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18.12.2020 Immobilienmärkte: Bleibt alles anders - Einmal Zukunft und Zurück

„Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert und Wochen, in denen Jahrzehnte passieren“, soll Lenin einst gesagt haben. Nun war das zurückliegende Jahrzehnt mit Blick auf die Immobilienmärkte zwar keineswegs ereignislos, und doch fühlt es sich verglichen mit den Geschehnissen seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie so an. Seit vielen Jahren schrieben wir an dieser Stelle sinngemäß: Der Superzyklus läuft weiter. Nuancen änderten sich, die große Linie aber blieb dieselbe. Die Ironie will es, dass wir ausgerechnet im letztjährigen Ausblick sogar „Und ewig läuft der Superzyklus“ titelten. Mit Blick auf die Kapitalmarktentwicklung lagen wir damit vielleicht gar nicht so falsch, aber an den Vermietungsmärkten hat die Pandemie zweifellos einen neuen Zyklus eingeleitet. Doch nicht nur das, sie hat uns in eine neue Zeit katapultiert, in der wir uns alle nun erst einmal orientieren müssen. Der World Uncertainty Index, der nach Ausbruch der Pandemie in nie gekannte Höhen schnellte, ist ein Ausdruck dieser Orientierungslosigkeit. Fragen, die noch vor wenigen Monaten den meisten lächerlich erschienen, werden nun von einer breiten Öffentlichkeit mit ernster Miene diskutiert. Ob das Büro eine Zukunft hat (und welche), ist nur eine dieser Fragen.

Dieses trendbeschleunigende Element der Krise, von dem dieser Tage so häufig die Rede ist, lässt sich in vielen Bereichen beobachten und messen. Zahlreiche Kennziffern, zum Beispiel der Online-Einzelhandelsumsatz oder die Zahl der Menschen, die nicht in klassischen Büros arbeiten, folgen einem Verlauf, wie er in der Abbildung unten dargestellt ist. Schon vor der Krise wiesen sie ein Trendwachstum auf, mit Ausbruch der Pandemie schnellten sie dann innerhalb weniger Wochen in kaum für möglich gehaltene Höhen. Noch immer befinden wir uns auf diesem COVID-19-Gipfel. Er bietet uns nicht weniger als einen Ausblick in die Zukunft, ja in gewisser Weise sogar die einzigartige Gelegenheit, in ihr zu leben (visualisiert durch die horizontale gerissene Linie in der Abbildung unten). Allerdings nur für relativ kurze Zeit, denn sobald wir das Virus in den Griff bekommen haben, werden wir den Gipfel ebenso schnell hinabsteigen, wie wir ihn hinaufgestiegen sind.

So wird die Zahl der Menschen im Homeoffice rasant sinken, der Umsatz im Online-Einzelhandel ebenso. In dieser Phase wird es sich so anfühlen, als kehrten wir in die uns allen vertraute Vorkrisennormalität zurück. Wir kommen ihr auch mehr oder weniger nahe, aber ankommen werden wir dort nie. Auch nach dem Gipfelabstieg werden weiterhin mehr Menschen zumindest teilweise von zu Hause aus arbeiten und mehr von ihnen online einkaufen als vor der Krise. Anschließend wird ihre Zahl wieder stetig steigen – vielleicht schneller als in der Prä-COVID-19-Welt, vielleicht langsamer. Irgendwann aber, möglicherweise schon in fünf Jahren, eventuell aber auch erst in fünfzig, könnte ihre Zahl wieder das Niveau erreichen, das wir heute schon beobachten können. Wohl dem, der seinen Kurztrip in die Zukunft dafür nutzt, Lehren für das Heute zu ziehen, statt auf die Rückkehr zur Normalität zu warten.

Nun ist es freilich nicht so, dass wir heute nur genau genug hinschauen müssen, um die Zukunft vorauszusehen. Das funktioniert allein schon deshalb nicht, weil längst nicht alle Entwicklungen dem Verlauf in der Abbildung oben folgen. Das weltweite Touristenaufkommen etwa weist – bei ebenfalls steigendem Trend – statt eines COVID-19-Gipfels ein tiefes Tal auf. Hier hat uns die Krise nicht in die Zukunft, sondern um viele Jahre in die Vergangenheit befördert. Dem Morgen waren wir gestern schon näher als wir es heute sind. Auch die Kombination aus fallendem Trend und Gipfel oder Tal gibt es. Die verschiedenen Verläufe treffsicher voneinander unterscheiden zu können, ist nicht nur für immobilienwirtschaftliche Entscheidungen essenziell. Doch selbst wenn wir all diese Entwicklungen so dechiffrieren könnten: Wie die Coronakrise die Welt verändert, bleibt letztlich unvorhersehbar. Dass sie sie verändert, ist gewiss. Vor uns liegt keine Vorkrisennormalität, sondern eine Nachkrisenrealität. Wie diese an den deutschen Immobilienmärkten aussehen könnte, wollen wir im Folgenden beleuchten.?

