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04.12.2020 Wie funktioniert Immobilienfinanzierung in der Krise?

Die Ratingagentur Moody's warnte kürzlich vor erheblichen Risiken für deutsche gewerbliche Immobilienfinanzierer und die Financial Times titelte “Pandemie offenbart schweren Stress in der gewerblichen Immobilienfinanzierung”. Strauchelt die Immobilienfinanzierung und was bedeutet das für Deutschland und unseren Immobilienmarkt, wenn sich Banken aus der Finanzierung von Projektentwicklungen zurückziehen sollten?

Kürzlich wurde ein digitales Pressegespräch zum Thema „Immobilienfinanzierung in der Krise“ organisiert. Moderiert von Stephanie v. Keudell diskutierten dazu:

• Marcus Lemli, CEO Savills www.savills.de
• Martin Rodeck, Geschäftsführer EDGE Deutschland www.edge.tech
• Sascha Klaus, Vorstandsvorsitzender Berlin Hyp www.berlinhyp.de
• Jochen Ackermann, Vorstand MAGNA Asset Management www.magna-am.ag
• Michael Seeberg, Geschäftsführer hypcloud www.hypcloud.de
• Dr. Michael Munsch, Vorstand Creditreform Rating www.creditreform-rating.de

Im Folgenden wurden die jeweiligen Kernaussagen zusammengefasst:

Marcus Lemli, Savills:
Flexibilität und neue Konzepte gegen die Unsicherheit in den Märkten.
Einige sagen, sie brauchen mehr, andere sie brauchen weniger. Und im Zweifel machen sie erstmal gar nichts. Das spiegelt sich natürlich auch in der Bewegung am Markt wider. Wir haben Nutzer, die fünf bis sieben Monate nicht im Büro waren und nun ihre Mietverträge auslaufen lassen, um mit neuen Konzepten an den Markt zu gehen. Unsere Aufgabe ist es, individuelle Konzepte oder neue Geschäftsmöglichkeiten zu entwickeln, die Bedürfnisse bedienen und genutzt werden wollen.

Chancen: Die Preisschere geht dramatisch auseinander

Liquidität ist da, Kapital ist da, Anlagedruck ist da. Dieses Geld sucht sichere Anlagen. Als Finanzierer sucht man Sicherheit, also Qualität und gutes Immobilien-Development, um Kapital zu platzieren. Das wird immer teurer und auf der anderen Seite wird das Kapital knapper werden für Risikoinvestments oder Nutzungsarten, die von diesem langfristigen Strukturwandel negativ betroffen sind. Hier ergeben sich Chancen für Umnutzungen oder neue Investments.

Kredit-Fonds sind bereit

Debt-Fonds versuchen sich bereits seit 10 Jahren zu etablieren und Fremdkapital zur Verfügung zu stellen. Bisher sind sie allerdings oftmals nicht wettbewerbsfähig, da die Renditeanforderungen zu hoch sind. Banken und Versicherungen können auch jetzt noch immer bessere Konditionen anbieten. Aber sicherlich werden Private Equity Fonds nun in einigen Sektoren einspringen, da sie durch ihre höheren Verzinsungsanforderungen aufgepumpt sind und fleißig Kapital eingeworben haben. Sie stehen bereit, um etwaige Finanzierungslücken zu schließen.

Martin Rodeck, EDGE Deutschland:
Flucht in die Produktqualität.
Entscheidend ist die langfristige Performance einer Immobilie, eines Büros. Die Schonfrist ist vorbei! Lage, Lage, Lage war vielleicht im Boom weniger wichtig, da hat der Anlagedruck auch Nebenlagen getragen, aber jetzt besteht doch Sorge, dass wir vor einer Welle von Stranded Assets stehen. Wichtige weitere Faktoren: Flexibilität (hinsichtlich Nutzungskonzepten) der Immobilien und ernsthafte Befassung mit den ESG-Kriterien.

Büros sind die beste Werbung für Unternehmen

Das Büro wird zukünftig noch stärker ein Ort der Zusammenkunft und Kreativität sein. Ich bin mir sicher, dass viele Firmen in die Qualität ihrer Büros investieren werden. Es ist schließlich neben den Unternehmenswerten die beste Werbung für ein Unternehmen, um gute Leute anzuwerben. Deswegen wird es weiterhin Büro-Projektentwicklungen und -Revitalisierungen geben. Daraus entstehen wiederum neue Finanzierungsaufgaben – und damit wieder bessere Produkte.

Wettbewerber melden sich und wollen Projekte loswerden
Auch als Projektentwickler merken wir die Auswirkungen der Pandemie. Plötzlich rufen uns direkte Wettbewerber an und wollen bei Projektentwicklungen kooperieren oder diese gar an uns verkaufen. Das habe ich in meiner Laufbahn bisher so noch nicht erlebt. Bestenfalls ist das keine Vorstufe zu Non Performing Loans (NPL), aber es zeigt, was es da aktuell für eine Dynamik gibt.

