpft hatte.

Neue Rollenverteilung bei der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums
Mit einem Maßnahmenpaket zur Stärkung der Eigentümerrechte haben SPD- und Unionspolitiker den Gesetzentwurf über die Sommerpause hinweg noch entscheidend verändert. „So bleiben die Machtverhältnisse im Wohnungseigentum ausgewogen“, sagt WiE-Vorstand Gabriele Heinrich. Träger der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums wird künftig die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) sein. Verwalter steigen im Außenverhältnis zu Vertretern der WEG auf. Das heißt, die können dann alle möglichen Verträge – bis auf Grundstücks- und Kreditgeschäfte – mit Wirkung für die WEG abschließen. Mit diesem Wermutstropfen werden sich die Wohnungseigentümer nun abfinden müssen. Deutlich eingeschränkt gegenüber dem Gesetzentwurf wurde jedoch der Spielraum für Verwalter, Entscheidungen ohne Eigentümerbeschluss zu treffen. Zudem wurde der Verwaltungsbeirat nun doch noch ausdrücklich mit der Aufgabe der Verwalterkontrolle betraut. Die WEGs werden künftig Verwalter, mit denen sie nicht zufrieden sind, jederzeit abberufen können. Deren vertragliche Ansprüche auf Bezahlung erlöschen spätestens 6 Monate darauf – auch das eine noch nachverhandelte Verbesserung aus Eigentümersicht.

Komplexer neuer Rechtsrahmen verlangt nach Erläuterungen und Handlungsempfehlungen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Änderungen so umfassend sind, dass die Novelle den Namen Reform verdient. Das neue System ist in sich schlüssig und bringt den Eigentümern mehr Spielraum, ihr Gemeinschaftseigentum zu verwalten, allerdings auch mehr Verantwortung – insbesondere für den Verwaltungsbeirat. Zudem könnten die Neuregelungen für bauliche Veränderungen zu einer Fülle komplizierter Kosten-, Folgekosten- und Nutzungsregelungen in den WEGs führen.

WiE ist froh, dass wichtige Eigentümer-Forderungen gehört und auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens noch umgesetzt worden sind. Dafür hatte nicht nur der Verband mit umfangreichen Stellungnahmen und Aktionen gestritten. Tausende Eigentümer gaben WiE Rückendeckung und Rückenwind mit Unterschriften, Briefen an Presse und Politik und der Weitergabe von Informationen an ihre Miteigentümer.
Das neue Gesetz ist komplex, die juristischen Zusammenhänge sind schwierig zu verstehen. Viele Auswirkungen werden sich erst in Praxis bewerten lassen. Top oder Flop – das wird sich letztendlich erst in Zukunft zeigen. Als Verbraucherschutzverband wird WiE nun den Fokus darauf legen, die Neuregelungen verständlich zu erklären. Dabei gilt es, Handlungsempfehlungen und praktische Tipps zu entwickeln, wie die Wohnungseigentümer und der Verwaltungsbeirat ihre neuen Gestaltungsmöglichkeiten für den Werterhalt des Wohnungseigentums und ein gutes Miteinander ausschöpfen können.