Die große Spreizung: Nutzermärkte

Das neue Coronavirus diskriminiere nicht, war gerade zu Beginn der Pandemie ein häufig gebrauchtes Narrativ. In einem sehr abstrakten Sinne mag das stimmen, aber die Lebenswirklichkeit ist eine andere. Denn die Folgen des Virus und seiner Verbreitung sind außerordentlich ungleich verteilt. Das gilt für die gesundheitlichen Auswirkungen im Falle einer Infektion ebenso wie für die ökonomischen Folgen, die mit der Pandemie und den Maßnahmen zu ihrer Eindämmung einhergehen. Sehr deutlich lässt sich das auf Ebene der Branchen beobachten. Während etwa einzelne Branchen einem staatlich verordneten Stillstand unterliegen (z. B. Gastronomie und Hotellerie), profitieren andere von pandemiebedingt gestiegener Nachfrage (z. B. Telekommunikation). Nun sind solche Divergenzen als Begleiterscheinung einer Krise an sich nicht außergewöhnlich, ihr Ausmaß in dieser Krise ist es jedoch schon.

Dasselbe gilt für die Immobilienmärkte. Die Flächenbedarfe der einzelnen Nutzungen haben sich massiv auseinanderentwickelt, COVID-19-Gipfel und -Täler überlagern einander. Interimsanmietungen von Logistikflächen auf der einen und Mietausfälle am Einzelhandelsmarkt auf der anderen Seite zeugen exemplarisch davon. Das Ausmaß dieser Spreizung ist derart groß, dass schon unmittelbar nach Beginn der Krise Ausgleichsmechanismen in Gang kamen: Hotels, die ihre Zimmer als Homeoffice-Alternative vermieteten, Airbnb-Apartments, die wieder zu normalen Wohnungen wurden und Eventflächen, die sich in Filmstudios verwandelten, damit dort virtuelle Veranstaltungen stattfinden können, sind Beispiele dafür. Besonders am Beispiel des Filmstudios wird deutlich, dass uns das wahre Ausmaß von Gipfeln und Tälern verborgen bleibt. Die herkömmlichen Marktkennziffern bilden die Verfassung der Märkte jedenfalls nicht mehr adäquat ab. Erst unter Berücksichtigung von Incentives, Mietausfällen und vielen ähnlichen Phänomenen ließe sich ein vollständiges Bild des Geschehens zeichnen. Nur sind diese Dinge kaum messbar und so bleibt das Bild unvollständig.

In dieser extremen Ausprägung ist das Auseinanderdriften der Flächenbedarfe der einzelnen Nutzungen zweifellos der akuten Pandemiesituation geschuldet und mithin temporärer Natur. Wohl um die Jahresmitte 2021 dürfte dieser Zustand überwunden sein, COVID-19-Gipfel und -Täler werden verschwinden. Das Nachfragegefüge an den Immobilienmärkten wird sich nach unserer Auffassung aber auch dann noch fundamental von jenem zu Beginn des Jahres 2020 unterscheiden. Manche Nutzungen werden einen substanziell höheren, andere einen substanziell geringeren Flächenbedarf haben als vor der Krise. Der Logistikflächenbedarf ist Beispiel für den einen, der Flächenbedarf des stationären Einzelhandels ist Beispiel für den anderen Fall. Beide divergierten wegen des expandierenden Online-Handels schon seit Jahren. COVID-19 wirkt hier nun als Katalysator. Alle anderen Nutzungen unterliegen ebenfalls einem solchen strukturverändernden Effekt, wobei zu erwarten ist, dass er umso größer ausfällt, je länger die akute Krise anhält.