Sascha Klaus, Berlin Hyp:
Die Finanzbranche zieht sich wärmer an.
Die aktuelle Krise ist keine Immobilien- oder Bankenkrise, sondern eine Wirtschaftskrise bedingt durch eine Gesundheitskrise. Die Situation auf dem Immobilienmarkt stellt sich aber deutlich positiver dar, als anfänglich befürchtet. Es wird keinen plötzlichen Crash geben, wie in der Finanzkrise 2008, da deutlich mehr Kapital, Liquidität und Reserven vorhanden sind. Sorge bereitet mir die Rating-Migration bei einzelnen Nutzungsarten, was Auswirkungen auf das Kapital haben kann. Die klassischen Kriterien Lage und Zukunftsfähigkeit einer Immobilie sind deshalb heute wichtiger denn je.

Banken werden konservativer

Banken mögen keine Unsicherheit, aber die haben wir gerade in machen Sub-Asset-Klassen. Das macht sich bei der Finanzierungsbereitschaft und den Konditionen der Banken bemerkbar. Höheren Risiken z.B. bei Projektentwicklungen kann aber mit mehr Eigenkapital und anderen Sicherheitspuffern, etwa in Form von Bürgschaften oder höheren Vorvermietungsquoten, begegnet werden.

Jochen Ackermann, MAGNA AM:
Wohnen ist krisenresistent.
Die aktuelle Unsicherheit am Markt führt zu einem Paradigmenwechsel und einer Instabilität, die wir zuletzt nach der Finanzkrise erlebten. Wohnen gewinnt als risikoresistente Nutzungsart als Investmentform an Attraktivität – im Gegensatz zu Hotel und Retail.

Führt Corona zu Schnäppchen-Wochen am Immobilienmarkt?

Ich werde von vielen Investoren gefragt: Sind denn jetzt Schnäppchen-Wochen? Können wir jetzt preiswert an interessante Investments kommen? Nach der Finanzkrise waren wenig bis keine erkennbar und ich glaube, das wird auch im nächsten Jahr so sein. Natürlich gibt es ein paar Optionen am Markt, die unter großem Druck stehen, aber das sind nicht die Opportunitäten, die sich Investoren vorstellen.

Michael Seeberg, hypcloud:
Plattformen schaffen Transparenz und Zugang.
Unsere Plattform hypcloud hat zwei Aufgaben: die passenden Geschäftspartner zusammenbringen und Transaktionen abwickeln. Mit der wachsenden Vielfalt von Kreditgebern auf dem Markt wächst der Wettbewerb aber auch die Unsicherheit. Genau da kann unsere digitale Plattform Transparenz und Zugänge schaffen. Und der Vorteil ist, die Onlinelösung ermöglicht standortunabhängiges Agieren.

Gewerbliche Immobilienfinanzierung ist ein Teamsport.
Finanzierer, Kreditnehmer, Architekten, Anwälte, Hausverwaltung usw. – alle diese Parteien müssen in dem komplexen Prozess einer Immobilienfinanzierung ihren Teil beitragen. Austausch von Daten, Abkürzung von Informationsketten, Prozesssteuerung – Eine webbasierte Software kann den Workflow am beste leisten und optimieren. Mit der Plattform hypcloud bieten wir der Immobilienbranche eine solche Lösung.

Digitalisierung ist auf dem Vormarsch, aber kein Selbstläufer

Durch PropTechs und FinTechs wurden bereits viele innovative Lösungen für einzelne Teile der Immobilienwertschöpfungskette gefunden. In den kommenden Monaten und Jahren ist eine stärkere Vernetzung dieser Lösungen zu wünschen und zu erwarten. Digitalisierung gelingt, wenn mit etwas Mut und Neugier auch in der Krise weiter investiert und mehr Kooperationen in der Immobilienbranche eingegangen werden.

Dr. Michael Munsch, Creditreform Rating:
Insolvenzen bleiben (vergleichsweise) moderat.
Im ersten Quartal 2021 erwarten wir etwa 24.000 Firmeninsolvenzen und somit einen Anstieg von ca. 25 %. Besonders Hotels, Gastronomie und Kultur sowie mittelständische und kleinere Unternehmen werden davon betroffen sein.

Das Risiko steigt

Als Ratingagentur beobachten wir das Ausschlagen der Risikoquoten. Gerade bei Sub-Asset-Klassen wird sich das auf den laufenden Cashflow bemerkbar machen. Ebenso werden wir Auswirkungen auf die Einschätzung der Entwicklung von Immobilienwerten im Speziellen bei Hotel und Gastronomie beobachten. Die Finanzierungen werden anspruchsvoller.

Der Trend geht zum Kapitalmarkt

In der Immobilienfinanzierung wird es einen Shift von der Bankenfinanzierung hin zum Kapitalmarkt geben. Risikoprämien werden dort anders gesehen und der Druck auf die Immobilienbewertung steigt. Das war bereits vor Corona so, es hat die Entwicklung bloß verstärkt. Pauschal lässt sich aber sicherlich sagen, dass es Unterschiede in den einzelnen Bereichen gibt. Am Ende entscheidet sich das im Einzelfall.








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