Die wichtigsten Änderungen im neuen Wohnungseigentumsgesetz im Überblick

• Alle Arten von Stellplätzen – in Garagen oder auf dem Hof – können zu Sondereigentum erklärt werden. Terrassen und Gartenanteile dürfen künftig mit den entsprechenden Wohnungen ins Sondereigentum übergehen (§ 3 WEGesetz).
• Die Wohnungseigentümergemeinschaft entsteht mit Anlegen der Wohnungsgrundbücher als Ein-Personen-Gemeinschaft, also mit dem Aufteiler bzw. Bauträger als zunächst einzigem Mitglied. Dieser kann somit schon Verträge beschließen, die später für alle Eigentümer gelten. Weil die WEG als Verbraucherin gilt, finden immerhin die Verbraucherschutzvorschriften im AGB-Recht Anwendung (§ 9a WEGesetz).
• Verwalter vertreten die WEG ohne Wenn und Aber gegenüber allen Geschäftspartnern, sie dürfen nur keine Grundstücksgeschäfte tätigen und keine Kredite aufnehmen – eine Regelung, die WiE nach wie vor sehr kritisch sieht. Der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats wird zum Vertreter der WEG gegenüber dem Verwalter, wenn es z.B. um Klagen gegen diesen geht (§ 9b WEGesetz).
• Es gibt künftig mehr Spielraum, Kosten per Beschluss anders als nach Miteigentumsanteilen zu verteilen (§ 16 WEGesetz).
• Jeder Wohnungseigentümer bekommt ein gesetzliches Recht auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen (§ 18 Abs. 4 WEGesetz).
• Nach einer längeren Übergangsfrist wird jeder Eigentümer in WEGs mit mehr als 8 Sondereigentumseinheiten verlangen dürfen, dass ein von der IHK zertifizierter Dienstleister als Verwalter bestellt wird. Die Einzelheiten zur Zertifizierung werden noch in einer Rechtsverordnung bestimmt. Diese Regelung wird statt des seit Jahren diskutierten Sachkundenachweises eingeführt, der in die Gewerbeordnung gemusst hätte (§ 19 Abs. 6 und 26a WEGesetz).
• Über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums entscheidet die einfache Mehrheit der in der Eigentümerversammlung anwesenden und vertretenen Stimmen. Durch diese erhebliche Erleichterung für Veränderungen soll Modernisierungsstaus entgegengewirkt werden (§ 20 Abs. 1 WEGesetz).
• Jeder Wohnungseigentümer kann auf seine Kosten sogar bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums verlangen, die der Barrierefreiheit, der E-Mobilität, dem Einbruchschutz oder dem Zugang zu schnellem Internet dienen (§ 20 Abs. 2 WEGesetz).
• Bei den übrigen baulichen Veränderungen werden die Kosten prinzipiell auf die Eigentümer verteilt, die der Maßnahme zustimmen – mit 2 Ausnahmen. Kosten werden auf alle Eigentümer verteilt, wenn
o sich die Maßnahme (in der Regel binnen 10 Jahren) amortisiert oder
o wenn die Eigentümerversammlung eine Maßnahme zu nicht unverhältnismäßig hohen Kosten mit einer Mehrheit beschließt von mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile, (§ 21 WEGesetz).
• Die Eigentümerversammlung wird künftig immer beschlussfähig sein, daher wurde die Ladefrist von 2 auf 3 Wochen angehoben. Sie kann beschließen, Online-Zuschaltungen von Eigentümern zu gestatten sowie eine genau bestimmte Sache (z.B. Entscheidung zwischen 3 einzuholenden Angeboten) in einem Umlaufbeschluss mehrheitlich zu bestimmen. Die Beschlusssammlung bleibt in bisheriger Form erhalten (§ 23, 24 WEGesetz).
• Verwalter können künftig ohne Beschluss der Eigentümerversammlung Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung treffen, die nicht zu erheblichen Verpflichtungen der WEG führen. Die WEGs können alle Rechte und Pflichten der Verwalter durch Beschluss einschränken oder erweitern – ein wichtiges neues Gestaltungsrecht, das aber nicht die Vertretungsmacht nach außen betrifft (§ 27 WEGesetz).
• Der Beschluss über Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung wird auf die Zahlungspflichten reduziert, um die Zahl der Anfechtungen zu reduzierten. Zudem müssen Verwalter der WEG einen Vermögensbericht vorlegen (§ 28 WEGesetz).
• Der Verwaltungsbeirat kann beliebig viele Mitglieder haben. Sind diese ehrenamtlich tätig, haften sie nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Zudem bekommt der Verwaltungsbeirat die Aufgabe zugewiesen, den Verwalter zu überwachen (§ 29, siehe auch 9b WEGesetz).






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