Wie stark sich der Flächenbedarf im Einzelfall verändern wird, lässt sich kaum ermessen und wird sich nur langsam offenbaren. Das gilt vielleicht in jenen Fällen in besonderem Maße, in denen COVID-19 gegen den bisherigen Flächenbedarfstrend wirkt, etwa bei Büros. Der Büroflächenbedarf stieg getrieben durch das Wachstum der Bürobeschäftigten seit Jahren und dieser Trend ist nun durch ein COVID-19-Tal zumindest überlagert. Wiederum lässt sich die Tiefe des Tals mit klassischen Marktkennziffern nicht adäquat abbilden, wie ein Blick auf die Leerstandsrate zeigt. Diese regiert ohnehin erst verzögert auf einen veränderten Bedarf. So auch dieses Mal. Einige Monate nach Krisenbeginn fing die Leerstandsrate an zu steigen und bislang veränderte sie sich nur in der Nachkommastelle. Die tatsächliche Büroauslastung hat viel stärker reagiert und auch hier ist es die Dimension des Auseinanderfallens, die diese Krise besonders macht.

Wir schätzen, dass seit Pandemiebeginn im Durchschnitt mehr als die Hälfte des Büroflächenbestands ungenutzt war. In der Tendenz scheint die Büroauslastung mit steigender Unternehmensgröße abzunehmen und unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass sie bei internationalen Konzernen typischerweise bei maximal 20 % liegt. Mit Blick nach vorn ist eines sicher: Die Leerstandsrate und der Anteil ungenutzter Bürofläche werden sich aufeinander zubewegen. Völlig klar ist auch, dass sich der Anteil ungenutzter Bürofläche stärker auf den Leerstand zubewegen wird als umgekehrt. Viele Menschen wollen und brauchen derzeit schlicht deshalb nicht ins Büro, um ihre Gesundheit und die ihrer Mitmenschen zu schützen und werden ins Büro zurückkehren, sobald die Pandemie vorüber ist. Bis dahin rechnen wir mit steigendem Leerstand. Wie stark dieser Anstieg aber ausfallen wird, ist in hohem Maße unsicher. Aus unserer Sicht kann derzeit niemand seriös einschätzen, wie viele Menschen in welchem Umfang ins Büro zurückkehren werden.

Die meisten Unternehmen können das unserem Eindruck nach auch für ihre eigene Belegschaft noch nicht beantworten. Manche kommen dieser Antwort mit entsprechenden Regelungen zuvor, wobei uns von 100 % Homeoffice-Lösungen bis hin zu vollständiger Anwesenheitspflicht im Unternehmensbüro alle Schattierungen begegnet sind. Was das in Summe für den Büroflächenbedarf bedeutet, bleibt abzuwarten. Wir glauben, dass die postpandemische Büroauslastung relevant niedriger sein wird als vor der Krise, Unternehmen also bei unveränderter Mitarbeiterzahl Fläche abgeben werden. Wir erwarten das vor allem für die großen Nutzer und dementsprechend im größeren Flächensegment. Das würde den Büroflächenbedarf strukturell schmälern.


Bei Büros besteht aber nicht nur Unsicherheit über die Tiefe des Tals und über das Ausmaß des Rückprall-Effekts. Darin unterscheiden sie sich nicht von Einzelhandelsflächen. Viel mehr noch als bei Letzteren ist zudem die postpandemische Entwicklung des Flächenbedarfs unklar. Zwar dürfte die Zahl der Bürobeschäftigten – der bisherige Treiber des wachsenden Flächenbedarfs – nach überwundener Krise im Trend weiter steigen. Umgekehrt könnte aber die durchschnittliche Zeit, die Menschen im Büro verbringen, auch postpandemisch stetig sinken. Wie sich diese und andere, uns möglicherweise noch unbekannte Effekte, netto auswirken, wissen wir nicht. Zumindest aber steht die Frage im Raum, ob COVID-19 den Trend steigenden Büroflächenbedarfs nicht nur unterbrochen, sondern beendet hat (Ähnliches gilt aus unserer Sicht für Hotels, auf die wir hier nicht näher eingehen).

