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26.01.2021 Folgen des Wohnungsmangels werden sichtbar

Bereits seit 2009 beobachtet Aengevelt Research eine Verschärfung des Wohnungsmangels in den deutschen Großstädten und Metropolregionen. Ob Berlin oder München, Stuttgart oder Düsseldorf, Freiburg im Breisgau oder Münster in Westfalen: Quer durch die Bundesrepublik übersteigt die Wohnungsnachfrage das Wohnungsangebot. Das ist nicht nur ein Problem für Wohnungssuchende, die immer größere Schwierigkeiten haben, eine angemessene und bezahlbare Wohnung zu finden, sondern macht sich inzwischen auch in einer messbaren Verschlechterung der Wohnungsversorgung bemerkbar, wie Aengevelt Research feststellt.

Als ausgeglichen gilt ein Wohnungsmarkt, wenn die Zahl der Wohneinheiten die Zahl der Privathaushalte um 2% bis 3% übersteigt. Die Zahl der Wohneinheiten muss immer etwas größer sein als die Zahl der Haushalte, weil ein Teil des Bestands durch Zweit- und Ferienwohnungen blockiert wird und weil eine Fluktuationsreserve benötigt wird, um auszugleichen, dass eine Wohnung beim Bewohnerwechsel häufig vorübergehend dem Wohnungsmarkt entzogen ist, beispielsweise wegen Renovierungs- oder Modernisierungsarbeiten.

Tatsächlich stehen laut Zahlen der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder
in vielen deutschen Großstädten inzwischen sogar weniger Wohneinheiten zur Verfügung als es Haushalte gibt: In Hamburg 2,7% weniger, in München 3,0% weniger, in Berlin 3,2% weniger, in Düsseldorf 3,5% weniger.

Wenn die Wohnungsnachfrage das Angebot übersteigt, führt das zu unterschiedlichen Folgen:

• Ein Teil der Wohnungssuchenden wandert ab, um im Umland, wo die Wohnungsmarktlage meist noch etwas besser ist, eine Wohnung zu nehmen. Tatsächlich hat sich in den meisten Städten in den letzten zehn Jahren die Fortzugsquote gesteigert, in Köln beispielsweise von 13,8% auf 19,2%. Die Konsequenz ist, dass die Menschen, namentlich die Kinder, aus ihren sozialen Zusammenhängen gerissen werden und sich das Pendleraufkommen verstärkt, was allen verkehrs- und klimapolitischen Zielen zuwiderläuft.

• In zweite Reaktion auf das Scheitern der Wohnungssuche besteht darin, dass Haushaltsgründungen junger Menschen unterbleiben oder dass Wohnungssuchende bei Verwandten, Freunden oder Kollegen Unterschlupf finden, dass es also zu erzwungenen Wohngemeinschaften kommt. Öffentlich bekannt geworden ist der Fall einer Fernsehjournalistin, die von Berlin nach München versetzt wurde und dort bei einer Kollegin einziehen musste, weil sie einfach keine Wohnung finden konnte. In der amtlichen Statistik vieler Großstädte ist dieses Zusammenrücken daran erkennbar, dass die durchschnittliche Haushaltsgröße wieder steigt. In Berlin etwa ist sie zwischen 2008 und 2019 von 1,7 auf 1,8 Personen je Haushalt gestiegen, obwohl sie eigentlich sinken sollte, unter anderem aufgrund der Alterung der Bevölkerung und des Trends zum Alleinleben.

• Eine dritte Folge des Wohnungsmangels ist die Überbelegung, zu der es kommt, wenn bei Geburt eines Kindes keine größere Wohnung gefunden werden kann oder wenn sich ein wohnungssuchender Haushalt mit einer viel zu kleinen Wohnung begnügen muss, weil keine passende größere gefunden werden kann.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lebten 2019 bereits 12,7% der Einwohner von Städten in überbelegten Wohnungen, während es 2008 erst 9,0% waren. Alleinlebende, Armutsgefährdete, Alleinerziehende und Kinder sind von der Überbelegung besonders betroffen. Als „überbelegt“ werden Wohnsituationen erfasst, bei denen es beispielsweise kein Kinderzimmer oder kein Wohnzimmer gibt oder sich mehr als zwei Kinder unter 12 Jahren ein Zimmer teilen müssen.

• Wenn das Angebot geringer ist als die Nachfrage, steigen die Preise. Seit 2008 sind die Mieten in den Wachstumsregionen um 81% angestiegen, während der Verbraucherpreisindex im gleichen Zeitraum nur um 15% gestiegen ist. Zugenommen hat auch der Anteil der Wohnungsmieten am verfügbaren Einkommen, der im Jahr 2018 bei über 27% lag. 14% der Bevölkerung leiden nach Angaben des Statistischen Bundesamts unter einer Überbelastung durch Wohnkosten, d.h. sie müssen mehr als 40% ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen aufwenden. Das ist der vierthöchste Wert unter 27 europäischen Ländern.

• Die brutalste Folge des Wohnungsmangels ist die Wohnungslosigkeit. Sie hat sich nach den Erhebungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe seit 2008 von 227.000 auf 678.000 im Jahr 2018 verdreifacht.

Prof. Dr. Volker Eichener von der Hochschule Düsseldorf, der die Aengevelt-Analyse geleitet hat: „Der Wohnungsmangel schlägt inzwischen auf die Wohn- und Lebensverhältnisse der Menschen durch. Jahrzehntelang ist zu wenig gebaut worden, und die Baufertigstellungszahlen reichen immer noch nicht aus. Einige Jahre lang konnte der Wohnungsmangel noch irgendwie abgepuffert werden. Inzwischen leiden aber erhebliche Anteile der Bevölkerung unter der Knappheit, zunehmend auch in Form vollkommen unzumutbarer Wohnverhältnisse oder gar in Form von Wohnungslosigkeit, die eines reichen Landes wie Deutschland unwürdig ist. Immer häufiger wird auch die Wohnkostenbelastung unerträglich. Die Mietpreisbremse hat weder das Symptom, die steigenden Mieten, beseitigen können noch die Ursache, nämlich den Mangel an Wohneinheiten. Es wird immer deutlicher, dass mehr gebaut werden muss und dass dafür mehr Bauland ausgewiesen werden muss.“

Aengevelt Research weist darauf hin, dass die Zahl der Baufertigstellungen bis zum Ende des Jahres 2020 nur knapp die Marke von 300.000 Wohneinheiten erreicht hat. Das liegt immer noch unter dem laufenden Neubaubedarf, der auf 400.000 Einheiten p.a. beziffert wird, und trägt erst recht nicht dazu bei, den bereits aufgelaufenen Wohnungsmangel zu beseitigen.

Mitte der 1990er Jahre hatten die Neubauleistungen noch bei 600.000 Wohnungen pro Jahr gelegen. Allerdings sind seitdem zahlreiche Instrumente der Wohnungsbauförderung abgeschafft oder gekürzt worden.






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