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15.10.2020 Das Büro ist tot. Es lebe das Büro.

Das größte Homeoffice-Experiment aller Zeiten ist noch im Gange. Schon jetzt hat es uns einige wichtige Erkenntnisse gebracht. Die wohl wichtigste: Homeoffice funktioniert für viele Unternehmen. Das zeigen die zahlreichen Ankündigungen von Unternehmenslenkern (z. B von Fujitsu, Siemens und Twitter), das räumlich flexible Arbeiten künftig fest in ihrer Organisation verankern zu wollen. Für viele Angestellte ist es sogar eine Bereicherung, wie immer mehr Studien zutage fördern. Das nehmen manche zum Anlass zu behaupten, das Büro sei tot. Aus den Befragungen wird aber auch klar, dass das Homeoffice für manche eben kein Ort ist, an dem sie arbeiten können und wollen. Das wiederum nehmen die anderen zum Anlass zu behaupten: Experiment gescheitert, alles bleibt beim Alten. Beide Positionen ignorieren – bewusst oder unbewusst – die jeweils andere Gruppe und werden sich deshalb letztlich auch als falsch erweisen. Weder das Büro noch das Homeoffice ist für jede Organisation, jeden Schreibtischarbeiter und jede Tätigkeit der einzig überlegene Ort zum Arbeiten. Abhängig von den konkreten Rahmenbedingungen überwiegen mal die Vorteile des einen, mal des anderen Arbeitsortes.

Blaupausen helfen hier nicht. Stattdessen wird jede Organisation, jede Unternehmenseinheit, jedes Team und letztlich jeder Mensch für sich selbst herausfinden und entscheiden müssen, wie der optimale Mix aus Arbeiten im Homeoffice, im Unternehmensbüro und gegebenenfalls an weiteren Orten aussieht. Dieser Prozess wird nicht nur ein Mal, sondern immer und immer wieder durchlaufen werden müssen, schließlich ändern sich die Rahmenbedingungen im Laufe der Zeit. Auch neue Erkenntnisse, etwa zu den Langfristfolgen des flexiblen Arbeitens für die Unternehmenskultur und Mitarbeiterbindung, werden hier zu permanenten Anpassungen führen. Manche Unternehmen werden in diesem Optimierungsprozess schon weiter sein als andere, aber mutmaßlich keines hat bereits eine ideale Lösung gefunden. Und wenn doch, wäre sie nur temporär.

Was heißt all das für Büroimmobilieneigentümer und -investoren?

Erstens: Das Büro ist nicht tot. Wäre diese These richtig, das Büro wäre längst gestorben. Schließlich verfügen wir seit zehn oder zwanzig Jahren über die Technologie, um Schreibtischarbeit von jedem beliebigen Ort aus erledigen zu können.

Zweitens: Anzunehmen, nichts werde sich ändern, wäre naiv. Die Zahl jener Menschen, die ihrer beruflichen Tätigkeit nicht oder nicht ausschließlich an einem klassischen Büroarbeitsplatz nachgehen, steigt seit vielen Jahren. Schon das hatte Auswirkungen auf die Büroflächennachfrage. Wir haben sie nur kaum gespürt, weil die Entwicklung langsam verlief und es sich bei den Telearbeitern um eine kleine Minderheit handelte. Corona hat daraus zumindest vorübergehend eine große Mehrheit werden lassen. Hunderte Millionen Büroarbeiter weltweit haben gleichzeitig gelernt, von zu Hause aus (und damit von jedem beliebigen anderen Ort aus) zu arbeiten. Sie werden es nicht verlernen. Manche werden es beibehalten wollen, andere nicht. In jedem Fall aber hat die kleine Minderheit innerhalb kurzer Zeit verhältnismäßig großen Zuwachs bekommen. Das hinterlässt schon jetzt spürbare Effekte auf die Büroflächennachfrage, etwa wenn BASF ein eigentlich geplantes Bürogebäude nun doch nicht benötigt.

Drittens: Alle darüber hinausgehenden Prognosen zur Zukunft des Büros sind mit Vorsicht zu genießen. Sie sind notwendigerweise solange spekulativ, solange die meisten Nutzer selbst noch dabei sind, ihren künftigen Büroflächenbedarf zu definieren. Insbesondere quantitative Prognosen helfen Eigentümern und Investoren wenig. Schließlich kann der einzelne Eigentümer nicht X Prozent seines Büroflächenbestandes „abschneiden“, selbst wenn das vernünftig wäre. Das ist es aber ohnehin nicht und verstellt zudem den Blick aufs Wesentliche: Nicht die Frage nach dem „Wieviel?“ ist von Bedeutung, sondern jene nach dem „Was?“. Für Eigentümer gilt es jetzt herauszufinden, welche Art von Bürofläche die Nutzer künftig haben wollen und wie sich ihre Bedarfe in qualitativer Hinsicht verändern.

Was liegt da näher, als mit den eigenen Mietern in den Dialog zu treten, um genau diese Fragen zu klären? Die Antworten, die dieser Dialog liefert, sind letztlich nichts weniger als der Schlüssel zu lebendigen Büros.

(Beitrag von Matthias Pink, Director / Head of Research Germany bei Savills)










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