Doch selbst wenn COVID-19 einen geringeren Büroflächenbedarf mit sich bringen sollte, könnte es zugleich für einen erheblichen Modernisierungs- und Neubaubedarf sorgen. Wir gehen davon aus, dass sich mit dem Durchbruch des räumlich flexiblen Arbeitens erstens auch die Flächenanforderungen der Nutzer wandeln und zweitens ihre Ansprüche steigen. Im Kern verschiebt sich der Schwerpunkt von Büros als Orten zum Arbeiten hin zu Büros als Orten zum Zusammenarbeiten. Die steigenden Ansprüche resultieren daraus, dass das Unternehmensbüro viel stärker als vor COVID-19 in Konkurrenz zu anderen Orten steht, an denen gearbeitet werden kann. Zum Teil werden sich die veränderten Anforderungen im existierenden Gebäudebestand realisieren lassen, zum Teil aber eben auch nicht. Das gilt insbesondere dann, wenn die neuen Arbeitsplatzkonzepte auch mit neuen Standortmustern einhergehen. Manches spricht beispielsweise dafür, dass wohnortnahe Büroflächen an Bedeutung gewinnen. Daraus ergäbe sich ein Neubau- bzw. Umwidmungsbedarf in diesen Lagen – und möglicherweise ein Flächenüberhang in anderen Lagen.

Es greift aber ohnehin zu kurz, den Wandel der Büroarbeitswelt auf seine Konsequenzen für den Büroflächenbedarf zu reduzieren. Er könnte Auswirkungen weit darüber hinaus haben. So könnte beispielsweise der Gastronomie- und Versorgungsbedarf in den Wohnquartieren steigen, wenn künftig verstärkt im Homeoffice gearbeitet wird. Umgekehrt könnte er in den zentralen Bürolagen sinken. Auch die Einzelhandelsstandorte entlang der Pendelstrecken könnten sich mit einer geringeren Nachfrage konfrontiert sehen. Letztlich heißt räumlich flexibles Arbeiten nichts anderes, als dass sich Arbeits- und Wohnorte stärker voneinander entkoppeln. Das fordert die tradierten Lagemuster heraus, zumal noch völlig unklar ist, wie sich in diesem Kontext die Wohnlagepräferenzen der Menschen verändern.

Viele dieser Entwicklungen wären in den kommenden Jahren ohnehin abgelaufen. COVID-19 hat sie allerdings massiv beschleunigt und die Flächenbedarfe werden sich auch nach dem Ende der akuten Krise quantitativ wie qualitativ teils substanziell von jenen im Frühjahr 2020 unterscheiden. Diese veränderten Flächenbedarfe treffen auf einen unveränderten Gebäudebestand. Wenn uns nicht alles täuscht, werden die Folgen, die COVID-19 für die Immobilienmärkte mit sich bringt, noch viele Jahre nachwirken.
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Höhere Risikoaversion trifft auf steigende Risiken: Investmentmärkte

Falls es vor der COVID-19-Krise noch Zweifel daran gab, dass die Zinsen auch in den nächsten Jahren niedrig bleiben würden, sie dürften verschwunden sein. Etwa 80 % aller weltweit umlaufenden Anleihen weisen eine Rendite von unter 1 % auf – ein Viertel sogar von unter 0 %. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sich das im Laufe der 2020er Jahre nennenswert ändern wird. Vor diesem Hintergrund rechnen wir mit weiter steigenden Immobilienquoten in den Portfolios der institutionellen Investoren und folglich einem anhaltend hohen Anlagedruck. Das gilt für Deutschland in besonderem Maße. Die Bundesrepublik hat die Pandemie bislang vergleichsweise gut bewältigt und das hat ihren Status als sicherer Anlagehafen gefestigt. Wegen der nochmals gestiegenen Risikoaversion dürfte sie davon künftig noch mehr als bislang schon profitieren. Dass die Spitzenrenditen in den risikoärmsten Immobiliensegmenten trotz der tiefsten Rezession der deutschen Nachkriegsgeschichte nicht gestiegen sind, deuten wir als Ausdruck eines weiterhin sehr hohen Kapitaldrucks im Core-Segment.

Dieses Geld trifft auf deutlich gestiegene Risiken an den Nutzermärkten, die nach unserer Auffassung in Teilen auch über das Ende der akuten Krise hinaus bestehen bleiben werden (siehe Abschnitt „Die große Spreizung: Nutzermärkte“). In jedem Fall ist das Anlageuniversum für risikoaverse Investoren zumindest temporär geschrumpft. Weite Teile des Hotel- und Einzelhandelsimmobilienmarktes haben ihren Core-Status in den Augen vieler Investoren verloren und bei Büroimmobilien sind sie selektiver geworden. Umso stärker dürfte sich die Nachfrage auf jene Immobilien konzentrieren, die auch während der Krise stabile Cashflows liefern und diese auch für die Zeit nach der Pandemie versprechen. Dazu zählen in erster Linie Logistik- und Wohnimmobilien, Immobilien des Lebensmitteleinzelhandels, Büros, wenn sie lange Mietverträge mit der öffentlichen Hand oder ähnlich bonitätsstarken Nutzern aufweisen, sowie Nischen wie Rechenzentren und andere infrastrukturnahe Immobilien. In allen genannten Segmenten rechnen wir deshalb mit einem weiteren Rückgang der Anfangsrenditen und spätestens postpandemisch auch wieder mit steigenden Transaktionsvolumina.

Außerhalb dieses nun enger gewordenen Core-Segments gehen wir bis zum Ende der Pandemie von steigenden Renditen aus. Das Ausmaß dieses Anstiegs wird sich allerdings erst bestimmen lassen, wenn wieder ausreichend viele Transaktionen im Non-Core-Segment stattfinden. Bei Immobilien, bei denen COVID-19 strukturelle Fragezeichen gesetzt hat, etwa bei Büros in B- und C-Lagen oder bei Business-Hotels, könnte die Phase einer Preiskorrektur länger dauern.

Die absehbaren Entwicklungen an den Investmentmärkten ließen sich also, wie auch jene an den Nutzermärkten, mit dem Wort ‚Spreizung‘ treffend beschreiben. Das gilt nicht nur im Hinblick auf Preise und Transaktionsvolumina, sondern auch bezogen auf den Spagat, den die Investoren zu bewältigen haben. Einerseits werden ihnen voraussichtlich noch mehr Anlegergelder auf der Suche nach auskömmlichen und stabilen Erträgen zufließen. Andererseits werden Erträge, die diese Eigenschaften vereinen, angesichts der Entwicklungen an den Nutzermärkten womöglich immer seltener zu finden sein. Vor diesem Hintergrund glauben wir, dass sich die Anlagestrategien der einzelnen Investoren jenseits des kleinsten gemeinsamen Nenners ‚Logistik, Wohnen, AAA-Büro‘ stärker ausdifferenzieren werden. So dürften manche Investoren eine etwaige Preisdelle bei Büros in B-Lagen als antizyklische Gelegenheit für Zukäufe betrachten, andere halten eben jene Büros vielleicht für strukturell zu risikobehaftet und stehen auf der Verkäuferseite. Das würde erstens das Transaktionsvolumen auf hohem Niveau halten und zweitens für vergleichsweise stabile Preise in jenen Segmenten sprechen, die weder unstrittig Core noch Non-Core sind.

Anders als den risikoaversen Investoren dürfte sich jenen Investoren mit höherer Risikobereitschaft ein Umfeld mit einer Vielzahl an Investmentopportunitäten bieten. Notverkäufe meinen wir damit nicht, die erwarten wir angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen sowie der guten Eigenkapitalausstattung der meisten Eigentümer nur in geringer Zahl. Allerdings dürften die sich teils massiv wandelnden quantitativen wie qualitativen Flächenbedarfe, wie wir sie für die kommenden Jahre skizziert haben, erhebliches Potenzial für Value-Add- und noch mehr für Projektentwicklungsstrategien bieten. Die Repositionierung von Hotels, Shopping-Centern und Warenhäusern oder der Neubau von Nahversorgungs- und urbanen Logistikimmobilien sind hierfür nur einige Beispiele. Da sich Banken weitgehend aus der Projektfinanzierung zurückgezogen haben, bieten sich hier Chancen für alternative Kapitalgeber.

In den letzten Jahren war es vor allem die defensive Komponente, aufgrund derer die Asset-Klasse Immobilien bei den Investoren hoch im Kurs stand. Daran wird sich nach unserer Auffassung im Grundsatz auch nichts ändern, insbesondere im Vergleich zu anderen Asset-Klassen. COVID-19 könnte ihr nun aber gewissermaßen eine offensive Komponente hinzufügen. Erweist sich die Pandemie tatsächlich als jener Katalysator für den Strukturwandel an den Nutzermärkten, für den wir sie halten, der Risikokapitalbedarf im Immobiliensektor dürfte über Jahre hoch bleiben.

(Von: Matthias Pink, Director / Head of Research Germany bei Savills)






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